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Saleh bietet Übergangsregierung an

Anhaltende Kämpfe und weitere Flüchtlinge

Von Karin Leukefeld *

Der jemenitische Präsident Saleh hat am Wochenende seinen Stellvertreter Abdrabbo Mansur Hadi autorisiert, mit der Opposition über einen Machtwechsel zu verhandeln. Stellvertretend kann Hadi auch die Vereinbarung unterzeichnen, die von den Staaten des Golfkooperationsrates und dem westlichen »Freundeskreis Jemen« als Lösung des politischen Konflikts im Land vorgeschlagen wurde.

Die Vereinbarung sieht vor, dass Ali Abdullah Saleh als jemenitisches Staatsoberhaupt seinem Machtverzicht, einer Übergangsregierung und Wahlen zustimmt. Im Gegenzug werden ihm und seiner Familie Straffreiheit versprochen. Mohammed Qahtan, Sprecher des Gemeinsamen Forums, einem Zusammenschluss von sechs politischen Parteien, wies die Erklärung Salehs als »reine Taktik« zurück. Saleh wolle nur Zeit gewinnen, »wenn er es ernst meinen würde, hätte er die Vereinbarung selber unterschrieben«, sagte Qahtan. Das Oppositionsbündnis hatte die Vereinbarung des Golfkooperationsrates bereits im April unterzeichnet. Kinderrechte kennen keine Herkunft.

Seit Wochen haben die Spannungen zwischen Anhängern von Präsident Saleh und der Opposition zugenommen, das Land ist über die Frage der politischen Zukunft gespalten. In der Hauptstadt Sanaa stehen sich mittlerweile Truppen, die weiterhin loyal zu Saleh stehen, und Soldaten gegenüber, die mit General Ali Mohsen Al-Ahmar zur Opposition übergelaufen sind. Ahmar wirft Saleh und seiner Regierung vor, zum Erhalt ihrer Macht Jemen in einen Krieg stürzen zu wollen.

Saleh, der in Jemen seit 1978 an der Macht ist, hatte sich am Dienstag in der saudischen Hauptstadt Riad geäußert, wo er seit einem Anschlag auf ihn und Gefolgsleute Anfang Juni medizinisch behandelt wird. Ein »Fahrplan« zur Umsetzung des Machtwechsels, der von den Vereinten Nationen vor wenigen Wochen vorgelegt worden war, schlug ebenfalls fehl.

Der politische Stillstand hat dem bettelarmen Land weitere kriegerische Auseinandersetzungen und einen nahezu kompletten ökonomischen Absturz beschert. In der südlichen Provinz Abyan liefern sich Truppen des Präsidenten seit Mai Kämpfe mit Militanten, die angeblich Al Qaida nahestehen. Letztere hatten kürzlich die Provinzhauptstadt Zingibar eingenommen, die von der Armee zumindest teilweise zurückerobert worden sein soll. Bei den Kämpfen sollen mindestens 280 jemenitische Soldaten getötet worden sein, wie viele Gegner getötet wurden, ist nicht bekannt.

Erneut warnten Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen vor einer »humanitären Katastrophe«. Seitens der Arabischen Liga, deren 136. Treffen am Dienstag in Kairo endete, erging lediglich eine Aufforderung zur »Zurückhaltung auf allen Seiten«, um »den Hoffnungen der Bevölkerung nach Reformen und einem Leben in Würde gerecht zu werden«.

60 Prozent der mehr als 100 000 Inlandsflüchtlinge allein im südlichen Jemen sind Kinder, heißt es in einer Erklärung des UN-Hilfswerks für Kinder, UNICEF. Sie erlebten andauernde Angst, Ungewissheit und seien tief traumatisiert, sagte Geert Cappelaere, der UNICEF in Jemen repräsentiert. Das neue Schuljahr beginnt am 17. September, doch unklar ist, wo die Kinder lernen sollen, da allein in den südlichen Provinzen des Landes 70 Schulen als Unterkunft für Inlandsflüchtlinge dienten. Fast täglich landen zudem Flüchtlinge vom afrikanischen Kontinent an den Küsten des Landes, dieses Jahr wurden bereits 60 000 Menschen gezählt, mehr als im ganzen Jahr 2010.

* Aus: Neues Deutschland, 15. September 2011


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