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Japan setzt weiter auf Atomstrom

AKW-Gegner scheitern an Stromkonzernen / Erster Reaktor geht Sonntag ans Netz

Von Susanne Steffen, Tokio *

Der japanische Stromversorger Tepco wird verstaatlicht und erhält damit eine weitere Finanzspritze. Weniger gefreut haben dürfte sich Tepco über den Black Planet Award für die größte Umweltzerstörung im Jahr 2011.

Auch gut ein Jahr nach dem Atomunfall in Fukushima scheinen die alten Kräfteverhältnisse in Japan ziemlich intakt. Trotz des angedrohten Aufstands der Me- tropolen Tokio und Osaka haben sich die neun großen japanischen Stromversorger am Mittwoch auf ganzer Linie durchgesetzt. Bei den Hauptversammlungen wurden alle Aktionärsanträge abgelehnt - auch zum Atomausstieg. Gleichzeitig konnten die Versorger ihre Anträge fast unverändert durchboxen.

Die Aktionäre der Betreiberfirma des havarierten AKWs Fuku- shima Daiichi, Tepco, stimmten offiziell der Verstaatlichung des größten japanischen Stromversorgers zu. Damit ist der Weg frei für eine weitere staatliche Finanzspritze in Höhe von einer Billion Yen (100 Milliarden Euro), die das Unternehmen vor dem Zusammenbruch bewahren soll. Insgesamt hat die Regierung seit der dreifachen Kernschmelze in Fukushima den Stromgiganten mit etwa 3,5 Billionen Yen unterstützt. Der Staat erhält dafür gut 75 Prozent der Stimmrechte.

Vor dem Sportstadion, das Tepco für die Aktionärsversammlung gemietet hatte, demonstrierten Atomkraftgegner lautstark für einen schnellen Atomausstieg. Im Stadion diskutierten die Aktionäre zum Teil sehr aufgebracht darüber, ob das Unternehmen seine noch intakten Reaktoren wieder in Betrieb nehmen soll. Doch der Antrag von 400 Kleinaktionären zur Stilllegung des weltgrößten AKW mit sieben Reaktorblöcken in Kashiwazaki-Kariwa in der Präfektur Niigata wurde abgelehnt. Auch Tokios Vizegouverneur Naoki Inose fand für seine Forderung nach mehr Transparenz bei der Preisgestaltung keine Mehrheit.

Nur knapp 4500 Aktionäre kamen zur Versammlung, etwa halb so viele wie 2011. Damals hatte es nicht einmal genug Plätze für alle Interessenten gegeben.

Zwei Vertreter der deutschen Stiftung Ethecon Ethik und Ökonomie wollten als Kleinaktionäre an der Sitzung teilnehmen, um dem Tepco-Management den Schmähpreis für die größte Umweltzerstörung des vergangenen Jahres zu überreichen. Der »Black Planet Award« wird seit 2006 verliehen. Ethecon-Vorstand Axel Köhler-Schnura erklärte, die Tepco habe aus Profitgier einen nicht wieder gutzumachenden globalen Umweltschaden angerichtet.

Auch bei den anderen Stromversorgern verliefen die Hauptversammlungen ruhig. So blieb der erwartete Zusammenstoß zwischen dem Bürgermeister von Osaka, Toru Hashimoto, und dem regionalen Stromversorger Kansai Electric Power (Kepco), dessen größter Aktionär Osaka ist, aus. Hashimoto hatte im April einen Antrag auf schnellstmöglichen Atomausstieg des Versorgers eingereicht. Zusammen mit anderen Städten der Region hatte Hashimoto gehofft, die nötige Zweidrittelmehrheit zu bekommen. Doch nachdem die Zentralregierung Mitte Juni den Neustart der ersten beiden Reaktoren seit dem Unfall beschlossen hatte, verlor die Initiative an Zugkraft. Selbst Hashimoto hatte nach langem Zögern dem vorübergehenden Betrieb der Reaktoren zugestimmt, um Stromausfälle im Sommer zu verhindern.

Kepco-Vizechef Shigeki Iwane sagte, ohne die elf Reaktoren kämen Zusatzkosten von 900 Milliarden Yen auf den Versorger zu. Hashimoto warf dem Management dagegen vor, Kepco in den Abgrund zu manövrieren, weil es die Zeichen der Zeit nicht erkenne. Jetzt sei der Zeitpunkt für eine Energiewende, so Hashimoto. Auf seine Frage, um wie viel Prozent Kepco seine Atomabhängigkeit bis 2030 reduzieren wolle, sagte Iwane, er könne keine Zahl nennen.

Unterdessen gab Kepco am Mittwoch bekannt, dass Reaktor 3 des AKW Ohi am 1. Juli wieder ans Netz gehen werde. Block 4 werde bis zum 24. Juli hochgefahren. Seit Anfang Mai sind alle 54 Atomreaktoren Japans abgeschaltet.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag, 28. Juni 2012

Japaner demonstrieren gegen Atomkraft

Bei einer der bisher größten Demonstrationen gegen Atomkraft in Japan haben am Freitag (29. Juni) Zehntausende in Tokio gegen das am Sonntag bevorstehende Wiederanfahren des ersten von zwei Atomkraftwerken protestiert. Begleitet von einem Großaufgebot der Polizei forderten die Demonstranten einen Ausstieg aus der Atomkraft und trugen dabei Plakate mit Aufschriften wie »Das Nuklearzeitalter ist vorbei«. Seit März dieses Jahres rufen Bürgerorganisationen jede Woche meist Freitags zu Demonstrationen gegen die Atomkraft auf.

(neues deutschland, 30.06.2012)




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