"Es gab keinen Bruch zwischen Links- und Rechtszionismus"
Gespräch mit Tikva Honig-Parnass. Über die Besatzungspolitik Israels gegenüber Palästinensern, die Gruppe Matzpen und heutigen Widerstand
Tikva Honig-Parnass kämpfte 1948 als überzeugte Zionistin in
Israel. Später wurde sie Antizionistin und Mitglied der marxistischen
Gruppe Matzpen. Diese war in den 60er und 70er Jahren in Israel aktiv.
Sie sprach sich für eine demokratische und sozialistische Vereinigung
des arabischen Ostens sowie eine gegenseitige Anerkennung der
individuellen und nationalen Rechte von israelischen Juden und
palästinensischen Arabern aus.
Sie begannen Ihre politische Laufbahn als überzeugte Zionistin und
kämpften auch im 1948er Krieg. Was brachte Sie dazu, mit der Ideologie
des Zionismus zu brechen?
Ich muß betonen, daß ich vom Lager der extremen zionistischen Linken,
der marxistischen Mapam-Partei, zum Antizionismus gekommen bin. Ich war
nicht nur Mitglied, sondern auch Sekretärin der Partei in der Knesset
zwischen 1952 und 1954 und stimmte komplett überein mit deren Haltung,
die ich heute als heuchlerisch betrachte. Sie forderte einerseits den
Sozialismus und nahm zugleich am Diebstahl des Landes der Palästinenser
teil, die nach 1948 innerhalb der Grenzen Israels geblieben waren.
Es wird oft behauptet, daß Israel als ein sozialistisch inspirierter
Staat gegründet wurde, da Mapai, die Arbeiterpartei, beim Aufbau der
staatlichen Institutionen eine zentrale Rolle spielte. Wie war das
innerhalb eines kapitalistischen Rahmens überhaupt möglich?
Die Hegemonie der zionistischen Arbeiterbewegung im jungen Israel war
das Produkt einer Art Arbeitsteilung zwischen ihr und dem israelischen
Bürgertum, das im Embryonalzustand existierte. Ich will nicht auf die
Gründe für diese Arbeitsteilung eingehen. Es genügt zu sagen, daß das
aufstrebende Bürgertum die politische Führung des Landes der
zionistischen Arbeiterbewegung überließ, die damit für den Erhalt der
notwendigen »industriellen Ruhe« verantwortlich wurde, während sie
gleichzeitig die Infrastruktur des zukünftigen Staates aufbaute. Was ich
hier betonen möchte, ist die wichtige Rolle, die linkszionistische
Intellektuelle bei der Haupterzählung über den Zionismus bis heute
spielen. Während sie behaupten, moralische Autorität zu besitzen,
rechtfertigen sie schlimmste Menschenrechtsverletzungen, die von allen
Regierungen Israels begangen wurden. Die zionistische Arbeiterbewegung
hat z.B. die Theorie des konstruktiven Sozialismus konzipiert, einer Art
nationalistischen Sozialismus: Sie propagierte die Zusammenarbeit von
Arbeiterklasse und Bürgertum - den sogenannten produktiven Kräften der
Gesellschaft -, die die kollektiven Interessen von Staat und
Gesellschaft vertreten. Diese Ideologie etablierte sich nach 1948 leicht
als das staatszentrierte Wertesystem, das im Kern der israelischen
Gesellschaft bis heute zu finden ist. Es ist eine Ideologie, die den
Staat und dessen Sicherheit als die wichtigsten Werte betrachtet, die
Vorrang vor jeglichen individuellen Interessen haben. Sie preist, was
linkszionistische Sozialwissenschaftler als die kollektiven Ziele der
Gesellschaft bezeichneten. Diese werden benutzt, um individuelle Rechte
und Wünsche als egoistisch zu verunglimpfen. Das steht im krassen
Gegensatz zu jeder liberal-demokratischen Tradition.
Aber die Alleinherrschaft des linken Zionismus endete schon vor Jahren.
Gehört all das jetzt nicht zur Vergangenheit?
