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Exklusiver Besitzanspruch

Hintergrund. Gegen internationales Recht und UN-Charta: Zur aktuellen Debatte um den »jüdischen Staat«

Von Knut Mellenthin *

Die israelische Regierung hat einen neuen Gessler-Hut aufgestellt. Wer sich daran gewöhnt hatte, »Bekenntnisse« zum Existenzrecht Israels »abzulegen« und damit schon seine Pflicht getan zu haben meinte, wird umdenken müssen. Inzwischen wird zusätzlich gefordert, Israel auch die Anerkennung als »jüdischer Staat« und »Nationalstaat des jüdischen Volkes« auszusprechen. US-Präsident Barack Obama hat die neue Sprachregelung sofort akzeptiert und zum festen Bestandteil seiner Reden gemacht. Die meisten seiner westlichen Kollegen verhalten sich vorläufig zögerlicher oder haben den neuen Trend vielleicht noch gar nicht mitbekommen.

In erster Linie richtet sich die israelische Forderung ohnehin an die Palästinenser. Ihre offizielle Vertreterin, die PLO, hat das Recht Israels, »in Frieden und Sicherheit zu existieren«, schon 1993 schriftlich anerkannt, und das schien damals auch vollauf zu genügen. Eine vergleichbare Erklärung gegenüber den Palästinensern verweigert Israel bis heute. Mit der neuen Forderung hat sich Benjamin Netanjahu, der die rechteste Regierung seit der Staatsgründung 1948 führt, dennoch einen propagandistischen Vorteil verschafft: Es kann nun wieder so getan werden, als seien es die Palästinenser, die jeden Fortschritt des »Friedensprozesses« blockieren, indem sie eine einfache und eigentlich selbstverständliche Bringeschuld nicht einlösen. Das entspricht zwar nicht den Tatsachen, wirkt aber zumindest bei Spielen auf eigenem Platz wie ein Befreiungsschlag.

So sprach Netanjahu am 24. Mai vor dem US-amerikanischen Kongreß: »Wenn die Vorteile eines Friedens mit den Palästinensern so klar sind, warum haben wir noch keinen Frieden? (…) Weil die Palästinenser bis jetzt nicht bereit waren, einen palästinensischen Staat zu akzeptieren, wenn das bedeutet, daß sie daneben einen jüdischen Staat akzeptieren müssen. Unser Konflikt ging niemals um die Schaffung eines palästinensischen Staates. Er ging immer um die Existenz des jüdischen Staates. Nur darum geht es in diesem Konflikt.« – Langanhaltender Beifall der Abgeordneten und Senatoren dankte dem Redner.

Verfälschte Geschichte

Erstmals hatte Netanjahu das Thema in seiner berühmten Rede in der Bar-Ilan-Universität am 14. Juni 2009 ins Spiel gebracht: »Die schlichte Wahrheit ist, die Wurzel des Konflikts lag und liegt in der Weigerung, das Recht des jüdischen Volkes auf einen eigenen Staat in ihrem geschichtlichen Heimatland anzuerkennen. 1947, als die Vereinten Nationen die Teilung in einen jüdischen und einen arabischen Staat vorschlugen, lehnte die gesamte arabische Welt diese Resolution ab. Im Gegensatz dazu begrüßte die jüdische Gemeinschaft diese Entscheidung, indem sie tanzte und feierte.«

Eine schöne Geschichte, aber sie stimmt nicht: Der rechte Flügel der zionistischen Bewegung, aus dem Netanjahus eigene Likud-Partei hervorging, lehnte die Teilungsresolution explizit ab und erklärte in eindeutigen Worten, daß er sich daran keinesfalls gebunden fühle. Im übrigen ist in der politischen Plattform des Likud auch heute immer noch festgeschrieben, daß es niemals einen Palästinenserstaat »westlich des Jordan« geben darf. Die etwas gewundene Formulierung weist auf die Ansicht vieler Zionisten und ihrer rechten Freunde wie beispielsweise Geert Wilders hin, daß die Palästinenser ihren Staat, wenn sie denn unbedingt einen haben wollen, gefälligst in Jordanien gründen sollen, aber nicht im »geschichtlichen Heimatland des jüdischen Volkes«, das natürlich die seit 1967 besetzten Gebiete einschließt.

