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Gesponsorte Atomwaffenträger

Schwarz-gelbe U-Boot-Deals mit Israel stehen »in der Kontinuität der Vorgängerregierungen«

Von René Heilig *

Deutschland lieferte und liefert modernste U-Boote an Israel. Am Wochenende warnte der »Spiegel« davor, dass die Angriffsboote atomar bestückt werden können. Reichweite 1500 Kilometer. Was ist neu an dieser Nachricht? Nicht viel, und das macht die Sache noch schlimmer.

Im Juli 1999 hatte die britische Fachzeitschrift »Janes Defense Weekly« sich verwundert darüber gezeigt, dass die in Kiel gebauten israelischen »Dolphin«-U-Boote mit sechs 533-mm- und mit vier 650-mm-Torpedorohren ausgerüstet sind. Die damalige Grünen-Verteidigungsexpertin Angelika Beer fragte bei der Regierung nach und erfuhr: Die ungewöhnlichen 650-mm-Rohre »sind für den Verschuss von konventionellen Seeziel-Flugkörpern des Typs ›Sub Harpoon‹ ... ausgelegt«.

Beer ließ nicht locker, immerhin ist Israel eine Atommacht in einem der heißesten Spannungsgebiete der Welt. Im September 1999 fragte die heutige Piratin: »Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die 650-mm-Rohre nuklear bestückt werden können?« Antwort: »Die Bundesregierung kann letztlich keine Bestückung ausschließen, zu der die Betreibermarine nach entsprechender Umrüstung der Boote auf Grund der technischen Fähigkeiten im eigenen Lande oder mit fremder Unterstützung in der Lage wäre.« Die Antwort stützte sich auf eine interne Analyse technischer Möglichkeiten durch das Bundesministerium der Verteidigung.

Der zuständige Minister hieß damals Rudolf Scharping, er gehört der SPD an. Und gleich ihm saßen in mehreren Regierungen verschiedene seiner Parteikollegen im geheimen Bundessicherheitsrat, der die Israel-Geschäfte abgesegnet hat. Da mutet es schon ein wenig seltsam an, dass SPD-Außenpolitiker Rolf Mützenich nun, da der »Spiegel« das seither permanent debattierte U-Boot-Bewaffnungsthema mit technischen Details auffrischte, »Aufklärung« verlangt. Etwas geschickter stellte sich Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin an. Er war zu Zeiten, da Fraktionskollegin Beer nach den dicken Rohren fragte, Regierungsmitglied. Eine Mitverantwortung für den Export von (möglicherweise) maritimen Nuklearwaffenträger blendet er aus. Statt dessen wirft er der aktuellen Bundesregierung vor, dass sie bei den nun anstehenden U-Boot-Lieferungen die eigenen Bedingungen »nicht ernst nimmt«. So habe sie die Lieferung des letzten von insgesamt drei »Dolphins« davon abhängig gemacht, »dass die israelische Siedlungspolitik geändert, der Bau eines Klärwerks in Gaza ermöglicht und die Rückzahlung palästinensischen Geldes an die Palästinenser-Behörde endlich vollzogen wird.« Israel habe jedoch nur die dritte Bedingung erfüllt.

»Aggressive Gegner in der Region machen es notwendig, dass unsere Freunde sich schützen müssen.« Dabei helfe man zu Recht, »weil Israel Teil unserer Wertegemeinschaft ist und wir die einzige plurale Demokratie im Nahen Osten unterstützen wollen«, gab der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder zum Besten. Dagegen hält Linksfraktionschef Gregor Gysi die Lieferung von U-Booten an Israel für »genauso indiskutabel wie jede Waffenlieferung in den Nahen Osten«.

Die Stimme verhallt wie entsprechende Linksfraktionsanträge im Bundestag. Regierungssprecher Steffen Seibert gab gelassen kund: »Die Bundesregierung steht mit der Lieferung von U-Booten an Israel in der Kontinuität ihrer Vorgängerregierungen.« Stimmt. Seit Adenauers Kanzlerschaft ist man mit Israel in großzügigen Waffendeals vereint. Damit die Geschäfte boomen, nimmt man die Steuerzahler aus.