Die Machtübernahme durch die Likud-Partei führte nicht zum Ende der
Hegemonie der von der zionistischen Linken konzipierten Ideologie. Sie
dauert bis heute an, weil sie die verschiedenen wirtschaftlichen und
politischen Eliten prägte. Hier gibt es scheinbar einen Widerspruch: Die
israelische kapitalistische Klasse unterstützte die
Arbeiterpartei-Regierungen, die wiederum deren Interessen vertraten. Es
gab nie einen Bruch zwischen links und rechts, was die zentralen
Prämissen des Zionismus angeht. Der einzige Unterschied lag in
Meinungsverschiedenheiten über die Abfolge der Etappen, in denen das
Projekt eines exklusiv jüdischen Staates im gesamten Gebiet des
historischen Palästina realisiert werden sollte. Diese Nähe erklärt das
allmähliche Verschwinden der Unterschiede zwischen rechts und links.
Kadima und Likud haben sowohl den Pragmatismus der zionistischen Linken
angenommen als auch ihren Diskurs um den Friedensprozeß. Angefangen mit
Ariel Sharon hat die Rechte prinzipiell das Konzept der
Zwei-Staaten-Lösung, das zuvor ausschließlich Position der zionistischen
Linken war, übernommen. Kein Wunder, daß die Arbeiterpartei Teil der
heutigen Regierungskoalition mit dem Rassisten Avigdor Lieberman sein
kann. Das Entlehnen von Arbeiterpartei-Positionen signalisiert aber
einen Pyrrhussieg für die zionistische Linke; wegen dieses Erfolges hat
sie ihre Existenzberechtigung verloren und ist heute eine mehr oder
weniger irrelevante politische Kraft geworden.
Welchen Einfluß hatte der Linkszionismus auf Sie persönlich? Wann fingen
Sie an, sich von ihm zu lösen?
Ich folgte dem vorherrschenden Diskurs blind. Für uns waren die
Palästinenser einfach ein Ärgernis, das aus dem Weg geräumt werden
mußte. Diese Selbstentmenschlichung ebenso wie die Entmenschlichung der
Palästinenser haben uns dafür reif gemacht, die Massenvertreibung zu
akzeptieren.
Ich werde Ihnen eine Geschichte erzählen, um den Unterschied zwischen
linkszionistischem Etatismus einerseits und echtem Liberalismus
andererseits deutlich zu machen: Ich kämpfte 1948 in der
Palmach-Einheit, die die Gegend um die Dörfer Saris, Beit Jibrin und
Sakarija eroberte und deren Einwohner vertrieb. Ich habe einen Brief,
den ich damals an meine Eltern schickte. In diesem schreibe ich über
zwei freiwillige jüdische Kämpfer aus Amerika, liberale Zionisten, die
nicht in der Ideologie der zionistischen Arbeiterbewegung sozialisiert
wurden. Eines Abends kamen sie von einem Einsatz zurück und schrieen,
daß sie auf dem Heimweg hungernde palästinensische Frauen und Kinder
sahen, die darum bettelten, zu ihren Dörfern zurückgehen zu dürfen. Sie
sagten wütend, daß »wenn dieser neue Staat nicht dazu fähig ist, sich um
seine Einwohner zu kümmern, dann hat er kein Existenzrecht«. Und ich,
eine Linkszionistin, die noch vorgab, Marxistin und Internationalistin
zu sein, schrieb: »Liebe Mutter und Vater, ich halte diese
amerikanischen Philanthropen nicht aus«. Beachten Sie, daß ich den
Ausdruck »Philanthropen« statt »Humanisten« verwende. Das ist nur ein
Beispiel bezüglich des Unterschiedes zwischen Liberalismus,
Universalismus und Internationalismus einerseits und angeblich linken
zionistischen Werten andererseits.
Einige Jahre später, 1961, kam das Buch »Frieden, Frieden und kein
Frieden« von Akiva Orr und Moshe Machover heraus. Sie schafften es zu
beweisen, daß Israel die Friedensvorschläge der arabischen Staaten
ignorierte. Die Erkenntnis, daß der Staat Israel sich weigert, Frieden
zu schließen, war ein Schock. Dies war aber der erste Zweifel, den ich
hatte und der mich dazu brachte, die Positionen von Matzpen von ganzem
Herzen zu akzeptieren, als diese 1962 gegründet wurde. Die Beziehung,
die Matzpen zwischen Marxismus, Klassenanalyse, Antiimperialismus und
Antizionismus aufzeigte, existierte niemals zuvor in der israelischen
Linken.
