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Vom blutigen Krieg in der Provinz Saada (Jemen) zum Schlagabtausch zwischen Iran und Saudi Arabien?

Iranische Waffen für die Rebellen - saudische Stützpunkte für jemenitische Armee

Von Karin Leukefeld

Der blutige Krieg in der Provinz Saada, im Nordwesten Jemens, scheint sich zu einem regionalen Schlagabtausch zwischen den konkurrierenden Großmächten Iran und Saudi Arabien zu entwickeln. Die Houthi Rebellen, die seit Beginn der blutigen Armeeoffensive "Verbrannte Erde" am 11. August den jemenitischen Truppen Widerstand leisten, haben Saudi Arabien jetzt erneut vorgeworfen, die jemenitische Armee militärisch zu unterstützen. Man habe den Streitkräften erlaubt, den Stützpunkt Jabal al-Dukhan zu besetzen, der jenseits der Grenze in Saudi Arabien liege, hieß es in einer Stellungnahme der Houthis, die bei der Nachrichtenagentur AFP einging. Von dort bombardiere die jemenitische Armee Stellungen der Rebellen nahe der Grenze. "Wir raten dem saudischen Regime, sich herauszuhalten und nicht die jemenitische Armee zu unterstützen, ansonsten sehen wir uns gezwungen, zurückzuschlagen." Die Einmischung Saudi Arabiens stelle eine "schamlose Aggression und gefährliche Einmischung" dar, so die Stellungnahme, die von der jemenitischen Regierung umgehend zurückgewiesen wurde. Das sei eine "reine Erfindung", die die Rebellen ständig wiederholten, hieß es gegenüber der AFP. Auch die saudische Regierung in Riyad wies die Anschuldigung zurück.

Umgekehrt beschuldigte die Regierung in Sanaa jetzt den Iran, die Houthi Rebellen mit Waffen zu unterstützen. Vor einigen Tagen sei ein Schiff mit fünf Iranern an Bord aufgebracht worden, das versucht habe über das Rote Meer Waffen in den Jemen zu schmuggeln, die für die Rebellen bestimmt gewesen seien, erklärte Regierungssprecher Hassan Ahmed al-Lowzi. Man habe die Beweise für die Einmischung bereits der Regierung in Teheran übergeben. Al-Lowzi beschuldigte auch den staatlichen iranischen Sender Al Alam, sich mit seinen Berichten über den Krieg im Nordwesten des Landes in jemenitische Angelegenheiten einzumischen. Al Alam wird in arabischer Sprache ausgestrahlt.

Teheran, das den Houthi Rebellen gegenüber Sympathie zeigt und die jemenitische Regierung mehrfach aufgefordert hat, die blutige Offensive einzustellen, wies den Vorwurf der Waffenlieferungen an die Rebellen als "falsch, grundlos und erfunden" zurück. Das beschlagnahmte Schiff sei von dem Golfstaat Sharjah auf dem Weg ins Kaspische Meer gewesen, das zeigten die offiziellen Papiere. Nach jemenitischer Darstellung sollen allerdings Waffen beschlagnahmt worden sein, die Besatzung sei zum Verhör in die Hauptstadt Sanaa gebracht worden. Westliche Geheimdienste streuen inzwischen die "Nachricht" die Houthis würden von iranischen Revolutionsgarden in Lagern in Eritrea ausgebildet, auch die Hisbollah unterstütze die Rebellen. Jemen wird gleichzeitig als neue Rekrutierungsbasis für Al Khaida dargestellt und vor einem "gescheiterten Staat" gewarnt.

Regional arbeitende Journalisten halten es zwar für möglich, dass aus dem Iran Waffen geliefert würden, doch liege die Stärke der Houthi Rebellen darin, dass sie in der Gebirgsregion ortskundig und damit den jemenitischen Truppen überlegen seien. Viele Waffen werden zudem von der Armee erbeutet, was auf dem wenigen Bildmaterial, das es aus der Region gibt, zu sehen ist. Zudem boomt der lokale Waffenhandel. Die Preise für Waffen haben sich aufgrund des Krieges verdreifacht, heißt es in einem Bericht der englischsprachigen Tageszeitung Yemen Times. Die größten Händler und Abnehmer seien Stämme, die sich schon vor Beginn des Krieges mit Waffen versorgt hätten. Keine Regierung könne den Waffenbesitz der Stämme in Frage stellen, erklärt Abdullah Shamlan dem Korrespondenten der Yemen Times. Waffen seien Ausdruck von Unabhängigkeit, so Shamlan, der selber Stammesmitglied ist und mit Waffen handelt: "Wir haben Waffen um uns zu verteidigen, nicht um sie auf den Staat zu richten." Derzeit fördere die Regierung den Handel und bewaffne die Stämme, die die Armee gegen die Houthi Rebellen unterstützen sollen. Der ausufernde Waffenhandel im Jemen ist auch Gegenstand von Diskussionen im Parlament, zumal die Regierung den früheren Vermittler zwischen den Houthis und der Regierung, Faris Manaa, als Waffenhändler Nummer Eins inzwischen auf eine Schwarze Liste gesetzt hat. 2007 hatte die Regierung landesweit 18 illegale Waffenmärkte mit mehr als 300 Geschäften schließen lassen. Inoffizielle Schätzungen gehen von 50 bis 60 Millionen Handfeuerwaffen im Jemen aus, womit es das Land mit den meisten Kleinwaffen weltweit wäre, direkt nach den USA.

Die Offensive der Armee hat bis heute Hunderte Tote gefordert und Zehntausende Zivilisten in die Flucht getrieben. Nahezu täglich werden angebliche Stellungen der Rebellen bombardiert, mehr als einmal wurden dabei Flüchtlingslager getroffen. Hintergrund des Krieges ist ein Streit zwischen der Regierung und den Houthis über mehr religiöse Eigenständigkeit. Die Houthis, die religiös den Zaiditen zuzurechnen sind, einer nur im Jemen vorkommenden Strömung des schiitischen Islam, unterstanden bis Anfang der 1960er Jahre einem Imamat, das seit Hunderten Jahren die religiöse und soziale Ordnung der Stämme regelte. Dieser eigentliche Streit wird inzwischen kaum noch erklärt und gerät immer mehr in das Denkmuster westlicher Geheimdienste, die seit einigen Jahren Spannungen im Mittleren Osten fast ausschließlich mit einer Konkurrenz zwischen den schiitischen Muslimen im Iran und den sunnitischen Muslimen begründen. Danach soll es sich -- wie im Irak und im Libanon - um einen Stellvertreterkrieg zwischen Iran und Saudi Arabien handeln, den Protagonisten der jeweiligen Strömung. Selten wird erwähnt, dass der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh, der von Saudi Arabien, den USA und europäischen Staaten wie z.B. auch Deutschland finanziell und militärisch unterstützt wird, selber der religiösen Strömung der schiitischen Zaiditen angehört. 2007 hatte das Emirat Katar einen Waffenstillstand vermittelt, der u.a. eine umfassende Amnestie für gefangene Houthi Anhänger vorsah. Warum die Vereinbarung von der Regierung in Sanaa nicht eingehalten wurde, wird nicht mehr erörtert.


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