Die ersten beiden Boote waren ein Geschenk, das dritte wurde »halbe-halbe« bezahlt, das vierte Boot sponsorte man zu einem Drittel. Mit 900 Millionen Euro hat die Bundesrepublik die Beschaffung von fünf »Dolphins« durch Israel direkt subventioniert. Indirekt floss mehr Geld, da die Bundeswehr in Israel High-Tech einkaufte und damit Israel auch Devisen zukommen ließ, die das Land für U-Boot-Beschaffungen verwenden konnte.

* Aus: neues deutschland, Dienstag 5. Juni 2012


Zu allem fähig

Von René Heilig **

Es gibt für viele Gründe, weshalb deutsche U-Boote unter der Flagge Israels fahren. Für den Kunden ist wichtig: Es gibt keine besseren in dieser Klasse. Besonders die mit Brennstoffzellen ausgestatteten »Dolphin«-Boote sind zu allem fähig. Und weil aus dem deutschen Etat gesponsort - bekommt man derartiges nirgends so billig. Dass man auf die Verschwiegenheit der Exporteure bauen kann, ist belegt.

Und was hat Deutschland vom U-Boot-Deal? Gerade vor dem Hintergrund jüngerer deutscher Geschichte kann Berlin beweisen, wie ernst man es mit dem Existenzrecht Israels nimmt. Zugleich bietet die deutsche Zahlungsbeihilfe Chancen, Israel kleine Zugeständnisse gegenüber den Palästinensern abzuhandeln. In diesem Bereich reichen kleinste Erfolge, um außenpolitisches Gewicht zu unterstreichen. Da die deutsche Marine mangels finanzieller Möglichkeiten immer weniger als Werbeträger deutscher Produkte fährt, sind die »Dolphins« eine willkommene Referenz für deutsche Ingenieurkunst. Wenn man beispielsweise der französischen Konkurrenz Aufträge wegschnappt, freut das die unter Auftragsflaute leidenden Werftkonzerne wie deren Arbeiter. Auch die Gewerkschaften sagen brav danke. Rüstungsexport ist zudem keine Einbahnstraße. Israel begleicht einen Teil des verbleibenden Kaufpreises mit Waffen und Gerät. Die Bundeswehr wäre ohne geleaste Heron-Drohnen in Afghanistan noch übler dran.

Was immer man noch aufzählen mag - kein Grund kann den Export von Waffen rechtfertigen. Schon gar nicht in ein Krisengebiet.

** Aus: neues deutschland, Dienstag 5. Juni 2012 (Kommentar)


Geheuchelte Empörung

Von Knut Mellenthin ***

Die deutsche Bundesregierung interessiert sich nicht dafür, ob Israel seine in Deutschland gebauten U-Boote, von denen es zwei sogar als Geschenk erhielt, als Träger für seine Atomwaffen nutzt. Zu einer entsprechenden Titelgeschichte in der jüngsten Ausgabe des Spiegel erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert dem Hamburger Nachrichtenmagazin: »Die Bundesregierung steht mit der Lieferung von U-Booten an Israel in der Kontinuität ihrer Vorgängerregierungen. Die Lieferung erfolgt ohne Bewaffnung; an Spekulationen über die spätere Bewaffnung beteiligt sich die Bundesregierung nicht.«

Vier U-Boote hat Israel bisher von der Werft HDW in Kiel geliefert bekommen, das letzte Anfang Mai. Zwei weitere sind bestellt. Pressemeldungen zufolge erwägt die israelische Regierung sogar noch die Anschaffung von drei weiteren Booten aus Deutschland. Aus dem Bundeshaushalt wurden die Käufe bisher mit mehr als einer Milliarde Euro bezuschußt.

