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Japans Regierung zerbrochen

Sozialdemokraten verlassen Koalition nach Streit um US-Militärstützpunkt

Von Josef Oberländer *

Japans Regierungskoalition ist am Streit um den US-Stützpunkt Futenma auf Okinawa zerbrochen. Die Parteiführung der Sozialdemokraten (SDP) beschloß am Sonntag, das erst im September an die Macht gelangte Dreierbündnis mit den Demokraten (DPJ) und der national-konservativen Neuen Volkspartei zu verlassen. Zuvor hatte Premier Yukio Hatoyama die SDP-Vorsitzende Mizuho Fukushima aus dem Kabinett geworfen, dem sie als Verbraucherschutzministerin angehörte. Sie hatte sich geweigert, einen Beschluß zur Verlegung der Basis innerhalb von Okinawa zu unterzeichnen. Auch Kiyomi Tsujimoto (SDP) legte daraufhin ihr Amt als Vizeministerin des Ministeriums für Land, Infrastruktur und Verkehr nieder.

Da die Demokraten über eine solide Mehrheit im Unterhaus verfügen, können sie auch ohne die SDP regieren. Allerdings ist ihre Glaubwürdigkeit schwer angeschlagen, war Hatoyama doch mit dem Versprechen angetreten, den Stützpunkt der US-Marines an einen Standort jenseits der Inselgruppe oder außerhalb Japans zu verlegen. Zudem belastet eine Reihe von Skandalen das Ansehen der Partei, der bis vor nicht allzulanger Zeit noch die Erneuerung der verkrusteten politischen Strukturen des Inselreichs zugetraut wurde. Entsprechend groß ist die Angst vieler Abgeordneter mit Blick auf die Oberhauswahl am 11. Juli.

Hatoyama war offenbar von den USA genötigt worden, einem bereits vor vier Jahren ausgewählten Ausweichstandort für den Hubschrauberlandeplatz in der Nähe der Stadt Nago zuzustimmen. Dazu soll eine künstliche Insel in Henoko, in der Nähe der US-Basis Camp Schwab aufgeschüttet werden. Heftige Proteste von Umweltschützern und der örtlichen Bevölkerung hatten das Projekt zum Stillstand gebracht.

Okinawa liegt nordöstlich von Taiwan und dient dem Pentagon als »unsinkbarer Flugzeugträger« im Westpazifik. Mehr als die Hälfte der 47000 in Japan stationierten US-Truppen und drei Viertel aller Stützpunkte befinden sich auf der Inselgruppe. Bevor Okinawa 1972 an Japan zurückgegeben wurde, führte das US-Militär von dort aus seine Kriege gegen Nordkorea und Vietnam.

Wie die konservative Tageszeitung Yomiuri Shinbun berichtete, hatte DPJ-Parteichef Ozawa Ichiro bei einem Geheimtreffen in Hatoyamas Residenz am Abend zuvor den Premier noch gedrängt, ein Auseinanderfallen der Koalition zu vermeiden.

Auf Okinawa löste die Unterwerfung Hatoyamas unter das Diktat von US-Präsident Barack Obama, mit dem er offenbar kurz vor der entscheidenden Kabinettssitzung noch telefoniert hatte, Empörung aus. Einer aktuellen Umfrage der Mainichi Shinbun zufolge sprachen dort zuletzt noch acht Prozent der Regierung ihr Vertrauen aus, im vergangenen Herbst waren es mehr als 60 Prozent gewesen. Landesweit soll zuletzt noch knapp ein Fünftel der Befragten hinter der Regierung gestanden haben. Okinawas Gouverneur Hirokazu Nakaima nannte Hatoyamas Entscheidung »äußerst bedauerlich«. Susumu Inamine, der Bürgermeister von Nago, sagte, es gebe keine Chance für das Vorhaben. »Das wird einfach nicht passieren.« Gespräche mit der Zentralregierung werde es dazu nicht geben. Tokio ist aber auf die Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort angewiesen. Der Nervenkrieg wird also weitergehen.

* Aus: junge Welt, 1. Juni 2010


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