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Klammern an die Macht

Golfkooperationsrat fordert jemenitischen Präsidenten Saleh zum Rücktritt auf. Opposition fordert "kompletten Regierungswechsel"

Von Karin Leukefeld *

Der Golfkooperationsrat (GCC) hat den Druck auf den jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Saleh erhöht und ihn erneut zum Rücktritt aufgefordert. In einer zweiten Stellungnahme innerhalb von drei Tagen forderte das Gremium Saleh am vergangenen Sonntag erneut auf, die Macht an seinen Stellvertreter, Vizepräsident Abdo Rabuh Mansour Hadi, zu übergeben und die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit einzuleiten, die den politischen Übergangsprozeß steuern solle. Die Übergangsregierung solle »unter der Führung der Opposition« stehen und sei berechtigt, »Kommissionen zu bilden (…), die eine neue Verfassung ausarbeiten und Wahlen vorbereiten« sollen, heißt es in der Stellungnahme. Beide Seiten sollten sich verpflichten, von Rache und juristischer Verfolgung abzusehen.

Vom Platz der Veränderung in Sanaa und auch aus der oppositionellen Hochburg Taiz kam prompt die Ablehnung. Man fordere einen »kompletten Regierungswechsel« hieß es in einer Erklärung der oppositionellen Jugendbewegung, die in der Tageszeitung Yemen Times zitiert wird. Saleh sei nicht mehr legitimiert, seinen Nachfolger zu benennen. Niemand könne für die Opposition sprechen, weder bei einem Dialog im Inland noch im Ausland. Straffreiheit für Saleh und seine Söhne sei unakzeptabel.

Präsident Saleh reagierte nur indirekt auf die Botschaft der Golfstaaten. Bei einer öffentlichen Veranstaltung vor Anhängern kritisierte er am Freitag insbesondere Katar, sich unzulässigerweise in innerjemenitische Angelegenheiten einzumischen. Der Außenminister und Ministerpräsident Katars, Scheich Hamad bin Jassim bin Jabr Al-Thani, hatte am Wochenende in New York gesagt, die GCC-Mitgliedsstaaten »hoffen, sich mit dem jemenitischen Präsidenten über seinen Rücktritt einigen zu können.«

In einer Stellungnahme ließ Saleh später mitteilen, er begrüße die Initiative der Golfstaaten, zur Lösung der Krise in seinem Land beizutragen. Er sei zu einem »friedlichen Machtwechsel« bereit, allerdings nur im Rahmen der Verfassung. Die Initiative der GCC könnte eine »Basis zum Dialog sein, der dem Land Unglück, Chaos, Zerstörung und den Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung und des sozialen Friedens ersparen« könne. Die Verfassung sieht Neuwahlen 2013 vor, bis dahin will Saleh im Amt bleiben. Bereits früher hatte Saleh erklärt, bei zukünftigen Wahlen ebensowenig kandidieren zu wollen, wie seine Söhne. Unterstützer des Präsidenten lehnten den Vorschlag als »krasse Einmischung in Jemens interne Angelegenheiten« ab. Der GCC-Vorschlag entspreche nicht dem »Willen des jemenitischen Volkes«.

Dem GCC gehören Oman, Bahrain, Katar, Kuwait, die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien an. Das saudische Königshaus ist finanziell und politisch das Schwergewicht im Golfkooperationsrat, dem Jemen nicht angehört. Jemen ist finanziell von Saudi-Arabien weitgehend abhängig, auch Stämme im saudisch-jemenitischen Grenzgebiet werden von den Saudis finanziert. Beobachter gehen davon aus, daß Saudi-Arabien bei einem politischen Übergang im Jemen ein gewichtiges Wort mitreden wird.

Saleh sei »extrem unter Druck von Washington, von der EU und vom Golfkooperationsrat«, sagte Mahjoob Zweiri, Professor für Geschichte des Mittleren Ostens an der Katar Universität in Doha dem Nachrichtensender Al Dschasira. »Saleh ist abhängig von der Unterstützung Washingtons, und nun hat man dort beschlossen, daß er gehen soll.«

* Aus: junge Welt, 13. April 2011


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