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Beihilfe zum Massenmord

Deutsche Regierung verschenkt potentielle Atomwaffenträger an Israel

Von Knut Mellenthin *

Der israelische Markt für deutsche U-Boote scheint unbegrenzt. Das fünfte Exemplar wurde am Montag in Kiel getauft und offiziell übergeben, die Lieferung eines sechsten wurde im März vorigen Jahres vereinbart. Darüber hinaus ist die Bestellung von drei weiteren offiziell »angedacht«.

Kein anderes Land der Welt hat im Verhältnis zur Länge seiner Küstenlinie – gerade mal 273 Kilometer – eine derart hohe Zahl von U-Booten. Aber schließlich sind die deutschen Angebote wirklich verlockend: Dreieinhalb der sechs bisher ausgelieferten oder bestellten U-Boote bekam Israel komplett geschenkt. Für den verbleibenden israelischen Anteil wurden günstige Zahlungsfristen und Kompensationsgeschäfte über den Verkauf israelischer Militärtechnologie an Deutschland vereinbart.

Die sechs genannten U-Boote werden zwar meist unter dem Namen Dolphin-Klasse zusammengefaßt. Tatsächlich stellen aber die Schiffe vier bis sechs eine erhebliche technische Weiterentwicklung gegenüber den drei früheren dar. Gelegentlich werden sie deshalb auch als Dolphin-II-Klasse bezeichnet. Ihre Herstellungskosten liegen deutlich über denen der älteren Schiffe. Hervorgehoben wird, daß sie ein anderes Antriebssystem haben, das es ihnen ermöglicht, längere Strecken als bisher ohne Auftauchen zu fahren. Die Dolphin-U-Boote werden zu den modernsten der Welt gezählt. Als wichtiger Vorteil gilt, daß sie besonders leise und daher sehr schwer zu orten sind.

Über die Lieferung an die israelischen Kriegsmarine war schon in den 1980er Jahren ein Vertrag geschlossen worden. Diesem zufolge hätte Israel für die Schiffe – vereinbart waren zunächst nur zwei – allerdings bezahlen müssen. Tel Aviv kündigte deshalb 1990 im günstigsten Moment, als sich nach der Besetzung Kuwaits der zweite Golfkrieg bereits abzeichnete, das Abkommen und nahm dafür sogar eine hohe Konventionalstrafe in Kauf. Der Trick lohnte sich, denn in dieser Situation machte Deutschland die beiden U-Boote wenige Monate später dem israelischen Militär zum Geschenk und übernahm zusätzlich auch noch die Hälfte der Kosten für ein drittes.

Bevor das erste Schiff ausgeliefert war, wurde schon spekuliert, daß die U-Boote der Dolphin-Klasse mit Atomwaffen ausgerüstet werden können. Der Verdacht macht sich daran fest, daß vier der insgesamt zehn Torpedorohre auf Wunsch der Israelis einen größeren Durchmesser haben als die übrigen. 1999 antwortete die Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Angelika Beer, daß eine nukleare Bewaffnung durch Israel nicht auszuschließen sei. Alle deutschen Regierungen seither haben sich auf den Standpunkt gestellt, daß sie dieser Aspekt nicht interessiert. So sagte der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Philipp Mißfelder: »Die endgültige Entscheidung, wie die U-Boote ausgestattet werden, trifft nicht die Bundesregierung, sondern allein die israelische Regierung. Das haben wir zu respektieren.«

Ob Tel Aviv die Dolphin-Schiffe wirklich nuklear bewaffnet hat, und wenn ja, mit welchen Raketen oder Cruise Missiles, ist jedoch – wie fast alles rund um Israels Atomarsenal – unbekannt. Daß die israelische Regierung mit Bluffs arbeitet, ist als Möglichkeit stets mitzudenken. Und die vor einigen Jahren lancierte Meldung, Israel halte im Rotationsverfahren stets eines dieser U-Boote im Persischen Golf bereit, läßt sich aus rein technischen Gründen ins Reich der psychologischen Kriegführung verweisen.

* Aus: junge Welt, Freitag, 3. Mai 2013


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