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Israel verlegt Truppen an Gazastreifen

Lieberman fordert "breite Militäroffensive" *

Nach Raketenangriffen aus dem Gazastreifen verlegt Israels Armee Truppen an den Rand des Palästinensergebiets. Dies bestätigte Armeesprecher Peter Lerner am Donnerstag. Es sei eine begrenzte Zahl von Reservisten mobilisiert worden. Nach Medienberichten handelt es sich um Fußtruppen und gepanzerte Fahrzeuge. Lerner betonte mehrfach, Israel sei nicht an einer »Offensive im Gazastreifen« interessiert. Er rief die im Gazastreifen herrschende Hamas auf, den Raketenbeschuss israelischer Grenzorte zu unterbinden, um eine weitere Eskalation zu verhindern.

Binnen 24 Stunden hätten Palästinenser mehr als 30 Raketen auf Israel abgefeuert. Zwei davon schlugen in Häusern in der Grenzstadt Sderot ein. Auch Hamas-Kämpfer seien an einigen der Angriffe beteiligt gewesen, behauptete Lerner. Dies sei ein Bruch der Waffenruhe-Vereinbarungen, die Israel und die Hamas nach dem letzten großen Schlagabtausch im Gazastreifen im November 2012 unter ägyptischer Vermittlung getroffen hatten. Auch von israelischer Seite gab es schon zahlreiche Verstöße gegen die Vereinbarung. Hamas bestritt, dass die Raketenangriffe von ihr ausgingen.

Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hatte nach dem Mord an drei jüdischen Jugendlichen eine »breite Militäroffensive« im Gazastreifen gefordert. Andere Minister warnten jedoch vor einem solchen Einsatz. In der Nacht zum Donnerstag tagte zum dritten Mal in dieser Woche das israelische Sicherheitskabinett. Es ist nicht bekannt, ob dabei Entscheidungen getroffen wurden. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte »harte Schritte« gegen die im Gazastreifen herrschende Hamas angekündigt.

In Westjerusalem demonstrierten rund tausend Menschen gegen Gewalt und Rassismus. »Araber und Juden werden in diesem Land zusammenleben müssen«, sagte Israels Oppositionsführer Izchak Herzog. Extremisten beider Seiten versuchten, das Land in eine Spirale der Gewalt zu ziehen. »Aber die Mehrheit der jüdischen und arabischen Gesellschaft will in Frieden leben.«

Israelische Kampfflugzeuge flogen in der Nacht zu Donnerstag erneut Angriffe im Gazastreifen. Dabei wurden nach Militärangaben 15 Ziele der Hamas beschossen, nach israelischer Darstellung auch versteckte Raketenabschusseinrichtungen und Waffenlager.

* Aus: neues deutschland, Freitag 4. Juli 2014


Luftangriffe auf Gaza

Militärische Eskalation zwischen israelischer Armee und Palästinensern

Von Karin Leukefeld **


Die israelische Luftwaffe hat ihre Angriffe auf den Gazastreifen auch am Donnerstag fortgesetzt. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte seien »Waffenlager und Abschußrampen« zerstört worden. Bilder aus dem Gazastreifen zeigen eine Reihe zerstörter Wohnhäuser in Gaza-Stadt. Ein Sprecher der Gaza-Gesundheitsbehörde sagte, elf Personen seien verletzt worden. Die Luftangriffe seien Vergeltungsschläge für rund ein Dutzend Raketen, die aus dem Gazastreifen auf den Süden Israels abgeschossen wurden, so die Armee.

