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Grünes Sammelsurium

Japan: Neue Umweltpartei kann trotz AKW-Katastrophe kaum Fuß fassen

Von Josef Oberländer *

Japans Grüne haben sich bislang schwer damit getan, unter der von der Atomkatastrophe von Fuku­shima geschockten Bevölkerung Anhänger zu finden. Die am vergangenen Wochenende aus der Taufe gehobene »Grüne Partei« (Midori no Tou) ist bei weitem nicht der erste Versuch von Umweltaktivisten und Bürgerrechtlern, einen Wahlverein zu gründen. Daß die nordrhein-westfälische Grünen-Politikerin Bärbel Höhn auf der Gründungsversammlung eine Rede hielt, mag im fernen Deutschland für Aufmerksamkeit gesorgt haben. In Japan werden die Grünen, die zu den kommenden Wahlen antreten wollen, aber kaum wahrgenommen.

Die Partei kämpft für mehr Bürgerbeteiligung, mehr Klimaschutz und den Ausstieg aus der Atomtechnologie. Sie will die Politik nicht mehr Abgeordneten und Bürokraten überlassen und stellt die Wachstumsideologie der Nachkriegszeit in Frage. Einen Beitritt des Landes zur Freihandelszone Trans-Pacific Partnership im Asien-Pazifik-Raum lehnen die Grünen ab.

Die Vorläuferorganisation der neuen Partei hieß »Grüne Zukunft« (Midori no Mirai). Diese bildete sich vor vier Jahren aus einem Sammelsurium von Einzelpersonen und Gruppen, die unter anderem auf die vor rund 20 Jahren aus der Liberaldemokratischen Partei (LDP) abgespaltene konservativ-ökologisch ausgerichtete Partei Sakigake zurückgehen, und wurde bald Mitglied im weltweiten Dachverband Global Greens.

Die Protagonisten der neuen Partei wurden also nicht durch die Kernschmelze im Nordosten Japans im März des vergangenen Jahres politisiert. Die meisten zählen bereits seit Jahren zum politischen Establishment. Unter ihnen sind Stadträte oder Abgeordnete von Regionalparlamenten, darunter für die Männergesellschaft Japan erstaunlich viele Frauen. Der Grünen-Politiker Nakamura Atsuo dürfte hierzulande am ehesten als Hauptdarsteller der Fernsehserie »Die Rebellen vom Liang Shan Po« aus den 1970er Jahren bekannt sein. Früher saß er für Sakigake im Oberhaus, dann für die Nachfolgeorganisation »Grüne Konferenz« (Midori no Kaigi). Alte Kämpen diverser Ein-Punkt-Bewegungen zeigten ebenfalls Interesse an einer Grünen-Partei, so etwa Kawada Ryuhei, der sich für die Rechte von Blutern einsetzt, die durch verseuchte Blutprodukte mit HIV infiziert wurden. Große programmatische Gemeinsamkeiten haben die meisten Anhänger der Grünen also nicht. Allerdings hatte sich die Mitgliederzahl von »Midori no Mirai« seit der Reaktorhavarie von Fukushima auf etwa 1000 verdoppelt. Verglichen mit anderen kleinen Parteien des Landes ist das aber immer noch nicht viel: Die Kommunistische Partei Japans etwa hat nach eigenen Angaben um die 400000 Mitglieder.

Mit der derzeitigen Massenbewegung für den Atomausstieg darf die grüne Bewegung in Japan nicht verwechselt werden. Denn gegen Kernkraft sind mittlerweile viele im Reich der aufgehenden Sonne. Selbst Rechtsextreme demonstrieren regelmäßig vor der Zentrale des AKW-Betreibers Tokyo Electric Power Co. (Tepco), dem sie die Zerstörung der »heiligen« Natur des Inselreichs vorwerfen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 3. August 2012


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