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Geheimoperationen im Jemen

Nach Salehs Flucht nach Saudi-Arabien kontaktiert US-Regierung die Opposition

Von Knut Mellenthin *

Die USA wollen, einem Bericht der New York Times zufolge, ihre geheimen Militäroperationen im Jemen »intensivieren«. Nach Angaben der Tageszeitung plant die Obama-Regierung den verstärkten Einsatz von bewaffneten Drohnen und Kampfflugzeugen gegen angebliche Al-Qaida-Mitglieder.

Verantwortlich für diese Kampagne sei, anders als bei den von der CIA gesteuerten Drohnenangriffen gegen Pakistan, das Joint Special Operations Command, die Führungsstelle des Pentagon für Sondereinsätze. Allerdings arbeite dieses eng mit dem Auslandsgeheimdienst zusammen. In der jemenitischen Hauptstadt Sanaa gebe es einen US-Vorposten, in dem Militärs und Nachrichtendienstler tätig seien. Mit dem diktatorischen Regime des benachbarten Saudi-Arabiens gebe es einen intensiven Informationsaustausch, behauptet die New York Times zu wissen. Durch elektronische Abhöraktionen und den Einsatz von Spitzeln hätten die USA und ihre saudischen Verbündeten zunehmend genauere Erkenntnisse über die Aufenthaltsorte von »Terrorverdächtigen«.Trotzdem sei es schwierig, Al-Qaida-Kämpfer präzise auszumachen, da sie »sich unter andere Rebellen und regierungsfeindliche Kräfte gemischt« hätten. Das mache es für die USA schwierig, sie anzugreifen, ohne daß es sofort nach parteilicher Einmischung zugunsten des morschen jemenitischen Regimes aussieht.

Nachdem inzwischen absehbar ist, daß der nach Saudi-Arabien geflüchtete Langzeitpräsident Jemens, Ali Abdullah Saleh, nicht wieder an die Macht zurückkehren wird, hat die US-Regierung nach Angaben der New York Times auch Kontakte zur Opposition aufgenommen. Der amerikanische Botschafter in Sanaa, Gerald M. Feierstein, habe sich vor kurzem mit nicht näher bezeichneten »Oppositionsführern« getroffen, und diese hätten ihm versichert, »daß, ganz gleich, wer den Machtkampf in Sanaa gewinnt, die Operationen gegen Al-Qaida fortgesetzt werden sollten«. Diese Behauptung der Zeitung stützt sich allerdings nur auf anonyme Quellen. Außerdem bleibt offen, mit welchen Teilen der sehr breiten und völlig unterschiedlichen Opposition der US-Diplomat tatsächlich gesprochen hat.

Insgesamt ist die faktische Basis für die These einer »Intensivierung« und – wie es in der Times auch heißt - »Beschleunigung« der amerikanischen Militäroperationen im Jemen bisher sehr schmal. Klar scheint nur, daß es am Freitag voriger Woche einen Drohnenangriff gegen ein Ziel im Südjemen gegeben hat. Dabei sollen ein angebliches Mitglied der mittleren Führungsebene von Al-Qaida, mehrere Kämpfer, aber auch vier unbeteiligte Zivilisten getötet worden sein. Zuvor hatten die USA Anfang Mai vergeblich versucht, den Geistlichen Anwar Al-Awlaki mit Raketen eines unbemannten Flugkörpers zu töten. Der aus den USA stammende Awlaki steht sehr weit oben auf der Mordliste des Weißen Hauses, weil er angeblich Agitation für Al-Qaida betreibt.

In der vorangegangenen Zeit hatte es rund ein Jahr lang keine amerikanischen Drohnenangriffe mehr gegeben, nachdem eine Operation im Mai 2010 fehlgeschlagen war. Dabei war, vermutlich versehentlich, ein führender Provinzbeamter getötet worden.

Der seit über 30 Jahren autoritär und repressiv regierende Saleh war ein wichtiger Verbündeter der USA in ihrem »Krieg gegen den Terror«. Aus Wikileaks-Dokumenten geht hervor, daß er im Jahre 2009 grünes Licht für amerikanische Militäroperationen in seinem Land gab, aber diese als Aktionen seiner eigenen Streitkräfte darstellen ließ, um nicht allzu offen als Marionette der USA zu erscheinen.

* Aus: junge Welt, 10. Juni 2011


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