Erlangte Matzpen Einfluß innerhalb Israels? Welche Rolle spielt
jüdischer Antizionismus heute in Israel?
Matzpen stand an vorderster Front der Bewegung gegen die Besatzung in
den ersten Jahren nach dem 67er Krieg. Sie erfuhr dadurch die
Unterstützung einer ansehnlichen Zahl junger Menschen. Dennoch wurde die
antizionistische und klassenanalytische Perspektive nur eingeschränkt
übernommen. Realen Einfluß hatte Matzpen nur auf den Aufstand der
Schwarzen Panther der Mizrahim, der zwischen 1970 und 1972 stattfand.
Diese Juden aus den arabischen Ländern wurden nach Israel gebracht, um
den dringenden Bedarf des neuen Staates an Menschen zu decken, die die
angeblich leeren, von Palästinensern gesäuberten Gebiete besiedeln und
die israelische Armee verstärken sollten. Sie wurden willkürlich in
Orten ohne Arbeitsplätze angesiedelt, die dann zu den am meisten
vernachlässigten jüdischen Siedlungen im Land wurden. Unter der
ideologischen Führung von Matzpen begann eine Gruppe junger Mizrahim,
ihre Wut gegen die systematische Diskriminierung in Klassenbegriffen zu
artikulieren. Dies war eine Bewegung mit einem massiven Potential. Aber
sie wurden zerschlagen, ihre Anführer verhaftet und nach der Freilassung
weiter schikaniert. Für moralisch bewußte Intellektuelle war Matzpen
seit Mitte der 90er ein Vorbild. Seitdem würdigten sie viele als die
erste Gruppierung, die den Zionismus als eine kolonisatorische Bewegung
darstellte. Antizionisten werden im allgemeinen aber von
linkszionistischen Intellektuellen als Verräter angesehen, die die
Existenz des Staats in Frage stellen. Der Diskurs um dieses
Existenzrecht ist verschwommen, notorisch wird die biologische Existenz
der jüdischen Einwohner dieses Staates mit der Idee seiner Existenz als
jüdischer Staat verwechselt.
Erleben wir ein Schwinden oder eine Radikalisierung zionistischer Ideologie?
Wenn das Selbstbild eines friedliebenden Staates täglich zusammenbricht,
entsteht ein Bedürfnis, die Bindung der Menschen an den Zionismus zu
verstärken. Ein Beispiel: Letztes Jahr war ich bei einer Feier in der
Schule meines Enkelsohns im Norden von Tel Aviv, einer säkularen Gegend,
in der die meisten Einwohner für »linke« zionistische Parteien stimmen.
Es war eine Erinnerungsfeier für alle gefallenen Soldaten. Sie begann
damit, daß ein Junge mit einer Kippa - in einer angeblich säkularen
Schule - aus der Bibel vorlas, daß Gott zu Abraham sagte, »Sieh vom Ort,
wo du stehst, nach Norden und Süden und Osten und Westen, weil das ganze
Land, das du siehst, ich dir und deinen Nachkommen für alle Ewigkeit
geben werde«. Eine Erinnerungsfeier mit dem Versprechen von Gott an
Abraham zu beginnen ist eine Botschaft an die Kinder, daß sie in
zukünftigen unvermeidbaren Kriegen hart gegen die Palästinenser und
andere kämpfen müssen, weil dieses Land, das uns und nur uns gehört,
angeblich in Gefahr ist.
Israel wird als die einzige Demokratie im Nahen Osten bezeichnet, und
die Bürgerrechte, die Israels palästinensische Bürger genießen, werden
als Beweis dafür dargestellt. Wie sieht die Lage der Palästinenser
innerhalb Israels aus?