Berühmt wurde Netanjahus Rede in der Bar-Ilan-Universität dadurch, daß er abweichend von der Plattform des Likud zum allerersten Mal die Bildung eines palästinensischen Staates grundsätzlich zu akzeptieren schien. Allerdings machte er das von mehreren Bedingungen abhängig. Erstens: »Die Palästinenser müssen Israel klar und unzweideutig als Staat des jüdischen Volkes anerkennen.« Und weiter: »Der zweite Grundsatz ist die Entmilitarisierung. Das unter palästinensischer Kontrolle stehende Territorium muß entmilitarisiert sein, mit absolut unangreifbaren Sicherheitsvorkehrungen für Israel.«

Der israelische Premierminister erläuterte in seiner Rede auch, wie er das meint: keine palästinensischen Streitkräfte, keine Kontrolle der Palästinenser über ihren eigenen Luftraum und über die Grenzen ihres Gebietes. Ein Staat also ohne wirkliche Souveränität, dafür aber – wie Netanjahu anscheinend ohne jeden Zynismus sagte – mit eigener Fahne und eigener Nationalhymne. Im weiteren sprach er von der Notwendigkeit »verteidigungsfähiger Grenzen«, worunter neben der Annektion der großen Siedlungsblöcke zumindest eine »langfristige militärische Präsenz entlang des Jordan« verstanden wird, und davon, daß Jerusalem »die ungeteilte Hauptstadt Israels« bleiben müsse.

Im Grunde ist das kaum mehr als der derzeitige Zustand, nur mit der Maßgabe, daß die Palästinenser ihn auch noch als endgültig und gerecht akzeptieren sollen.

Netanjahu hat bei anderen Gelegenheiten, so beispielsweise bei seiner Ansprache an den Vorstand der Jewish Agency am 28. Juni dieses Jahres, seine Bedingungen noch präziser und schärfer formuliert. Vor allem setzte er dort das »Flüchtlingsproblem« hinzu: Die Palästinenser müßten definitiv anerkennen, daß dieses nur auf dem Boden eines palästinensischen Staates und keinesfalls in Israel gelöst werden könne und dürfe.

»Es ist unser Heimatland«

Immer wieder hat der israelische Regierungs­chef in seinen Reden deutlich gemacht, daß er mit der Anerkennung Israels als »jüdischer Staat« auch die Übernahme des gesamten zionistischen Narrativs von der »Rückkehr des jüdischen Volkes in sein geschichtliches Heimatland« meint. Demzufolge müßten die Palästinenser als Grundvoraussetzung jeder »Friedensregelung« erst einmal anerkennen, daß Juden in New York, Paris oder Berlin zumindest ebenso viel Recht auf die Westbank oder Ostjerusalem haben wie sie selbst.

Diesem Narrativ zufolge gibt es im übrigen gar keine besetzten Gebiete, da »Judäa und Samaria« – die offizielle Bezeichnung für die Westbank – nicht weniger, sondern eher sogar noch mehr Teil des »geschichtlichen Heimatlandes« sind als beispielsweise Tel Aviv. Denn letzteres ist erst eine neuzeitliche zionistische Gründung, deren Wurzeln nur bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen. Dagegen sind Städte und Stätten der Westbank wie Hebron selbstverständlich Teil der mehrtausendjährigen jüdischen Geschichte und Religion. Die entscheidende Frage ist jedoch, welche praktischen und rechtlichen Schlußfolgerungen daraus für die Gegenwart und Zukunft gezogen werden.

Netanjahu am 14. Juni 2009 in der Bar-Ilan-Universität: »Judäa und Samaria sind nichts Fremdes für uns. Dies ist das Land unserer Vorväter. (…) Unser Recht, hier, im Lande Israel, unseren souveränen Staat aufzubauen, ergibt sich aus einer einfachen Tatsache: Dies ist das Heimatland des jüdischen Volkes, hier wurde unsere Identität geformt.«

Netanjahu am 24. September 2009 vor der UN-Vollversammlung: »Gerade so, wie man von uns verlangt, einen Nationalstaat des palästinensischen Volkes anzuerkennen, müssen die Palästinenser aufgefordert werden, den Nationalstaat des jüdischen Volkes anzuerkennen. Das jüdische Volk ist kein ausländischer Eroberer in diesem Land. Dies ist das Land unserer Vorväter. (…) Wir sind keine Fremden für dieses Land. Es ist unser Heimatland.«

Aus dieser Sicht erfüllt Israel nicht etwa eine eindeutige Pflicht, die sich aus dem internationalen Recht und der UN-Charta ergibt, falls es vielleicht irgendwann einmal Teile der besetzten Westbank räumt, sondern würde »einen sehr schmerzlichen historischen Kompromiß eingehen«, wie Netanjahu es in seiner Rede vorm Vorstand der Jewish Agency am 28. Juni formulierte. Von »großen Zugeständnissen« und »schweren Risiken« ist in diesem Kontext jedes Mal und unvermeidlich die Rede, wenn es in Wirklichkeit nur um unzureichende Überlegungen geht, die mindestens 30 bis 40 Prozent der Westbank langfristig oder dauerhaft unter israelischer Kontrolle lassen würden.

