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Italiens unendliche Geschichte

Noch immer keine Regierung: Bersani warf das Handtuch, nun ist Napolitano am Zug

Von Wolf H. Wagner, Florenz *

Italiens Präsident Napolitano sucht einen Ausweg aus der politischen Blockade. Im Gespräch ist eine Übergangsregierung, die Sofortmaßnahmen gegen die Krise trifft und das Land bis zu erneuten Wahlen im Herbst führt. Doch die Linke macht sich noch Hoffnungen auf eine Regierungsbildung.

Der Ball liegt wieder bei Giorgio Napolitano. Nach der Aufgabe des Mitte-Links-Kandidaten Pierluigi Bersani, eine neue Regierung für Italien zu bilden, musste der Staatspräsident das Heft des Handelns an sich nehmen. Und so sah der Karfreitag eine lang andauernde Prozession aller politischen Kräfte zum Quirinale, seinem Amtssitz.

Eingeleitet wurde sie am Vormittag von den Vertretern von Pópolo della Libertá (PdL) und Lega Nord. Die Mitte-Rechts-Delegation wurde um 11 Uhr empfangen. Am Nachmittag sprachen die Vertreter der Bewegung Fünf Sterne vor. Anschließend empfing Napolitano die Abgeordneten der Mitte um den Übergangspremier Mario Monti. Danach sprachen die Vertreter von Linke, Umwelt Freiheit und schließlich Bersani mit seinen Mitstreitern von der Demokratischen Partei (PD) vor. Beobachter erwarteten, dass der Staatspräsident noch am Karfreitag eine Entscheidung treffen würde.

Dass Napolitano eine breite Koalitionsregierung anregen wird, gilt als unwahrscheinlich, auch wenn Silvio Berlusconi nach dem Treffen mit dem Präsidenten erklärte, die Position des Mitte-Rechts-Bündnisses bliebe dieselbe: »Wir sind bereit, in einer Großen Koalition aus PdL, PD, Lega Nord und der Bürgerlichen Wahl (die Partei Montis – Red.) die Regierung zu bilden.«

Sowohl Berlusconi als auch Roberto Maroni (Lega Nord) schlossen dagegen die Bildung einer technischen Regierung nach dem Vorbild des bisherigen Monti-Kabinetts aus. Damit habe man nur schlechte Erfahrungen gemacht, so Maroni. Der Lega-Chef betonte darüber hinaus, dass es für seine Partei wichtig sei, ein eigenes Ressort für den Landesnorden zu bekommen.

Möglicherweise jedoch wird sich Napolitano für einen »Plan B« entscheiden: eine Übergangsregierung, die zunächst die wichtigsten wirtschaftlichen Entscheidungen im Angesicht der Krise trifft und ein neues Wahlgesetz erarbeitet.

Dabei wurden bereits Namen möglicher Interimspremiers gehandelt. So gilt der Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Franco Gallo, als ein Kandidat. Im Spiel sind ferner der Generaldirektor der Banca d’Italia, Fabrizio Saccomani, sowie Ex-Regierungschef Giuliano Amato. Doch auch die PD und das von ihr geführte Mitte-Links-Bündnis sind noch nicht völlig aus dem Rennen. Immerhin stellen sie mit 340 Abgeordneten eine ausreichende Mehrheit im Abgeordnetenhaus. Möglicherweise könnte die PD eine von anderen Abgeordneten tolerierte Regierung bilden, die von jemand anderem als Bersani geleitet würde. Innerhalb der Partei sind die Meinungen geteilt. Eine Gruppe vertritt die Auffassung, man sei mit Bersani ins Rennen gegangen und müsse weiter zum Vorsitzenden stehen.

Die andere Gruppe sieht es an der Zeit, dass der in den parteiinternen Vorwahlen unterlegene Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi, eine Chance erhält. Renzi könnte ein Kandidat sein, der auch von den Abgeordneten der Mitte um Monti unterstützt und von PdL und Lega toleriert würde. Ein weiterer Anwärter könnte Graziano Delrio, der Bürgermeister von Reggio Emilia, sein. Er ist auch Präsident der Assoziation italienischer Gemeinden.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 30. März 2013


Gestraftes Italien

Von Roland Etzel **

Berlusconis triumphierende Prognose – ohne mich keine Regierung in Italien – scheint sich zu erfüllen. Vorerst jedenfalls. Nach der Aufgabe des links orientierten Politikers Bersani richten sich die Blicke nun wieder auf Staatspräsident Napolitano. Er soll nun aus den Trümmern der einst stolzen italienischen Parteienlandschaft eine Regierung basteln, die erstens auf Basis der Wahlergebnisse mehrheitsfähig, zweitens angesichts der am Abgrund taumelnden italienischen Nationalökonomie politisch verantwortbar ist und drittens, ganz unitalienisch, länger hält als ein paar Monate. Sisyphos hat's leichter gehabt.

Napolitanos Bemühungen sind aller Ehren wert. Der Mann ist 87, und seine Amtszeit endet im Mai. Doch er fühlt sich verantwortlich. Das ist erwähnenswert, weil es offensichtlich auch andere Auffassungen davon gibt, was ein Politiker einem übernommenen Amt schuldet. Zum Beispiel Mario Monti. Der Exminister, der sich gern als »Super-Mario« schmeicheln ließ, ist 60 und seit November Übergangspremier – was ihn nicht davon abhielt, den Abgeordneten am Mittwoch vorzujammern, er könne es »kaum erwarten, vom Regieren erlöst zu werden«.

Ohne sich auf Steinbrücksches Stammtischniveau herunterbegeben zu müssen, darf man wohl konstatieren, dass Italien mit solcherart »Krisenmanagern« hart gestraft ist. Und es drängt sich der Gedanke auf, ob dies alles so möglich wäre ohne die (Selbst)-Zerlegung und Marginalisierung der einst mächtigen italienischen Linken in den 90ern.

** Aus: neues deutschland, Samstag, 30. März 2013 (Kommentar)


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