Die militärische Eskalation zwischen der israelischen Armee und den Palästinensern steht im Zusammenhang mit den Morden an drei israelischen und einem palästinensischen Jugendlichen. Die drei jungen Israelis waren am Dienstag beerdigt worden, in der darauffolgenden Nacht wurde der 16jährige Palästinenser Mohammed Abu Khudair in Ostjerusalem entführt und getötet. Seine verbrannte Leiche war am Mittwoch in einem Waldstück gefunden worden. Die Familien der drei getöteten israelischen Jugendlichen verurteilten die Ermordung des Palästinensers. »Sollte der arabische Jugendliche aus nationalistischen Gründen ermordet worden sein, ist das eine furchtbare und grauenhafte Tat«, hieß es in einer Erklärung. Es sei »kein Unterschied zwischen dem Blut von Arabern oder Juden. Mord ist Mord.«

Ultrarechte Minister aus der Regierung Benjamin Netanjahu hatten nach der Beerdigung der drei israelischen Jugendlichen Rache gefordert. Wirtschaftsminister Naftali Bennett von der religiösen Siedlerpartei »Unser Haus Israel« forderte die Hinrichtung aller palästinensischen Gefangenen, die wegen Mordes in Haft seien. Die Armee müsse eine massive Offensive gegen die Hamas durchführen, Krieg gegen den Gazastreifen eingeschlossen. Am Donnerstag begann die israelische Armee damit, Truppenteile in Richtung Gazastreifen zu verlegen.

Die Hamas machte dagegen klar, daß sie keine Konfrontation mit Israel suche, ihr aber auch nicht ausweichen werde. Der Islamische Dschihad (Gotteskrieg) erklärte seinerseits Siedler zu »legitimen Zielen« für den palästinensischen Widerstand. Israelische Behörden und die Armee seien verantwortlich für die »anhaltenden Angriffe auf Palästinenser, ihr Land und ihre heiligen Stätten«, hieß es in einer Erklärung.

Bei Auseinandersetzungen zwischen Siedlern, Palästinensern und der israelischen Militärpolizei in Ostjerusalem und angrenzenden Vierteln wurden am Mittwoch und Donnerstag 232 Personen verletzt, berichtete die medizinische Hilfsorganisation Roter Halbmond. Die israelischen Streitkräfte hätten demnach Tränengas, Gummigeschosse, Blendgranaten und scharfe Munition eingesetzt. Eine Armeesprecherin dementierte, daß scharfe Munition zum Einsatz kam. Am frühen Donnerstag morgen wurden acht einfache Häuser von Palästinensern mit Bulldozern von den israelischen Streitkräften zerstört. Die Nachrichtenagentur WAFA zitierte den Bürgermeister des Ortes Al-Akaba mit der Aussage, daß 20 Bulldozer im Einsatz gewesen seien. In Hebron beschlagnahmte die israelische Armee Maschinen und Rohstoffe einer Fabrik für Milchprodukte. Zuvor hatte das Militär bereits die Zerstörung des Betriebs angeordnet, weil er »ohne Genehmigung« gebaut worden sei. Das Unternehmen beschäftigt 52 Personen und gehört einer islamischen Hilfsorganisation. Der Gewinn geht an Waisenkinder.

Die Internationale Ärzteorganisation gegen den Atomkrieg (IPPNW) zeigte sich am Donnerstag besorgt über die Eskalation. Man appelliere an den israelischen Botschafter in Berlin, Yakov Hadas-Handelsman, sich gegenüber seiner Regierung dafür einzusetzen, den »Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt endlich zu beenden«, hieß es in einer Erklärung. Hadas-Handelsman hatte gegenüber dem Deutschlandfunk gesagt, er sähe keine Alternative zu dem Vorgehen der Armee. »Der Weg der Rache, der Vergeltung von Raketenangriffen auf Israel durch Bombardierung von Zielen im Gazastreifen, das Zerstören von Häusern von mußmaßlichen Tätern und Kollektivstrafen am palästinensischen Volk werden den Konflikt weiter befeuern«, erklärte dagegen Sabine Farrouh vom Vorstand der deutschen IPPNW-Sektion. Sie hatte das Westjordanland kürzlich bereist und erlebt, daß sich die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung für eine gewaltfreie, friedliche Lösung des Konflikts ausspricht.

** Aus: junge Welt, Freitag 4. Juli 2014


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