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Nach dem Gaza-Krieg: Rechtsruck in Israel

Ultrarechter Politiker Avigdor Lieberman: "Wir haben den Schlüssel zur nächsten Regierung in der Hand"

Die Wahlen zur Knesset, dem israelischen Parlament, am 10. Februar haben keine Überraschung gebracht: Im Gefolge des israelischen Krieges im Gazastreifen hat es einen deutlichen Rechtsruck in der politischen Landschaft des Staates gegeben. Der "Friedensprozess", von dem angesichts der harten Kriegspolitik ohnehin schon lange nicht mehr die Rede ist, scheint endgültig beendet worden zu sein. Die nächste Regierung wird von Hardlinern bestimmt, gleichgültig ob die Ministerpräsidentin Zipi Livni oder der Ministerpräsident Benjamin Natanjahu heißt.
Im Folgenden dokumentieren wir eine Reihe Artikel und Kommentare zum Wahlergebnis.



Israel rückt nach rechts

Kadima-Partei knapp in Führung / Likud-Block gewann massiv / Ultras Zünglein an der Waage *

Nach einem deutlichen Rechtsruck bei der Parlamentswahl in Israel wirft eine schwierige Regierungsbildung ihre politischen Schatten voraus.

Tel Aviv (Agenturen/ND). Die der politischen Mitte zugerechnete Kadima-Partei von Außenministerin Zipi Livni wurde nach Auszählung von 99 Prozent der Stimmen mit 28 von 120 Sitzen zwar knapp stärkste Fraktion, kann aber ohne Unterstützung aus dem rechten Lager keine Koalition bilden. Unklar war, ob der bisherige Oppositionsführer Benjamin Netanjahu eine reine Rechtsregierung aus sechs rechten und ultra-religiösen Parteien bilden will. Sowohl Livni als auch Netanjahu, dessen rechtsorientierter Likud 27 Sitze gewann, erklärten sich zu Wahlsiegern und meldeten ihren Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten und damit auf Nachfolge von Ehud Olmert an. Beide Politiker begannen am Mittwoch Gespräche mit anderen Parteivorsitzenden für eine Regierungsbildung.

Laut Gesetz muss Israels Präsident Schimon Peres innerhalb von sieben Tagen nach Veröffentlichung des amtlichen Endergebnisses entweder Livni oder Netanjahu mit der Regierungsbildung beauftragen. Diese haben dann 42 Tage Zeit, eine Koalition zusammenzustellen.

Mit dem Endergebnis wird möglicherweise schon am Donnerstag gerechnet, wenn die Stimmen der Soldaten, Diplomaten und Seeleute ausgezählt sind. Die ultranationalistische Einwandererpartei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) von Avigdor Lieberman wurde mit 15 Sitzen erstmals drittstärkste Kraft im Parlament. Die Arbeitspartei von Verteidigungsminister Ehud Barak erzielte mit 13 Mandaten das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte und will in die Opposition gehen. Die Wahlbeteiligung betrug 65,2 Prozent.

Angesichts des Rechtsrucks bei den Wahlen forderte die Palästinenserführung Israel auf, eine klare Botschaft zu senden, dass es sich einer Zwei-Staaten-Lösung sowie einem Ende der Besatzung verpflichtet fühle. Der Verhandlungsführer in den Friedensgesprächen, Saeb Erekat, verlangte außerdem, dass eine künftige israelische Regierung alle geschlossenen Abkommen einhält und den Siedlungsbau und -ausbau in den Palästinensergebieten beendet.

Der ultrarechte Politiker Lieberman hatte nach einer antiarabischen Wahlkampagne die bislang 11 Sitze seiner Partei Israel Beitenu auf 15 ausgebaut. Sowohl Netanjahu als auch Livni sind damit bei der Koalitionsbildung auf die Unterstützung seiner Partei angewiesen. »Wir haben den Schlüssel zur nächsten Regierung in der Hand«, sagte Lieberman in der Wahlnacht. Den Beitritt seiner Partei zu einer Regierungskoalition machte er vom Sturz der Hamas-Organisation im Gaza-Streifen abhängig. Es werde mit seiner Partei weder eine Waffenruhe noch direkte oder indirekte Gespräche mit der Hamas geben, betonte er.