Seit mindestens zehn Jahren wird immer wieder berichtet, daß Israel die deutschen U-Boote mit atomar bestückten Marschflugkörpern ausgerüstet habe, die eine Reichweite von rund 1500 Kilometern haben sollen. Offiziell wurde das bisher nicht bestätigt. Die israelische Regierung lehnt es generell ab, Auskunft über den Umfang ihres Atomwaffenarsenals zu geben. Schätzungen liegen zwischen 80 und 200 Stück auf Trägersystemen zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Der Spiegel meint indessen, Beweise für die atomare Ausrüstung der U-Boote zu haben.

Mit scheinbarer Überraschung reagierte die SPD auf den Bericht des Nachrichtenmagazins. Spiegel online zitierte am Montag den Bundestagsabgeordneten Rolf Mützenich mit den Worten: »Bisher wurden die Lieferungen unter anderem damit gerechtfertigt, daß die U-Boote konventionelle Abschreckungssysteme sind.« Daher müsse die Bundesregierung jetzt endlich darüber Auskunft geben, ob die Informationen zutreffen, wonach die von Deutschland gelieferten U-Boote auch mit Trägersystemen ausgerüstet werden können, die atomare Sprengköpfe tragen.

Allgemein bekannt und von niemandem bestritten ist jedoch, daß dies technisch möglich wäre. Die Schiffe wurden auf speziellen israelischen Wunsch so gebaut, daß sie neben sechs normalen Torpedorohren auch vier Rohre mit einem größeren Durchmesser haben, durch den Marschflugkörper abgeschossen werden könnten. Mützenich wäre gut beraten, sich über den Sachverhalt und alle Hintergründe des Geschäfts in seiner eigenen Partei zu erkundigen: Die Vereinbarungen über den Bau des vierten und fünften U-Boots wurden 2005 ausgehandelt, als Peter Struck Verteidigungsminister und Gerhard Schröder Bundeskanzler waren.

Dessen Regierung war auch zuständig für die Einleitung eines weiteren Waffengeschäfts, das Spiegel online am Montag »enthüllte«, obwohl es seit Jahren bekannt und schon seit 2009 nicht mehr aktuell ist: die geplante Lieferung deutscher U-Boote an Pakistan. Es handelte sich dabei zwar um einen anderen Typ als den an Israel gelieferten, doch wollten Experten damals nicht ausschließen, daß Pakistan die Schiffe zu Abschußstationen nuklearer Marschflugkörper umbauen wolle und könne. Vor drei Jahren entschied sich die Regierung in Islamabad jedoch für ein kostengünstigeres französisches Konkurrenz­angebot.

*** Aus: junge Welt, Dienstag 5. Juni 2012


"So etwas rutscht nicht einfach durch"

Berlin muß von Anfang an gewußt haben, daß Israel deutsche U-Boote atomar bestücken will. Gespräch mit Jan van Aken ****

Jan van Aken ist stellvertretender Vorsitzender der Linkspartei und Abrüstungsexperte der Bundestagsfraktion.


Der neue Spiegel bringt als Titelgeschichte die »Sensation«, daß Israel die von Deutschland gelieferten U-Boote zu Trägern von atomar bestückten Mittelstreckenraketen umrüstet. Neu ist das nicht; die junge Welt hat das seit vielen Jahren immer wieder berichtet. Wissen Sie Konkretes?

Was die Israelis genau vorhaben, läßt sich bislang nur vermuten – Tatsache ist jedoch, daß diese Fahrzeuge mit großen Torpedorohren des Kalibers 650 mm ausgerüstet sind. Die sind für klassische Torpedos zu groß – es lassen sich damit aber Mittelstreckenraketen oder Marschflugkörper verschießen. Da die Israelis über Atomwaffen verfügen, war es auch der Bundesregierung von Anfang an klar, daß deutsche Technik auch für atomare Angriffe eingesetzt werden könnte.

