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Rechte Gefahr

Italien: Spaltung der Sozialdemokraten Ursache für Niederlage der Demokratischen Partei in Ligurien. Linke warnen vor Unterschätzung der Faschisten

Von Gerhard Feldbauer *

Die sozialdemokratische Demokratische Partei (PD) von Partei- und Regierungschef Matteo Renzi hat am Sonntag in fünf der sieben Regionen mit rund 26 Millionen Wählern gewonnen. Trotzdem herrscht Katzenjammer. Dass die PD in Venetien, der Hochburg der rassistischen Lega Nord verlieren würde, war einkalkuliert worden. Nicht aber, dass die Sozialdemokraten in Ligurien mit der Hafenstadt Genua, einer Arbeitermetropole mit antifaschistischer Tradition, vom Kandidaten der faschistoiden »Forza Italia« (FI) von Expremier Silvio Berlusconi und der Lega Nord geschlagen würde. So drehte sich am Dienstag, dem Nationalfeiertag der Gründung der Italienischen Republik, die am 2. Juni 1946 als Sieg über den Faschismus proklamiert wurde, die Debatte in vielen Medien um die Frage nach den Ursachen für die Stimmenverluste.

Renzi versuchte, mit einem Besuch bei den italienischen Truppen im afghanischen Herat der Diskussion zu entkommen. Zurückgekehrt beharrte er darauf, die Wahlsiege in fünf Regionen seien »ein sehr positives Ergebnis«. Außerdem kündigte er an, seine Politik »der Erneuerung der Partei« und der »Veränderung des Landes« unverändert fortzusetzen. Für die Wahlniederlage in Ligurien machte er dagegen die PD-Linken verantwortlich.

Auch am Dienstag riss die Kritik an Renzi nicht ab. Ihm werden vor allem sein autoritärer Führungsstil, die gegen die Gewerkschaften und die Arbeiter gerichtete »Arbeitsmarktreform« und die Ausschaltung des linken Parteiflügels aus jeder Mitsprache in der Partei vorgeworfen.

Die linksliberale Zeitung La Repubblica hielt dem italienischen Premierminister vor, dass dessen Regierungskurs »zu seiner ersten entscheidenden Niederlage« geführt und er damit »die Spaltung der Partei« bewirkt habe. Renzis Politik sei, so das Blatt weiter, dafür verantwortlich, dass in Ligurien, wo die PD zwei Wahlperioden regiert hatte, zwei linke Kandidaten gegeneinander antraten. Die Linken in der PD, die Linkspartei SEL, Kommunisten und die Gewerkschaften unterstützen den aus Protest gegen Renzis rechter Politik aus der PD ausgetretenen Luca Pastorin. Dieser hatte neun Prozent Wählerstimmen erhalten.

Kritiker monieren, dass Renzi jede Erörterung eines gemeinsamen Kandidaten abgelehnt und auf der seinen Kurs unterstützenden Kandidatin Rafaella Paita bestanden habe. »Die Spaltung der Partei« habe den Sieg der FI und der Lega Nord ermöglicht. Der SEL-Vorsitzende Nichi Vendola nannte das Ergebnis den »härtesten Schlag«, den Renzi wegen seines rechten Kurses erhalten habe.

Beobachter in Rom halten es nicht für ausgeschlossen, dass das linke Protestvotum in Ligurien ein Signal werden kann. Die SEL und die linke PD-Basis könnten sich entschließen, eine neue Linkspartei ins Leben zu rufen. Auch in der Partei der Kommunistischen Neugründung (PRC) gibt es solche Überlegungen.

Aus dem Partisanenverband ANPI und von Kommunisten wird warnend darauf verwiesen, dass die extreme Rechte sich nach dem Zerfall der FI Berlusconis unter Lega-Nord-Chef Matteo Salvini neu sammelt. Die PD unter Renzi gehe dagegen einer Vertiefung ihrer Spaltung entgegen. Von Kommunisten des Onlineportals Contropiano wird auf die Regionalwahlergebnisse der verschiedenen rechtsextremen Gruppierungen verwiesen: Lega Nord hatte 12,5 Prozent der Stimmen erhalten, FI 10,7 Prozent und die faschistische Alleanza Nazionale 4,2 Prozent. Zusammen kommen die rechten Kräfte damit auf 27,4 Prozent, die PD konnte lediglich 23,7 Prozent erringen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 03. Juni 2015


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