Oppositionsführer Netanjahu begründete seinen Machtanspruch mit den starken Zugewinnen seines Likud und des rechten Lagers. »Das sendet die klare Botschaft, dass das Land einen Wandel will«, sagte er auf einer Wahlparty in Tel Aviv. »Mit Gottes Hilfe werde ich die nächste Regierung führen.«

Dagegen meinte Livni vor jubelnden Anhängern in Tel Aviv, die Menschen hätten sich für die Kadima entschieden. Sie forderte Netanjahu auf, einer Regierung der nationalen Einheit unter ihrer Führung beizutreten. »Alles, was wir jetzt tun müssen, ist die richtige Sache; die Entscheidung der israelischen Bürger zu respektieren und einer Regierung der nationalen Einheit unter unserer Führung beizutreten«, erklärte Livni.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2009


Tauziehen um Regierungsbildung in Israel dauert an

Die Kadima-Partei von Außenministerin Zipi Livni behält ihren knappen Vorsprung bei der Parlamentswahl vor der Likud-Partei. Nach dem von der Wahlkommission verkündeten offiziellen Endergebnis erhält die Kadima 28 der 120 Mandate in der Knesset, die Likud-Partei von Oppositionschef Benjamin Netanjahu 27 Sitze. Damit bleibt das Ergebnis im Vergleich zum vorläufigen Wahlergebnis unverändert. Das Tauziehen der Parteien um Koalitionspartner für die Bildung einer Regierung dauert an. Tauziehen um Regierungsbildung in Israel dauert an Likud-Chef Netanjahu wollte sich mit Vertretern zweier religiöser Parteien aus dem rechten Spektrum treffen, um eine Zusammenarbeit zu besprechen. Die beiden religiösen Parteien, die zusammen sieben der 120 Abgeordneten in der Knesset stellen, unterstützen die jüdischen Siedlungen im Westjordanland und lehnen jegliche Zugeständnisse an die Palästinenser ab. Tauziehen um Regierungsbildung in Israel dauert an Bereits am Mittwochabend hatte Netanjahu mit dem Chef der ultranationalistischen Partei Israel Beitenu von Avigdor Lieberman gesprochen, die bei den Wahlen 15 Sitze im Parlament erhielt. Liebermann hatte sich zwar für die Bildung einer rechten Regierung ausgesprochen, aber auch andere Koalitionsmöglichkeiten nicht kategorisch ausgeschlossen. Deshalb hatte er zuvor auch mit Außenministerin Zipi Livni von der Kadima-Partei über ein mögliches Bündnis gesprochen. Tauziehen um Regierungsbildung in Israel dauert an Allerdings hat Livni mangels weiterer potentieller Koalitionspartner wenig Aussicht auf Erfolg. "Die Chancen Livnis auf die Regierungsbildung grenzen an Null", sagte der Politologe Abraham Diskin von der Hebräischen Universität in Jerusalem. Die Arbeitspartei von Ehud Barak, mit der Kadima bislang koalierte, kündigte an, in die Opposition gehen zu wollen. Die Partei tendiere dazu, keinen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs zu unterstützen, sagte ein Parteisprecher. Tauziehen um Regierungsbildung in Israel dauert an Livnis einzige realistische Chance auf eine Regierungsbeteiligung bleibt also eine große Koalition mit Netanjahu. Ein Zusammengehen mit Liebermanns Israel Beitenu würde ohne weitere Koalitionspartner keine Mehrheit im Parlament haben. Israels Präsident Schimon Peres will in der kommenden Woche mit den Parteien beraten, um anschließend einen Parteichef mit der Regierungsbildung zu beauftragen.

Nachrichtenagentur AFP, 12. Februar 2009




Die Rechte auf dem Vormarsch

Zwei Parteien liegen nahezu gleichauf / Kadima und Likud suchen Partner und streiten sich um Regierungsbildung

Von Oliver Eberhardt, Jerusalem **


Israel hat gewählt, aber das Ergebnis ist unklar: Zwar führen die bisherige Außenministerin Zipi Livni und ihre Partei Kadima, aber die besseren Chancen auf die Bildung einer neuen Regierung hat der rechtskonservative Likud-Block, der nur einen Sitz weniger bekam. Die Linke indes erlitt schwere Verluste und wird in den kommenden Jahren kaum eine Rolle spielen.