Die großen Torpedorohre reichen allerdings nicht aus – sie müssen durch eine spezielle Abschußvorrichtung für Mittelstreckenwaffen ergänzt werden. Es war immer unklar, ob die Israelis diese Technik beherrschen und ob sie sie tatsächlich auch in die deutschen U-Boote eingebaut haben. Aber ich denke mal, wir können davon ausgehen, daß das passiert ist. Ansonsten würden diese großkalibrigen Rohre wenig Sinn machen.

Schon vor Jahren ist berichtet worden, Israel habe im Indischen Ozean von einem der aus Deutschland gelieferten U-Boote einen Testschuß mit einer Mittelstreckenrakete absolviert ...

Was dort genau abgelaufen ist, weiß ich nicht – aber da die größeren Torpedorohre schon bei der HDW-Werft in Kiel eingebaut worden waren, dürfte von vornherein klar gewesen sein, welchem Zwecke das dient. Ich bin mir sicher, daß die Entscheidung für diesen Deal mit Israel an höchster Stelle getroffen worden ist – und man wußte genau, worum es ging. So etwas rutscht nicht einfach durch.

Die U-Boote gehören übrigens der Dolphin-Klasse an – ein Typ, der u. a. von Brennstoffzellen angetrieben wird. Dadurch kann das Boot weiträumig operieren, sehr lange unter Wasser bleiben, und es ist vor allem leise, was seine Ortung erschwert.

In welchem Maße arbeiten Israel und die BRD militärisch zusammen?

Ganz eng und zwar in beiden Richtungen. Die Drohnen, die die Bundeswehr in Afghanistan einsetzt, wurden zum Teil aus Israel geliefert, es gibt auch andere Kooperationen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß Deutschland die bislang gelieferten U-Boote zum Teil an Israel verschenkt hat. Das jetzt in Auftrag gegebene sechste Boot wird von der Bundesregierung mit 135 Millionen Euro bezuschußt. Das Gesamtvolumen der Aufträge liegt bei über 2,3 Milliarden Euro.

Diese U-Boote sind offenbar Spitzenprodukte der deutschen Rüstungstechnik. Gibt es noch weitere Renner auf dem Weltmarkt dieser Art?

Die deutsche Rüstungsindustrie hat viele Produkte im Angebot, die weltweit sehr begehrt sind. Z.B. das Sturmgewehr G36 von Heckler & Koch, das überall nachgefragt wird. Oder der Leopard-II-Panzer, mit dem sich das verschuldete Griechenland ausgestattet hat – von diesem Modell sollen bekanntlich auch 250 Stück nach Saudi-Arabien geliefert werden. Die gelten als der Goldstandard unter den Kampfpanzern.

Die Rüstungsexporte sind seit der SPD/Grünen-Regierung drastisch gestiegen. Wie ist der jetzige Stand?

Egal welche Regierung dran ist, egal in welcher Farbkombination: Sie steigen und steigen und steigen. Wir haben ausgerechnet, daß im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre Rüstungsexportgenehmigungen im Wert von jährlich 6,9 Milliarden Euro erteilt wurden.

Es wird immer wieder berichtet, Israel erwäge einen Angriff auf den Iran. Die Vorbereitung von Angriffskriegen ist laut Grundgesetz allerdings verboten – müßte das nicht auch für die Beihilfe dazu gelten? Anders als »Beihilfe« kann man derartige Waffengeschäfte doch wohl nicht bewerten.

Ein Angriffskrieg hat noch nicht stattgefunden – und daß er vorbereitet wird, ist eine Vermutung, die zwar wahrscheinlich zutrifft, aber nicht nachgewiesen werden kann. Kriegerische Rhetorik allein reicht nicht, um das Bundesverfassungsgericht einzuschalten. Zweitens würde einem sofort das Argument entgegengehalten, die israelische Rüstung diene lediglich der Selbstverteidigung – diese Argumentationsmuster kennen wir aus dem Afghanistan-Konflikt. Egal, wie falsch diese Begründung ist, juristisch kann man sich damit kaum gegen solche Rüstungsvereinbarungen wehren – wir müssen politisch dagegen angehen.

**** Aus: junge Welt, Dienstag 5. Juni 2012


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