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Westerwelle im Jemen

BRD stellt sich als engagierter Partner des arabischen Landes dar

Von Karin Leukefeld *

Bei einem Kurzbesuch im Jemen hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle bei Präsident Ali Abdallah Saleh für eine »politische Lösung der innenpolitischen Konflikte des Landes« geworben. Jemen dürfe nicht zum Rückzugsgebiet für Terroristen werden, die staatlichen Institutionen müßten so gestärkt werden, daß sie selbst für Sicherheit sorgen könnten. Andernfalls drohe Gefahr für die gesamte Region. In den als »sehr intensiv« bezeichneten Gesprächen mit dem Präsidenten und Außenminister Abubakr Abdallah Al-Qirbi sagte Westerwelle, Deutsche seien als »als Freunde und als engagierte Partner im Jemen«. »Ausländische Einmischung« wies Westerwelle zurück, womit vermutlich, wenn auch unausgesprochen, der Iran gemeint sein dürfte. Daß Saudi-Arabien seit Wochen schwere Luftangriffe gegen die Houthi-Milizen im Nordjemen fliegt und westliche Staaten den Jemen militärisch und geheimdienstlich massiv unterstützen, wurde nicht erwähnt.

Seit eine neue Generation von Al-Qaida im Jemen angeblich den großen Schlag gegen den Westen probt, macht das ärmste Land der arabischen Halbinsel in westlichen Medien Schlagzeilen. Mehr als 60 Reporter seien gekommen, erklärte Ahmad Alahabi, Sprecher des Informationsministeriums der Zeitung Yemen Times. Dutzende Fernsehteams filmen Spezialeinheiten beim Training, und auf einer überfüllten Pressekonferenz in Sanaa erklärte der stellvertretende Verteidigungsminister Rashad Al-Alimi, Jemen könne Al-Qaida selbst bekämpfen, brauche dafür aber internationale Unterstützung. Außerdem habe man Informationen über die seit einem halben Jahr entführte deutsche Familie, erklärte Al-Alimi und sagte, die Houthi-Milizen hätten mit Al-Qaida bei der Entführung kooperiert. Während sich die Kinder in Händen von Al-Qaida befänden, seien die Eltern bei den Houthis als Krankenpfleger tätig. Die Houthis haben stets bestritten, die Familie aus Dresden entführt zu haben. Zudem ist eine Kooperation zwischen den beiden Gruppen aus religiösen Gründen höchst unwahrscheinlich. Kämpfer der Al-Qaida, die der wahabitischen Strömung des sunnitischen Islam folgen und mit den noch strengeren Salafisten zusammenarbeiten, bezeichnen Schiiten wie die Houthis als »Ungläubige«, die bekämpft werden müßten.

Ein führender Geistlicher der Salafisten im Jemen wies derweil die Darstellung der Regierung über Al-Qaida als übertrieben zurück. Die Organisa­tion habe nur einige hundert junge Mitglieder, erklärte Scheich Mohammed Al-Baidani im Interview mit einer spanischen Zeitung, die Regierung könne sie jederzeit verhaften und vor Gericht stellen. Die offizielle Darstellung diene lediglich dazu, »mehr finanzielle Unterstützung aus dem Westen zu bekommen«. Al-Baidani verwies auf die ökonomischen Schwierigkeiten der Regierung Saleh, die seit Jahrzehnten nicht in der Lage sei, die Erwartungen der Bevölkerung auf Entwicklung zu erfüllen. Sollten allerdings die USA oder andere westliche Staaten unter dem Vorwand des Kampfes gegen den Terrorismus eine Militärinvasion im Jemen planen, würden sich »alle Jemeniten Al-Qaida anschließen« und die Souveränität ihres Landes verteidigen. Der Haß in der islamischen Welt resultiere aus der US-Politik gegenüber Muslimen, wie zum Beispiel der Besatzung des Irak. Für Donnerstag wird eine gemeinsame Stellungnahme (Fatwa) von jemenitischen Geistlichen erwartet.

In Europa ist Deutschland das größte Geberland für den Jemen. Seit 40 Jahren sind die Beziehungen zu dem strategisch wichtigen Land am Golf von Aden eng, haben aber an der Armut im Land nichts geändert. Die Repression gegen Minderheiten und Medien nimmt zu, es gibt rund 175000 Inlandsvertriebene und etwa 100000 afrikanischen Kriegsflüchtlinge. In staatlichen Institutionen herrscht enorme Korruption. 2009 und 2010 stellte das Auswärtige Amt 79 Millionen Euro für Bildung, eine Reform des Regierungswesens und die Verbesserung der Trinkwasserversorgung im Jemen zur Verfügung.

* Aus: junge Welt, 12. Januar 2010


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