Wahlnächte sind in Israel immer lang und enden in der Regel damit, dass man früher oder später sagt: »Der oder die wird die neue Regierung bilden; diese oder jene Partei könnte drin sitzen.« Es kann aber auch passieren, dass man, wie es 1996 passierte, in den späten Abendstunden im Glauben, die Linke habe gewonnen, zu Bett geht, und am Morgen erfährt, dass doch die Rechte das Rennen machte. Oder, wie es in diesem Jahr der Fall ist, dass es momentan überhaupt keinen Sieger gibt.

Denn wer nach den Wahlen zum 18. Parlament des Staates Israel, den fünften immerhin innerhalb von zehn Jahren, die neue Regierung bilden wird, war auch am Nachmittag nach dem Wahltag noch unklar. Sicher ist, dass Zipi Livni, die derzeit Außenministerin ist, und ihre Partei Kadima, die Ende 2005 vom damaligen Ministerpräsidenten Ariel Scharon gegründet worden war, mit 28 Sitzen als mandatsstärkste parlamentarische Kraft aus den Wahlen hervorgegangen sind. Nur folgen ihnen der ehemalige Premierminister Benjamin Netanjahu und sein rechtskonservativer Likud-Block mit 27 von 120 Parlamentssitzen direkt auf den Fersen - zu dicht, um eine endgültige Aussage über Aussehen und Kurs der nächsten israelischen Regierung zu treffen, denn die werden im zersplitterten israelischen Politiksystem maßgeblich von kleineren Parteien mitbestimmt.

Und dort sieht die Lage derzeit folgendermaßen aus: Die Linke, allen voran die Arbeitspartei, die - mit Unterbrechungen - 38 Jahre lang die Premierminister des Landes stellte, hat weiter verloren, während die rechten und religiösen Parteien ihre Positionen mindestens hielten oder sogar ausbauten. Theoretisch könnte der Likud damit bequem eine rechts-religiöse Regierung bilden. Allerdings kommt auch eine »Regierung der nationalen Einheit«, das Pendant zur Großen Koalition in Deutschland, in Frage. Darin säßen Kadima, Likud und Arbeitspartei.

Schon während in Jerusalem und Tel Aviv noch die Wahlpartys mehr oder weniger fröhlich im Gange waren, diskutierten künftige Abgeordnete, Berater und Journalisten auf Korridoren und in Ecken die möglichen Szenarien. Auf den ersten Blick erschien den meisten eine rechts-religiöse Regierung am wahrscheinlichsten. Doch manche Prognose wurde nach dem Hinweis auf die damit verbundenen Kosten schnell wieder zurückgezogen: Vor allem religiöse Parteien, von denen es immerhin drei im nächsten Parlament geben wird, neigen dazu, als Gegenleistung für ihre Regierungsbeteiligung große Finanzspritzen für ihre jeweilige Klientel zu fordern, was die großen Parteien normalerweise dazu veranlasst, religiöse Parteien nur als Notlösung in die Regierung aufzunehmen.

Und so richten sich derzeit viele Augen auf eine Große Koalition nach dem Modell Kadima - Likud - kleinere Partei. Doch soll es dazu kommen, müssten sich Livni und Netanjahu vor allem darauf einigen, wer in den kommenden Jahren Regierungschef sein wird. In einer ähnlichen Konstellation gab es in den 80er Jahren ein Rotationsmodell: Schimon Peres (Arbeitspartei) und Jitzhak Schamir (Likud) lösten einander als Premier ab. Dies verspreche Stabilität, sagte ein Mitarbeiter Livnis, und Stabilität sei etwas, das Israel schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr erlebt habe. Aus dem Lager Netanjahus hieß es gar, beide könnten ein »Kompetenzteam« werden, zumal sie ideologisch gar nicht weit auseinander lägen - Livni gehörte vor der Gründung ihrer Partei Kadima dem Likud an.

Eine Große Koalition würde eine neuerliche Regierungsbeteiligung des Extremisten Avigdor Lieberman und seiner Partei Israel Beitenu verhindern, die von vielen im In- und Ausland als Rassisten gesehen werden. Lieberman tritt offen für eine Übergabe der überwiegend von Arabern bewohnten Gebiete im Norden Israels an die Palästinensische Autonomiebehörde im Gegenzug für die Annexion von Siedlungsblöcken im Westjordanland ein. In der Regierung Olmert, in der er Minister war, sei er jedoch außer durch die Forderung, Iran zu bombardieren, kaum aufgefallen, berichten Mitarbeiter Livnis.

