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Tiefer Fall des Zampanos

Italien: Silvio Berlusconi wegen Steuerbetruges zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Expremier reagiert mit wütendem Rundumschlag. Urteil noch nicht rechtskräftig

Von Gerhard Feldbauer *

Italiens Expremier Silvio Berlusconi ist vergangene Woche wegen Steuerbetrug, Preismanipulierungen, der Führung von Schwarzgeldkonten und Tarnfirmen in erster Instanz zu vier Jahren Gefängnis und der Zahlung von zehn Millionen Euro Schadenersatz an den Staat verurteilt worden. Außerdem wird ihm für fünf Jahre die Ausübung öffentlicher Ämter untersagt. was den Ambitionen Berlusconis, sich 2013 zum Staatspräsidenten wählen zu lassen, ein Ende bereitet.

Berlusconi war angeklagt, 2002 und 2003 mit Mitarbeitern seines Medienkonzerns Mediaset, zu dem seine drei privaten Fernsehsender, Kinoketten und Video-Produktionsgesellschaften gehören, eine »Befehlskette gebildet zu haben«, über die beim Verkauf von Fernsehrechten die Kosten um Hunderte Millionen Dollar aufgebläht worden seien. Über Scheinfirmen wurden die Rechte an Filmen erworben und an Mediaset zurückverkauft, wodurch das Unternehmen niedrigere Gewinne angab und weniger Steuern zahlen mußte. Die Ermittlungen waren vor zehn Jahren eingeleitet und vor sechs Jahren der Prozeß eröffnet worden. In seiner Regierungszeit 2001 bis 2006 und erneut ab 2008 bis zu seinem Rücktritt im November 2011 hat der Angeklagte durch die sogenannte Lex Berlusconi (Strafverhinderungsdekrete) das Vorgehen der Justiz gegen sich verhindert und damit für mehrere anstehende strafrechtliche Delikte Verjährung erreicht.

Von den vier verhängten Haftjahren würden drei unter einen 2006 erlassenen Straferlaß fallen. Ob es zum Vollzug kommt, ist fraglich, da Urteile in der ersten Instanz nicht rechtskräftig sind und die Anwälte des Mediendiktators schon Berufung eingelegt haben. 2014 würde bereits die Verjährung einsetzen.

Das jetzige Urteil dürfte nur die Spitze eines kriminellen Eisberges bloßlegen. Als 1992/93 das alte Parteiensystem im Korruptionssumpf (laut Turiner Einaudi-Institut wurden jährliche zehn Milliarden Dollar Schmiergelder gezahlt) zusammenbrach, war Berlusconi Objekt staatsanwaltlicher Ermittlungen. Auch hatte er sich bereits, wie die Publizisten Giovanni Ruggeri und Mario Guarini in ihrer Biographie »Berlusconi. Showmaster der Macht« (Deutsch 1994 bei Gatza) nachwiesen, »eine Verurteilung wegen falscher Zeugenaussage eingehandelt« (falsche Angaben seiner Mitgliedschaft in der faschistischen Putschloge P2, die ihm Millionen Dollar zum Aufbau seines Medienimperiums zuschanzte).

Seit April 1994 erstmals Regierungschef, hatte Berlusconi die Korruptionsermittlungen des Staatsanwalts Antonio di Pietro der Gruppe Mani pulite (Saubere Hände) noch stoppen können. Nach seinem Rücktritt im November 1994 wurden gegen ihn dann insgesamt über 30 Strafverfahren wegen Steuerhinterziehung, Bestechung und weiterer Delikte eröffnet oder Ermittlungen dazu geführt. 1997 wurde er in erster Instanz zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt, ein Jahr später zu 18 Monaten. Insgesamt wurden in mehreren Prozessen zehn Jahre Freiheitsstrafe und umgerechnet zehn Millionen DM Geldstrafe verhängt, deren Aufhebung seine Anwälte vor seinem erneuten Amtsantritt als Premier 2001 teilweise durchgesetzt hatten. Als Berlusconi kandidierte, warteten noch fünf Prozesse auf ihn, die er dann als Regierungschef mit Strafverhinderungsdekreten zu Fall brachte. Jetzt steht als nächstes der sogenannte Ruby-Prozeß wegen Sex mit einer minderjährigen Prostituierten im Zusammenhang mit Amtsanmaßung an. Als die Marokkanerin Rubacuori (Herzensdiebin) später in polizeilichen Gewahrsam genommen wurde, ordnete Berlusconi an, sie freizulassen, da sie eine Nichte des (damaligen) ägyptischen Präsidenten Mubarak sei.

Antonio Di Pietro, heute Vorsitzender der zu Mitte-Links gehörenden Partei der Werte Italiens, betrachtet das Urteil vor allem als positiv, weil »die Wahrheit ans Licht gekommen« sei. Berlusconi reagierte mit einem wütenden Rundumschlag. Die Richter bezichtigte er der »Barbarei«, seine Parteifreunde nannten es »einen politisch motivierten Mordversuch«. Seinem Nachfolger im Amt, Mario Monti, drohte er die Aufkündigung der Unterstützung seiner Partei im Parlament an. Nach dem er vor der Verhandlung erklärt hatte, zu den Wahlen 2013 nicht wieder zu kandidieren, kündigte er nun an, weiter in der Politik »mitmischen zu wollen«. Vor allem in seiner Partei will er die Fäden im Hintergrund ziehen.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 30. Oktober 2012


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