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Schatten der Vergangenheit

Japans Neofaschisten verhindern Fotoausstellung über Kriegsverbrechen

Von Josef Oberländer *

Der japanische Kamerahersteller Nikon hat eine geplante Fotoausstellung über Zwangsprostitution im Zweiten Weltkrieg offenbar auf Druck der extremen Rechten abgesagt. Die Bilder des südkoreanischen Fotografen Ahn Sehong sollten ab dem 26. Juni in einer firmen­eigenen Galerie im Tokioter Stadtteil Shinjuku zu sehen sein. Nun ließ Nikon wissen, daß sich der Konzern »aus verschiedenen Gründen« gegen die Veranstaltung entschieden habe. Was die Firma nicht erwähnt: Tagelang hatten zuvor Neofaschisten vor der Hauptverwaltung des Konzerns demonstriert, im Internet wurde dazu aufgefordert, keine Nikon-Produkte mehr zu kaufen.

Bei den Mahnwachen vor der Firmenzentrale tat sich vor allem eine »Bürgervereinigung für die Rückgewinnung der staatlichen Souveränität« hervor. Bereits vor mehr als zehn Jahren hatte diese Gruppe Stimmung gegen eine Übertragung des damaligen internationalen Frauentribunals über Kriegsverbrechen des japanischen Militärs im öffentlich-rechtlichen Fernsehen NHK gemacht. Der spätere Premierminister Shinzo Abe soll damals dafür gesorgt haben, daß nur in verstümmelter Form über das Tribunal berichtet wurde. »Eine Meinungsfreiheit, die sich gegen die Interessen der Nation richtet, lassen wir nicht zu«, schreibt der Anführer der »Bürgervereinigung«, Shuhei Nishimura, nun in seinem Blog. Die Organisation ging auch gegen Kinos vor, in denen Filme wie »Nanking« über das Massaker an der Bevölkerung der Stadt im Jahr 1937 gezeigt werden sollten.

Nishimuras Gruppe ist nur eine von vielen, die seit Jahrzehnten dafür sorgen, daß Themen wie die Kriegsschuld des Kaisers und die Verbrechen der japanischen Armee im Reich der aufgehenden Sonne kaum in der Öffentlichkeit diskutiert werden können. Die Geschichte der Sexsklavinnen des Militärs ist deshalb in Japan weitgehend unbekannt. Der Öffentlichkeit wurde eingeredet, es habe sich bei den sogenannten Trostspenderinnen aus den von Japan besetzten Gebieten um gewerbsmäßige Prostituierte gehandelt. Niemand weiß, wie viele Frauen verschleppt und versklavt wurden. Gehen konservative japanische Historiker von 20000 Opfern aus, werden in China Zahlen von mehr als 400000 genannt. 1993 räumte der damalige Chefkabinettssekretär Yohei Kono (LDP) ein, daß die kaiserliche Armee an der Einrichtung der Bordelle direkt und indirekt beteiligt war und daß die Frauen unter Zwang rekrutiert und gegen ihren Willen festgehalten wurden.

Daß Nikon nun die 38 Bilder von Überlebenden nicht zeigen will, demonstriert, wie groß die Angst vor der extremen Rechten in Japan ist. »Ich kann das immer noch nicht akzeptieren«, sagte Ahn der koreanischen Zeitung Hankyoreh. »Ich werde die Ausstellung weiter vorbereiten, als wäre nichts gewesen.« Daß man nicht einknicken muß, zeigt unterdessen das Beispiel der Stadt Yokkaichi in der Präfektur Mie. Am 10. Juni sollen Ahns Bilder in der Stadthalle gezeigt werden, allen Protesten zum Trotz.

Bilder der Ausstellung: www.ahnsehong.com

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 31. Mai 2012


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