Ob die Arbeitspartei dabei sein wird oder nicht, das war am Mittwoch so gut wie gar kein Thema mehr. Nach einem kurzzeitigen Höhenflug in den Umfragen während des Gaza-Krieges rutschte die Partei von Verteidigungsminister Ehud Barak von 19 auf nur noch 13 Sitze ab.

** Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2009


Wahlverlierer Frieden

Von Roland Etzel ***

Viel schlechter hätte es für den Friedensprozess im Nahen Osten nicht kommen können, sagen die einen. Welchen Friedensprozess? fragen die anderen -- und beide Lager haben Recht. Israel hatte sich einen Krieg als Elixier für die Wahlkampagne verordnet. Deren hervorstechendstes Merkmal war, dass sich die Wortführer der nunmehrigen vier stärksten Parteien im Verkünden blutunterlaufener Parolen täglich zu übertreffen trachteten. Das verband Barak und Lieberman, Livni und Netanjahu trotz aller lauten Fensterreden gegeneinander - und wird sie bei der Suche nach Mehrheiten auch wieder zusammenführen.

Die Suche nach einem israelisch-palästinensischen Ausgleich kam dagegen -- ausgenommen die arabischen Parteien -- nicht vor in den Kampagnen. So als wäre es eine Art israelische Staatsraison, die Hamas in Gaza als nicht satisfaktionsfähige Mörderbande abzutun, ihren ungeliebten Brüdern um Abbas aber dennoch nicht einen Funken Hoffnung zu lassen, dass man ihre kooperativere Haltung künftig honoriert, indem man endlich den Siedlungsbau einstellt, der palästinensisches Land raubt. Nichts davon.

Dies empfinden selbst Jerusalem gewogene Regierungen wie die in Libanon, Saudi-Arabien und Ägypten als unzumutbar und erwarten eine Reaktion aus Washington. Dort wird man nun früher Farbe bekennen müssen als gewünscht.

*** Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2009 (Kommentar


Die 18. Knesset – Mehr Frauen, weniger Religiöse

In der neu gewählten Knesset werden nach dem gegenwärtigen Stand der Auszählung (ohne die Briefwahlstimmen von Soldaten, Seeleuten, Diplomaten etc.) 21 Frauen angehören – so viel wie noch nie. In der letzten Legislaturperiode saßen lediglich 18 Frauen in Israels Parlament.

Den größten Frauenanteil (sieben Abgeordnete) kann dabei die derzeitige Regierungspartei Kadima für sich verbuchen (Knesset-Sprecherin Dalia Itzik, Außenministerin Tzipi Livni, Tourismusministerin Ruhama Avraham, Marina Solodkin, Ronit Tirosh, Rachel Adato und Orit Suarez). Über die Liste des Likud werden fünf Frauen in die Knesset einrücken (Lea Nass, Limor Livnat, Tzipi Hotobali, Gila Gamliel und Miri Regev. Israel Beiteinu wartet mit vier Frauen auf (Sofa Landver, Orly Levi, Anastasia Michaeli, Faina Kirschenbaum, Lia Shemtov). Daneben stellt die Avoda drei weibliche Abgeordnete (Sheli Yachimovitz, Yuli Tamir und Orit Noked), und erstmals in der Geschichte des Staates schickt eine arabische Partei eine Frau in die Knesset – Chanin Suavi aus Nazareth (Balad).

Im Gegensatz zur Zahl der Frauen ist die Zahl der Religiösen gesunken. Während in der 17. Knesset noch 34 saßen, sind es diesmal nur noch 28.

Wiederum gestiegen ist die Zahl von arabischen Abgeordneten (von 12 auf 13). Davon werden zehn von arabischen Parteien gestellt, jeweils einer steht auf der Liste von Kadima, Likud und Israel Beiteinu.

Außerdem werden vier Professoren (Avishai Breverman und Yuli Tamir von der Avoda, Daniel Hershkovitz von Habeit Hayehudi sowie Arieh Eldad von Ha’eichud Hale’umi) und drei ehemalige Generalstabschefs (Ehud Barak von der Avoda, Moshe Yaalon vom Likud und Shaul Mofaz von Kadima) in der neuen Knesset vertreten sein.