Israel hat eine halbe Million seiner eigenen Bürger im Westjordanland
angesiedelt; es benutzt den Luftraum und die unterirdischen
Wasserreserven dort täglich. Es hat dieses Gebiet annektiert, ohne es
offiziell zuzugeben. Viele Linkszionisten halten an dem Irrglauben fest,
daß die 67er Besatzung nur vorläufig ist und daß diese Gebiete
irgendwann den palästinensischen Staat bilden werden. Sie verdrängen die
Tatsache, daß diese Gebiete schon annektiert wurden. Dieses Wegschieben
hält das Bild von Israel als einziger Demokratie im Nahen Osten weiter
am Leben. Der Zionismus hat seine Herrschaft über verschiedene Gebiete
Palästinas in verschiedenen historischen Stufen errichtet. Daraus
erklären sich die Unterschiede bei der Gewährung von Bürgerrechten und
im Status der palästinensischen Einwohner dieser Gebiete - es reicht von
absolut keinen Bürgerrechten im Westjordanland und Gaza bis zur formalen
Staatsangehörigkeit, die den nach der Vertreibung von 1948 verbliebenen
Palästinensern verliehen wurde. Das war eine Voraussetzung für die
Aufnahme Israels als UN-Mitglied. Der Diskurs über Israels Demokratie
muß sowohl die offensichtliche Apartheid in den nach 1967 besetzten
Gebieten ansprechen wie auch die verdeckte innerhalb der grünen Linie,
also innerhalb der Grenzen Israels vor 1967. Dort herrscht nach Meinung
vieler Linker immer noch Demokratie.
Ist der Begriff Apartheid nicht übertrieben? Immerhin dürfen die
Palästinenser in Israel ihre Vertreter in die Knesset wählen.
Die Diskriminierung der palästinensischen Bürger qualifiziert Israel
schon als ein Apartheidregime, wenn auch mit Unterschieden zu Südafrika
vor 1994. Dessen rechtliche und ideologische Infrastruktur wurde schon
während des ersten Jahrzehnts des Staates von Regierungen, an denen auch
die vorgeblich marxistische Mapam-Partei beteiligt war, aufgebaut. Jedes
wichtige südafrikanische Rassentrennungsgesetz hat heute ein direktes
Gegenstück in Israel. Nach israelischem Recht gibt es keine israelische
Nationalität. Die einzige anerkannte Nationalität ist die jüdische, die
alle Juden auf der Welt umfaßt. Deren Staat zu sein, das behauptet
Israel. Nichtjüdische Bürger des Staates sind explizit nicht Mitglieder
einer israelischen Nation. Das israelische Recht reduziert diese
Menschen auf den Status einer ethnischen Minderheit, z.B. die
sogenannten israelischen Araber. Viele Grundrechte, wie der Zugang zum
Land, sind aber vom Vorhandensein der jüdischen Nationalität abhängig.
Diese Vorschriften bilden ein direktes Gegenstück zum südafrikanischen
Group Areas Act von 1950, der verschiedene Gebiete Südafrikas der
Nutzung durch verschiedene ethnische Gruppen zuordnete.
Palästinensischen Bürgern ist es untersagt, in den offiziellen jüdischen
Gemeindesiedlungen zu wohnen. Sie dürfen nicht auf staatlichem Land
leben oder auf Land, das nationalen Institutionen wie dem Jüdischen
Nationalfonds gehört. Diese Einrichtungen beanspruchen offen, die
Verwalter des Landes Israel für seine Besitzer, jüdische Menschen
überall, zu sein. Staatsangehörigen wie den Palästinensern, die die von
ihnen so genannte Nakba, die Katastrophe, 1948 überlebten, ist
systematisch jede Garantie politischer Rechte entzogen. Politische
Parteien oder Einzelpersonen, die Israel nicht als jüdischen Staat
anerkennen und sogar vom Recht Gebrauch machen, diesen mit
demokratischen Mitteln herauszufordern, werden vom Inlandsgeheimdienst
Schabak als ein Sicherheitsrisiko eingestuft. Sie riskieren, von der
Teilnahme an Wahlen ausgeschlossen zu werden. Das Recht auf
Staatsangehörigkeit oder sogar auf einen Wohnsitz wird einem
palästinensischen Ehepartner aus den 67er Gebieten oder anderen
arabischen Staaten verweigert.
