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Attacke auf Gefängnis

Politische Gefangene in Jemen befreit

Von Karin Leukefeld *

Bei einem Angriff auf die Zentrale des jemenitischen Geheimdienstes in der Hafenstadt Aden sind am Sonnabend elf Menschen getötet worden. Unter den Toten sind nach Angaben des Innenministeriums in Sanaa sieben Sicherheitsbeamte, aber auch ein Kind.

Eine unbekannte Zahl von Männern in jemenitischen Militäruniformen hatte das Gebäude am Morgen mit Schusswaffen und Handgranaten gestürmt, als gerade der Fahnenappell abgenommen wurde. Der britische Sender BBC zitiert Augenzeugen, wonach die Täter anschließend mit einem Bus von dem Gelände geflohen seien. Bei ihnen seien befreite Gefangene gewesen.

In dem attackierten Gebäude befindet sich ein Hochsicherheitsgefängnis, in dem sowohl gefangene Angehörige der südjemenitischen Oppositionsbewegung als auch angebliche Mitglieder von Al Qaida festgehalten werden. Der Oberste Sicherheitsrat erklärte, der Angriff trage die »Erkennungsmerkmale von Al Qaida«. Die Verantwortlichen für diese »niederträchtige Tat« würden verfolgt und vor Gericht gestellt werden. Unbestätigten Berichten zufolge soll Staatspräsident Ali Abdullah Saleh zwei hochrangige Offiziere wegen falscher Einschätzung der Sicherheitslage entlassen haben.

Bereits am Freitag (18. Juni) hatte eine Gruppe »Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel« der Regierung Rache geschworen für tödliche Razzien im Osten des Landes. Man werde »den Boden unter den Füßen der ungläubigen Tyrannen des Regimes in Brand stecken« und »nicht tatenlos zusehen, was Frauen und Kindern in Wadi Obeida« (Provinz Marib) angetan werde, hieß es. Dort war im Mai der stellvertretende Provinzgouverneur Jaber al-Schabwani »versehentlich« bei einem Luftangriff getötet worden.

Nach Auskunft von Hakim al-Masmari, Chefredakteur der »Yemen Post« (Sanaa), könnten die Angreifer sowohl zu Al Qaida als auch zur südjemenitischen Opposition gehören, die für die Unabhängigkeit Südjemens eintritt. Gegenüber dem Sender »Al Dschasira« sagte Masmari, die Angreifer »waren der Meinung, dass die Gefangenen zu Unrecht festgehalten werden.« Auch Menschenrechtsorganisationen hätten angeprangert, dass die Geflohenen ohne Anklage inhaftiert wurden.

Erst vor wenigen Wochen hatte Staatspräsident Saleh die Freilassung politischer Gefangener verkündet, um einen Dialog mit Oppositionsgruppen voranzubringen. Gleichzeitig waren Militärschläge gegen angebliche Qaida-Lager im Nordosten des Landes verstärkt worden. Bei den Angriffen, die verschiedenen Quellen zufolge vom CIA und von USA-Militärs wenn nicht ausgeführt so doch angeleitet werden, kamen viele Zivilisten ums Leben.

* Aus: Neues Deutschland, 21. Juni 2010


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