Newsletter der Israelischen Botschaft, 12. Februar 2009; Originalmeldung: Yedioth Ahronot, 11.02.09




Schlechte Aussichten für den Friedensprozess

Palästinenser enttäuscht, Nachbarn besorgt ****

Nach dem Rechtsruck bei der Wahl in Israel hat sich die palästinensische Führung enttäuscht über das Ergebnis geäußert. »Es ist offensichtlich, dass die Israelis für eine Lähmung des Friedensprozesses gestimmt haben«, sagte der palästinensische Nahostunterhändler Sajeb Erakat gegenüber AFP am Dienstagabend in Ramallah. Die Ergebnisse zeigten, dass es in Israel keine Regierung geben werde, die die Voraussetzungen für Frieden schaffen werde.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ließ erklären, dass er nicht mit einem israelischen Ministerpräsidenten verhandeln werde, der den Friedensprozess ablehne. Sprecher Nabil Abu Rudeina sagte zudem, Voraussetzung für Friedenverhandlungen sei ein vollständiger Stopp der israelischen Siedlungsaktivitäten im Westjor danland.

Die im Gaza-Streifen herrschende Hamas erklärte, die Israelis hätten »für die kriegslustigsten Kandidaten« mit den extremistischsten Parolen gestimmt. Der Wahlausgang offenbare eine »terroristische Kultur« in Israel, sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum in Gaza.

Der Erfolg der rechten Parteien bei den Parlamentswahlen in Israel hat auch in der übrigen arabischen Welt große Sorge ausgelöst. »Der deutliche Stimmenzuwachs für die radikalen Kräfte der israelischen Rechten könnte negative und gefährliche Folgen für die Suche nach Frieden im Nahen Osten haben«, kommentierte die Zeitung »Al-Watan« aus Saudi-Arabien am Mittwoch. Vor allem die Unterstützung für die ultrarechte Einwandererpartei Israel Beitenu sei »besorgniserregend«.

Auch die libanesische Zeitung »Al-Safir« interpretierte das Wahlergebnis als Beweis für die Radikalisierung der israelischen Gesellschaft. »Es zeigt, dass die überwältigende Mehrheit der Israelis den Frieden mit den Arabern einfach nicht will.« AFP/dpa

**** Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2009


Israel wählt den Krieg

Von Rüdiger Göbel *****

Gut drei Wochen nach dem Ende des Gaza-Krieges haben die Israelis mit überwältigender Mehrheit rechts gewählt. Unklar war am Mittwoch noch, wer die künftige Regierung in Tel Aviv anführen wird: Die Likud-Partei von Oppositionsführer Benjamin Netanjahu konnte ihre Mandate von zwölf auf 27 mehr als verdoppeln. Außenministerin Zipi Livni hat mit ihrer Likud-Abspaltung Kadima einen Sitz verloren, stellt aber mit 28 von 120 Sitzen die größte Fraktion in der Knesset. Die rechtsextreme Partei Jisrael Beiteinu (Unser Haus Israel) von Avigdor Lieberman legte vier Mandate zu und stellt mit 15 Abgeordneten künftig die drittstärkste Kraft im israelischen Parlament. Den vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission zufolge erhalten alle rechte Parteien zusammen mehr als 90 Sitze. Hierbei ist die Arbeitspartei von Ehud Barak noch gar nicht mitgerechnet. Obgleich der Verteidigungsminister den Krieg gegen die Palästinenser aus israelischer Perspektive erfolgreich geführt hat, stürzte seine ehemals sozialdemokratische Partei von 19 auf 13 Sitze ab und erreichte damit das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Das endgültige Ergebnis soll am heutigen Donnerstag vorliegen, wenn auch rund 175000 Stimmen von israelischen Soldaten ausgezählt sind.

»Wer auch immer demnächst Israel regiert - der Friedensprozeß mit den Palästinensern wird dabei auf der Strecke bleiben«, kommentierte AP. »Die Mehrheitsverhältnisse in der künftigen Knesset sprechen nicht für territoriale Zugeständnisse oder zumindest einen Stopp der jüdischen Siedlungen im Westjordanland.« Der frühere Nahost­unterhändler der USA, Aaron David Miller, erklärte in der Washington Post zum Wahlausgang: »Das ist, als ob man ein Schild an die Friedensgespräche hängt mit den Worten: 'Vorübergehend geschlossen'. Möglicherweise werden wir eine Regierung in Israel bekommen, die besser Krieg führen als Frieden aushandeln kann.«