Wie die nordamerikanische Version des Kolonialismus zielte der Zionismus
auf die Eliminierung der indigenen Bevölkerung ab und nicht auf deren
Erhalt als einer leicht auszubeutenden Arbeitsreserve ohne Bürgerrechte
wie im Fall Südafrikas. Die Palästinenser wurden als entbehrlich
betrachtet, was die Existenz des Begriffs Massenvertreibung lange vor
1948 im zionistischen Diskurs erklärt. Diese »Lösung« wird immer noch
von vielen vertreten, zum Beispiel vom Historiker Benny Morris. Aber bis
die richtigen Umstände herrschen, findet eine Politik der ethnischen
Säuberung in Zeitlupe im gesamten historischen Palästina statt und auf
verschiedenen Ebenen; durch die Trennung von Palästinensern von ihren
kultivierten Land, durch das Verbot des Zugangs zu Grundressourcen -
ganz zu schweigen von den Massakern, die in Dschenin und Gaza stattfanden.
Der Nahostkonflikt ist ein hochkontroverses Thema für die deutsche
Linke. Manche kamen zu dem Schluß, daß die Unterstützung des
Existenzrechts Israels angesichts des Heranwachsens islamistischer
Bewegungen in der Region wie Hamas oder Hisbollah eine notwendige
Position ist, um reaktionären oder antisemitischen Tendenzen
entgegenzutreten. Wie sehen Sie das?
Das Existenzrecht Israels ist eine Parole, die nichts mit dem Ziel einer
säkularen Demokratie zu tun hat. Genau dieser Diskurs hat als Vorwand
für den sogenannten Krieg gegen den Terror gedient. Deshalb sollten jene
deutschen Linken, die glauben für das Existenzrecht Israels zu kämpfen,
sich bewußt machen, daß dies die Teilnahme am Krieg gegen den neuen
Dämon, der nach dem Fall der Sowjetunion geschaffen wurde, bedeutet.
Islamischer Fundamentalismus wird als Vorwand benutzt, um die
Widerstandskräfte im Nahen Osten - ob religiös oder säkular- zu
zerschlagen. Es ist sicherlich traurig, daß dieser Widerstand nicht von
linken Kräften angeführt wird. Trotzdem sind Hisbollah und Hamas bis
jetzt die einzigen organisierten Kräfte, die ihn leisten. Die Hisbollah
spielt die glaubwürdigste Rolle für die Unabhängigkeit des Libanons.
Gäbe es sie nicht, regierten heute die faschistischen Falangisten im
Libanon. Die sind tatsächlich säkular - in Kollaboration mit den USA
und Israel. Die Hamas kam durch demokratische Wahlen an die Macht. Der
Krieg gegen sie ist in Wahrheit ein Krieg der ethnischen Säuberung gegen
die gesamte Bevölkerung Gazas. Dies ist die Natur des Krieges, der
zynischerweise für das Existenzrecht Israels geführt wird. Tatsächlich
geht es um das Recht des zionistischen Apartheidstaates, sein Projekt
der Ausgrenzung der palästinensischen Bevölkerung fortzuführen. Vor
kurzem veröffentlichte der linkszionistische Wissenschaftler Zeev
Sternhell eine Studie über den angeblichen Anstieg des Antisemitismus in
Europa, während der Operation »Gegossenes Blei« in Gaza an der
Jahreswende 2008/2009. Es ist zu bezweifeln, daß die Motive aller oder
wenigstens der meisten bei den von ihm aufgeführten Ereignisse
antisemitischer Natur sind. Es ist wohl richtig zu sagen, daß wir bei
einem Teil der Menschen Zeugen eskalierender israelfeindlicher
Einstellungen sind. Der frühere Antisemitismus war nicht abhängig von
dem, was Juden taten. Heute aber gibt es eine klare und konsistente
Verbindung zwischen Feindseligkeit gegenüber Israel und dessen Taten. Es
ist kein Zufall, daß Israelfeindlichkeit ein Phänomen ist, das während
der letzten Generation entstand: Es ist eine Reaktion auf die sich
vertiefende Besatzung der 1967 eroberten Gebiete.
* Aus: junge Welt, 3. Juli 2010
Interview: Leo Fischer
* Aus: junge Welt, 3. Juli 2010
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