Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Erst ergeben, dann reden

Jemetische Regierung stellt aufständischer Houthi-Bewegung unannehmbare Bedingungen. Kämpfe gehen mit unverminderter Intensität weiter

Von Karin Leukefeld *

Während das jemenitische Militär Erfolgsmeldungen über im Norden des Landes getötete militärische Führer der Houthi-Bewegung bekanntgab, blieb die Situation in dem abgeriegelten Kampfgebiet am Wochenende weiter unübersichtlich.

Die Aufständischen hatten vor einer Woche die Waffenstillstandsbedingungen der Regierung akzeptiert und die sofortige Einstellung der Angriffe gefordert, um weitere Details auszuhandeln. Dennoch flogen sowohl jemenitische als auch saudische Kampfjets Angriffe auf vermeintliche Stellungen der Houthis in den Bergen der Provinz Sa’ada. Die Rebellen berichteten zudem von schwerem Artilleriebeschuß durch Truppen des Jemen und Saudi-Arabiens. Allein die saudische Armee hätte innerhalb von 24 Stunden mehr als 270 Raketen und Granaten in das von den Houthis gehaltene Gebiet gefeuert.

Die Zahlen der Toten auf beiden Seiten belegten, daß die Kämpfe mit unverminderter Härte anhalten. Am Wochenende meldeten die Houthis die Tötung von 23 jemenitischen Soldaten, bei Luftangriffen starben nach Armeeangaben elf Aufständische. Die Regierung in Sanaa plant nun offenbar, Saudi-Arabien in die Waffenstillstandsverhandlungen einzubeziehen. Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh habe einen Zeitplan vorgelegt, erklärte Präsidentenberater Abdelkerim Al-Iryani dem Yemen Observer. Zwanzig Parlamentsabgeordnete sollten die Umsetzung der Waffenstillstandsbedingungen überwachen, die in fünf Komitees ausgehandelt werden sollen. Unter Einbeziehung saudischer Vertreter solle die Sicherung der Grenze zu Saudi-Arabien verhandelt werden. Ein Vermittler habe den Rebellen das Papier übergeben, sagte Al-Iryani am Samstag.

Riad fordert von den Houthis, einen zehn Kilometer breiten Sperrgürtel zwischen sich und der saudischen Grenze zu akzeptieren, der von jemenitischen Truppen überwacht werden soll. Nach dem Willen der Regierung sollen sich die Houthis vor den Verhandlungen allerdings erst ergeben. Die Angriffe würden erst gestoppt, wenn sie ihre Stellungen verlassen und ihre Waffen abgegeben haben, heißt es in Sanaa. Der Waffenstillstand trete in Kraft, sobald Houthi-Anführer Abdulmalik Al-Houthi ein entsprechendes Dokument unterzeichnet habe, erklärte Präsidentenberater Al-Iryani weiter. Unklar blieb, wie die Regierung die Sicherheit Al-Houthis gewährleistet.

Ein wenig versöhnendes Signal setzte am Wochenende ein jemenitisches Sicherheitsgericht, das den Bruder von Abdulmalik Al-Houthi, den seit drei Jahren im deutschen Exil lebenden früheren Parlamentsabgeordneten Yahya Al-Houthi, zu 15 Jahren Haft verurteilte. Dessen »Verbrechen« besteht darin, den Aufstand der Houthis und ihre Forderungen nach mehr sozialer, wirtschaftlicher und politischer Teilhabe sowie nach mehr kulturellen Rechten unterstützt zu haben.

Unterdessen warnten Vertreter der Vereinten Nationen erneut vor einer humanitären Katastrophe für die Kriegsflüchtlinge im Norden des Jemen. Mit 250000 habe sich die Zahl der durch den Krieg vertriebenen Menschen (Internal Displaced Persons, IDP) seit Beginn der Operation »Verbrannte Erde« am 12. August 2009 mehr als verdoppelt, sagte Andrej Mahecic, Sprecher des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen UNHCR. Die Zugangssperre zu den umkämpften Gebieten erschwere die Versorgung der Kriegsflüchtlinge, denen häufig nichts geblieben sei und die nicht einmal ein Dach über dem Kopf hätten. In Ermangelung eines eigenen Einkommens verkauften Flüchtlinge, die in der Hauptstadt Sanaa untergekommen seien, ihre Hilfsrationen an Nahrungsmitteln, um Geld für die Miete zu bekommen.

Der Staatsminister im britischen Außenministerium, Ivan Lewis, besprach derweil die Ergebnisse der Jemen-Konferenz in London vom 27. Januar mit der jemenitischen Regierung. Sanaa müsse seine Militärschläge gegen Al-Qaida fortsetzen, forderte Lewis bei einer Pressekonferenz in Jemens Hauptstadt, das diene der Sicherheit des eigenen Landes und der ganzen Welt. Mit Präsident Saleh besprach Lewis einen Zehn-Punkte-Plan für das Folgetreffen des in London gegründeten »Jemen-Freundeskreises« im März. In dem Papier wird ausgelistet, wie das Land seine vielen Probleme lösen will. Ende Februar wird in Riad ein sogenanntes Gebertreffen unter Vorsitz des Golfkooperationsrates stattfinden.

* Aus: junge Welt, 8. Februar 2010


Zurück zur Jemen-Seite

Zurück zur Homepage