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Japan rückt nach rechts

Komfortable Mehrheit für Premierminister Abe bei Oberhauswahlen

Von Josef Oberländer *

Japans Premierminister Shinzo Abe hat sich bei den Oberhauswahlen am Sonntag ersten Hochrechnungen zufolge eine komfortable Mehrheit in der zweiten Kammer des Parlaments gesichert. Der befürchtete Rechtsrutsch hat damit stattgefunden. Allerdings schnitt die rechtsextreme Nippon Ishin no Kai schlechter als erwartet ab. Abe hatte unter anderem auf die Gefolgschaft des Tokioter Ex-Governeurs Ishihara Shintaro gesetzt, um die von ihm angestrebten Verfassungsänderungen zur Stärkung des Militärs durchzupeitschen.

Immer weniger Menschen im Land der aufgehenden Sonne glauben indes, daß sich durch Wahlen etwas ändern läßt: Die Wahlbeteiligung (Stand 18 Uhr) schrumpfte um sieben Prozentpunkte auf 33 Prozent. Immerhin, Japans Kommunisten könnten ersten Schätzungen zufolge bis zu zehn Sitze hinzugewinnen. Den hierzulande vielbeachteten japanischen Grünen winkt hingegen kein einziges Mandat.

Zur Wahl standen 121 der 242 Sitze im Oberhaus. Mehr als 70 gingen den in der Regel zuverlässigen Umfragen der Medien zufolge an die Regierungskoalition aus Liberaldemokraten und dem politischen Arm der buddhistischen Sekte Soka Gakkai. Damit kommt Abe auf insgesamt rund 130 Sitze im Oberhaus und kann durchregieren. Die Buddhisten sind zwar konservativ aber pazifistisch. Abe setzt in seinen Bemühungen zur Verfassungsrevision, die selbst im Unternehmerlager Beunruhigung auslösen, deshalb auf die Unterstützung von nationalistischen Abgeordneten anderer Parteien wie etwa den Demokraten, die ihr bislang schlechtesten Wahlergebnis einfuhren.

Bereits im Frühjahr hatte er dargelegt, wie der den Konservativen verhaßte Artikel 9 aus der Verfassung getilgt werden kann. In ihm verzichtet das ostasiatische Inselreich auf den Unterhalt von Streitkräften und die Kriegführung als souveränes Recht der Nation. Japan unterhält dennoch eine hochseetaugliche Küstenwache, hinter der die Kriegsmarine vieler Staaten deutlich zurückbleibt, und bestens ausgerüstete »Selbstverteidigungskräfte«. Zunächst will Abe Artikel 96 lockern, der festlegt, wie die Verfassung geändert werden kann. Bislang ist dazu eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern erforderlich. Danach muß eine Volksabstimmung durchgeführt werden. Die LDP will künftig das Grundgesetz mit einfacher Mehrheit umschreiben und sich das per Referendum absegnen lassen. Abe setzt darauf, daß er die Bedrohung durch China dramatisch genug darstellen kann. Im Territorialstreit mit der Volksrepublik um die Diaoyu- bzw. Senkaku-Inseln im Südwesten von Okinawa verfolgt er eine harte Linie.

Was seine Wirtschaftspolitik angeht, die sogenannten Abenomics, wird der japanische Premier nun die unpopulären Maßnahmen angehen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer von bislang fünf auf acht Prozent gilt als ausgemachte Sache. Zudem steht die Erhöhung des Rentenalters von 65 auf 70 Jahre im Raum. Für die Unternehmen, die zuletzt hohe Währungsgewinne auf im Ausland erwirtschaftete Gewinne mitnehmen konnten, stehen Steuersenkungen auf dem Programm. Der Beginn der Verhandlungen über die Teilnahme an der von den USA vorangetriebenen multilateralen Freihandelszone Trans-Pacific Partnerhip steht kurz bevor. Die nach der Atomkatastrophe von Fukushima stillgelegten Atomkraftwerke will die LDP so schnell wie möglich wieder hochfahren.

* Aus: junge Welt, Montag, 22. Juli 2013


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