Ähnlich äußerte sich die von Israel, den USA und der EU unterstützte palästinensische Fatah. »Es ist offensichtlich, daß die Israelis für eine Lähmung des Friedensprozesses gestimmt haben«, zitierte AFP Nahost-Unterhändler Sajeb Erakat. Der amtierende palästinensische Präsident Mahmud Abbas ließ verlauten, er werde nicht mit einem israelischen Ministerpräsidenten verhandeln, der den Friedensprozeß ablehne. Undiplomatischer äußerte sich die Hamas. Die Israelis hätten »für die kriegslüsternsten Kandidaten« mit den extremistischsten Parolen gestimmt, erklärte Hamas-Sprecher Fausi Barhum in Gaza. Der Wahlausgang offenbare eine »terroristische Kultur« in Israel.

In Syrien kommentierte die regierungsnahe Zeitung Al Thaura: »Die Israelis haben Krieg und Extremismus gewählt.« Irans Außenamtssprecher Hassan Kaschkawi nannte es bedauerlich, daß alle politischen Kräfte Israels versucht hätten, sich im Wahlkampf rechts zu überholen. »Jede Partei hat sich als noch brutaler und aggressiver gegeben und die Besatzung palästinensischen Gebiets noch stärker verteidigt.«

Der israelische Historiker Tom Segev sprach gegenüber Spiegel online von einem »neuen Zeitalter«. Fremdenfeindlichkeit und Rassismus seien heute tief in der israelischen Gesellschaft verankert. »Schon in den vergangenen Jahren ist Israel nach rechts gerückt. Doch jetzt haben wir es mit der extremen Rechten zu tun. Das ist etwas ganz Neues und sehr alarmierend. Als in Österreich mit Jörg Haider ein ähnlich rechter Politiker wie Lieberman an die Macht kam, berief Israel seinen Botschafter ab. Jetzt wird ein Mann vom Schlage Haiders Königsmacher in der israelischen Knesset sein.« Die Bundesregierung ließ gestern verlauten, sie wolle mit der künftigen israelischen Regierung ihre »sehr gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit fortsetzen«.

***** Aus: junge Welt, 12. Februar 2009


Schlechte Aussichten für den Friedensprozess

Palästinenser enttäuscht, Nachbarn besorgt ******

Nach dem Rechtsruck bei der Wahl in Israel hat sich die palästinensische Führung enttäuscht über das Ergebnis geäußert. »Es ist offensichtlich, dass die Israelis für eine Lähmung des Friedensprozesses gestimmt haben«, sagte der palästinensische Nahostunterhändler Sajeb Erakat gegenüber AFP am Dienstagabend in Ramallah. Die Ergebnisse zeigten, dass es in Israel keine Regierung geben werde, die die Voraussetzungen für Frieden schaffen werde.

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ließ erklären, dass er nicht mit einem israelischen Ministerpräsidenten verhandeln werde, der den Friedensprozess ablehne. Sprecher Nabil Abu Rudeina sagte zudem, Voraussetzung für Friedenverhandlungen sei ein vollständiger Stopp der israelischen Siedlungsaktivitäten im Westjordanland.

Die im Gaza-Streifen herrschende Hamas erklärte, die Israelis hätten »für die kriegslustigsten Kandidaten« mit den extremistischsten Parolen gestimmt. Der Wahlausgang offenbare eine »terroristische Kultur« in Israel, sagte Hamas-Sprecher Fausi Barhum in Gaza.

Der Erfolg der rechten Parteien bei den Parlamentswahlen in Israel hat auch in der übrigen arabischen Welt große Sorge ausgelöst. »Der deutliche Stimmenzuwachs für die radikalen Kräfte der israelischen Rechten könnte negative und gefährliche Folgen für die Suche nach Frieden im Nahen Osten haben«, kommentierte die Zeitung »Al-Watan« aus Saudi-Arabien am Mittwoch. Vor allem die Unterstützung für die ultrarechte Einwandererpartei Israel Beitenu sei »besorgniserregend«. Auch die libanesische Zeitung »Al-Safir« interpretierte das Wahlergebnis als Beweis für die Radikalisierung der israelischen Gesellschaft. »Es zeigt, dass die überwältigende Mehrheit der Israelis den Frieden mit den Arabern einfach nicht will.« AFP/dpa

****** Aus: Neues Deutschland, 12. Februar 2009


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