Debatte um Atomwaffen in Japan
Heftige Kritik der Opposition an Außenminister Taro Aso
Von Sebastian Maslow, Sendai *
Die Debatte um den Besitz von Nuklearwaffen reißt in Japan nicht ab. Am Dienstag erklärte das
Tokioter Kabinett auf Anfrage des Abgeordneten Muneo Suzuki, dass die Verfassung die
Anschaffung von Atomwaffen nicht ausschließe, solange sie für ein »erforderliches Mindestniveau«
zur Selbstverteidigung des Landes gebraucht würden.
Folgt man der Argumentation der Regierung in Tokio, schließt die Verfassung des Landes, in deren
Artikel 9 Japan eigentlich auf das Recht der Kriegführung sowie auf den Unterhalt jeglicher
Streitkräfte verzichtet, den Besitz von Nuklearwaffen nicht ausdrücklich aus. »Die Verfassung
verbietet Japan nicht notwendigerweise den Besitz jedweder Art von Waffen, selbst wenn diese
nuklearer Art sein sollten, wenn diese zur Verteidigung des Landes das erforderliche Minimum
sind«, zitierte die Nachrichtenagentur Kyodo aus der Antwort des Kabinetts auf eine
Abgeordnetenanfrage. In dem Bericht erklärte die Regierung weiter, dass Japan aber niemals
Atomwaffen besitzen werde, und verwies damit auf seine seit Jahrzehnten geltende Anti-
Nuklearwaffenpolitik. Tokio hatte sich 1967 einem Kurs verpflichtet, nach dem weder der Besitz oder
die Herstellung noch die Stationierung von Atomwaffen auf japanischem Boden erlaubt sind.
Der Kabinettsbericht setzt einen weiteren Meilenstein in der japanischen Debatte um den Besitz von
Nuklearwaffen, die im letzten Monat von Shoichi Nakagawa, einem Politiker der regierenden
Liberaldemokratischen Partei (LDP) angestoßen wurde, nachdem die KDVR einen Atomwaffentest
durchgeführt hatte. Nakagawa, Vorsitzender des Ausschusses für politische Grundsatzfragen der
LDP von Premierminister Shinzo Abe, erklärte in einem Fernsehinterview, dass die japanische
Verfassung den Besitz von Atomwaffen durchaus nicht verbiete. »Eine nukleare Bewaffnung könnte
andere von einem Angriff auf Japan abhalten. Es sollte also eine Diskussion über diese Frage
stattfinden«, sagte der Politiker.
Das Thema ist brisant, ist Japan doch bisher das einzige Land, das durch die Abwürfe USamerikanischer
Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki 1945 Opfer eines nuklearen Angriffs
wurde. Nakagawas Erklärung markiert eine Kehrtwende in der innen- wie außenpolitischen Debatte
hier in Japan – und stieß national wie international auf heftige Kritik.
Die »Asahi Shimbun«, eine der größten Tageszeitungen des Landes, schrieb am Dienstag in ihrem
Leitartikel, dass der Besitz von Atomwaffen zu einem Ansehensverlust Japans auf der Weltbühne
führen und den Inselstaat international isolieren würde. Eine atomare Aufrüstung Japans würde
darüber hinaus zu einer Destabilisierung Asiens und damit in keiner Weise zur Verbesserung der
eigenen Sicherheit beitragen, argumentierte das Blatt.
Obwohl Premier Shinzo Abe jüngst erklärte, dass es keine Debatte um den Besitz von
Nuklearwaffen – weder innerhalb noch außerhalb der LDP, auch nicht in der Regierung – geben
werde, hält Außenminister Taro Aso an seiner Aussage fest, dass eine Diskussion über dieses
wichtige Thema nicht ausgeschlossen werden dürfe. Die vier Oppositionsparteien forderten
daraufhin den Regierungschef in einem Brief auf, den Außenminister umgehend zu entlassen.
* Aus: Neues Deutschland, 16. November 2006
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