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Rechte schmiedet Block

Wahlkampf in Italien: Berlusconi erklärt seinen Verzicht. Mitte-Links setzt auf Streit untereinander und damit den Wahlsieg aufs Spiel

Von Gerhard Feldbauer *

Am Dienstag wurde in Italien neuer Wind ins Feuer des Wahlkampfes geblasen. Die meisten Medien warteten mit der Schlagzeile auf, daß der im November vergangenen Jahres als Regierungschef zu Fall gebrachte Mediendiktator Silvio Berlusconi erklärte, nicht wieder für das Amt des Premiers zu kandidieren. Dessen Nachfolger an der Spitze der Volksfreiheitspartei (PdL), Angelo Alfano, gab zu verstehen, daß der Verzicht des Medientycoons nicht so ganz freiwillig erfolgte, aber im Interesse »der Einigung des Rechten Zentrums« unausweichlich war.

In der über seinen Privatsender Canale 5 abgegebenen Erklärung, stellte Berlusconi als erstes klar, gegen wen er, wie immer, zu Felde ziehen will: Es gehe darum zu verhindern, daß »das Land den Linken ausgeliefert wird«. Sein Verzicht bedeute mitnichten einen Rückzug aus der Politik, in der er weiter den rechten Kurs bestimmen will. Gleichzeitig erklärte Berlusconi seine Unterstützung für die Kandidatur des derzeitigen Übergangspremiers Mario Monti für den Palazzo, den er als einen »Repräsentanten der Moderaten« bezeichnete. Der Sekretär der Union Demokratischer Christen (UDC), Pierferdinando Casini, ebenfalls ein früherer Parteigänger Berlusconis, unterstützte die Kandidatur Montis, der »kein Unfall auf der Strecke« sein dürfe.

Diese Koalition der »Moderaten« soll von dem früheren Führer der faschistischen Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini, und der aus seiner Gefolgschaft neu formierten Partei Zukunft und Freiheit über die faschistoide PdL Berlusconis bis zur UDC und weiteren rechten Grüppchen reichen. Nicht zu vergessen die rassistische Lega Nord, die sich zwar noch ziert, deren Anschluß aber sicher sein dürfte. Im Süden soll der Berlusconi-Intimus und Bürgermeister von Salerno, Vittorio Sgarbi, den die Staatsanwaltschaft erst kürzlich wegen Mafia-Verwicklungen im Visier hatte, Stimmen sammeln. Wem Kontakte zur ehrenwerten Gesellschaft nachgesagt werden, der ist dafür seit jeher bestens geeignet. Diese Allianz der alten Parteigänger Berlusconis soll auf den traditionellen Namen Centrodestra (Rechtes Zentrum) getauft werden. Die für Mitte-Links stehende römische »Repubblica« veranlaßte das zu der Frage, wo denn da ein Zentrum sein solle.

Während die Rechte an ihrer Einheit bastelt, wird in der Demokratischern Partei, der führenden Kraft von Mitte-Links, eine bekannte Personaldebatte geführt, mit der der Wahlsieg auf Spiel gesetzt werden könnte. Aussichtsreichster Kandidat ist der 62jährige Parteivorsitzende Pierluigi Bersani, ein zwar etwas farbloser, aber gerade deswegen an der Parteibasis recht beliebter Politiker. Mit ihm an der Spitze werden der DP derzeit 37 Prozent Stimmen zugerechnet. Er soll als Spitzenkandidat auf den nach US-amerikanischem Vorbild eingeführten Primaries (Vorwahlen) aufgestellt werden. Gegen ihn tritt der 37jährige Florenzer Bürgermeister Matteo Renzi an, der bereits jetzt einen scharfen Wahlkampf führt, der an Populismus kaum zu überbieten ist. Unter Losungen wie »Italien braucht neue Gesichter« propagiert er »die Verschrottung« der alten Führergeneration, verlangt einen Wechsel »adesso« (jetzt), ohne ein Wahlprogramm vorzulegen und läßt sich als der »beliebteste Bürgermeister Italiens« feiern. Für den Fall, daß er nicht nominiert wird, hat er bereits angekündigt, allein anzutreten. Es wird befürchtet, daß es dann zu einer Spaltung der DP kommen könnte.

Der Vorsitzende der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL), der derzeitige Chef einer Mitte-Links-Regierung von Apulien, Nicchi Vendola, der zu verstehen gegeben hatte, daß er zugunsten Bersanis auf eine eigene Kandidatur verzichten könnte, hat nun bekanntgegeben, wenn Renzi antritt, sich ebenfalls allein zu bewerben. Seiner SEL werden gut zehn Prozent Stimmen zugetraut. Die beiden kommunistischen Parteien PRC und PdCI appellieren, einen Wahlsieg von Mitte-Links nicht durch interne Machtkämpfe in der DP zu gefährden. Es wird damit gerechnet, daß sie auf der Liste der Demokraten kandidieren. Bei den letzten Parlamentswahlen 2008 erreichten sie mit den Grünen auf der Einheitsliste Arcobaleno (Regenbogen) 3,1 Prozent und kamen damit nicht mehr ins Parlament.

Was in diesem Zusammenhang besonders beunruhigt, ist, daß der frühere Vorsitzende der PRC, Fausto Bertinotti, der im Wahlkampf 2008 die Auflösung seiner Partei propagierte und den Regenbogen damit in die Wahlniederlage führte, ein eifriger Wahlkampfhelfer Renzis ist.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 10. Oktober 2012


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