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Kampf gegen Migranten

Italien will Flüchtlinge künftig länger in Lagern festhalten

Von Micaela Taroni, Rom *

Die Abgeordnetenkammer in Rom hat am vergangenen Freitag ein Gesetz verabschiedet, das die Abschiebung illegaler Migranten neu regelt. Die Frist für den Verbleib von Migranten in Flüchtlingslagern wird von sechs auf 18 Monate verlängert. In dieser Zeitspanne soll geklärt werden, ob Asylsuchende in Italien bleiben dürfen oder abgeschoben werden. Wird nach dieser Überprüfung eine Abschiebung beschlossen, hat die betroffene Person künftig sieben Tage Zeit, Italien zu verlassen, und nicht mehr nur fünf Tage wie bisher.

Auch EU-Bürger können künftig aus Gründen der öffentlichen Sicherheit abgeschoben werden. Eine derartige Entscheidung liegt im Ermessen der Polizeibehörden, kann aber auch bei Urteilen wegen Delikten gegen den italienischen Staat gefällt werden. »Das Gesetz entspricht den EU-Regeln«, versicherte Innenminister Roberto Maroni, Verfasser des Gesetzes, das jetzt auch noch vom Senat verabschiedet werden muß.

In der Vergangenheit waren italienische Migrationsbestimmungen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) abgelehnt worden. So urteilte dieser 2010, daß ein im Jahr davor eingeführtes Gesetz, das Geld- und Haftstrafen für illegale Einwanderer vorsah, den Menschenrechten widerspreche. Die Richter hatten den Fall eines algerischen Staatsbürgers überprüft, der 2010 von einem Gericht in Trient zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden war, weil er trotz des Ausweisungsbefehls Italien nicht verlassen hatte.

Heftige Kritik an den neuen Bestimmungen kam unterdessen von den italienischen Oppositionsparteien. »Migranten bis zu 18 Monate in Auffanglagern eingesperrt zu halten, ist unmenschlich. Maroni hofft, mit einer fremdenfeindlichen Politik, Wählerstimmen zu gewinnen«, kommentierte Sandro Gozi von der Demokratischen Partei (PD). Katholische Verbände bezeichneten das Gesetz als »Schande«, da die Lebensbedingungen in den Auffanglagern verheerend seien. Oliviero Diliberto, Sekretär der Partei der Italienischen Kommunisten (PdCI), sagte, die Regierung würde Migranten wie Kriminelle behandeln.

Bereits im Juni hat die Regierung Berlusconi mit dem »Nationalen Übergangsrat« der libyschen Aufständischen ein Abkommen zur Bekämpfung illegaler Migration und zur Rückführung von Flüchtlingen unterzeichnet. Menschenrechtsorganisationen kritisierten, daß der italienische Staat, der selbst an der Kriegsführung in Libyen beteiligt ist, Flüchtlinge in die Konfliktregion zurückschicken würde. An die 30000 Migranten haben bisher mit Booten die libysche Küste in Richtung Italien verlassen.

* Aus: junge Welt, 21. Juli 2011


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