Kein einziger Politiker des zionistischen Parteienkartells hat der israelischen Bevölkerung und darüber hinaus den Juden in aller Welt jemals die schlichte, aber harte Wahrheit zugemutet, daß sich aus der Zugehörigkeit Israels zur internationalen Gemeinschaft und zu den Vereinten Nationen selbstverständlich auch die Respektierung der UN-Charta ergibt. Und die verbietet nun einmal die Annektion von kriegerisch erobertem Land, ganz gleich, welche geschichtlichen Ansprüche dafür rechtfertigend ins Feld geführt werden mögen.

Wer sind »die Juden«?

Derartige Ansprüche, wie ehrwürdig, respektabel und sympathisch sie im einzelnen auch immer erscheinen mögen, höher zu stellen als das internationale Recht, würden die Welt in ein Schlachtfeld von objektiv irrationalen und destruktiven Forderungen verwandeln. Die Griechen, beispielsweise, hätten mindestens ebenso viel Recht wie die Zionisten, wenn sie das heute türkische Ostufer des Ägäischen Meeres als Teil ihres »geschichtlichen Heimatlandes« und »Land ihrer Vorväter« einfordern würden, in dem die »Identität ihrer Nation« geformt wurde. Griechen lebten hier ohne Unterbrechung fast 3000 Jahre lang bis zu ihrer gewaltsamen Vertreibung im 20. Jahrhundert – und damit eindeutig sogar länger als die Juden in Israel. Wesentliche Impulse zur Geistesgeschichte des antiken Griechenland kamen aus diesem Gebiet.

Was der Begriff »jüdischer Staat«, dessen Anerkennung jetzt unbedingt gefordert wird, überhaupt bedeutet, ist ungeklärt und vermutlich sogar auf Dauer unklärbar. Schon die Frage, was »die Juden« sind – eine Religionsgemeinschaft, eine Nationalität, beides zusammen oder vielleicht auch etwas darüber Hinausreichendes oder jeweils etwas ganz Individuelles, persönlich Bestimmbares – ist ebenso strittig, wie (zumindest in Israel) die Frage, wer denn nun eigentlich Jude ist und wer nicht. Scheinbar klar ist nur die sogenannte halachische Definition: Jude ist das Kind einer jüdischen Mutter – sofern dieser Mensch nicht später zu einer anderen Religion übergetreten ist – oder eine zum jüdischen Glauben konvertierte Person. Selbst diese Definition ist aber keineswegs eindeutig, da die Frage, ob die Mutter wirklich Jüdin im Sinne der Halacha war oder ob der Rabbi, der die Konversion vollzog, wirklich dazu berechtigt war, eine ganze Reihe weiterer Probleme aufwirft.

Man könnte den Begriff »jüdischer Staat« durchaus und mit einigem Recht dahingehend interpretieren, daß dort jüdische Religiosität im traditionellen Sinn vorherrschend und großenteils auch rechtschaffend sein müßte. Nach Ansicht von Beobachtern entwickelt sich Israel zwar tatsächlich stark in diese Richtung, doch ist das sicher nicht der überwiegend gemeinte Sinn des Begriffs, zumal wenn man über Israel hinaus die Juden in aller Welt einbezieht. Vielleicht könnte man den »jüdischen Staat« auch so verstehen, daß dort die jüdische »Leitkultur« die maßgebende Rolle spielt. Viel weiter wäre man damit jedoch auch noch nicht, da der Inhalt dieser »Leitkultur« alles andere als eindeutig festgelegt oder wenigstens ungefähr skizzierbar ist. Letztlich aber bedeutet »jüdischer Staat« als kleinster gemeinsamer Nenner vielleicht nur, daß dort »Juden« – alle Probleme bei der Definition dieses Begriffs einmal beiseite gelassen – auch künftig die Bevölkerungsmehrheit behalten sollen, weil Juden »das Recht auf einen Staat haben, in dem sie die Mehrheit stellen«, wie Gregor Gysi es am 1.Juli dieses Jahres im Bundestag formulierte.

Ein Kampfbegriff

Es gibt weltweit keinen anderen Staat, der von irgendjemand verlangt, in einer spezifischen Identität religiöser oder völkischer Art anerkannt zu werden. Einige Länder formulieren ihren Anspruch im Namen, wie etwa die »Islamische Repubik« Iran. Aber nicht einmal diese verlangt für ihr Selbstverständnis eine Form von internationaler Anerkennung. Sofern die Bevölkerung eines Landes multinational, multikonfessionell oder auch nur multikulturell zusammengesetzt ist, würde die Forderung nach offizieller Anerkennung irgendeiner Mehrheitsidentität wahrscheinlich auf allgemeine internationale Ablehnung stoßen. Wer würde den Libanon als »islamischen Staat«, Spanien als »katholischen Staat« oder Pakistan als »sunnitischen Staat« ausdrücklich anerkennen oder auch nur zu Schritten in diese Richtung ermutigen wollen? In diesen Fällen werden derartige Forderungen allerdings auch gar nicht erst gestellt. Es wäre offensichtlich ein Spiel mit dem Feuer. Dabei ist Pakistan ebenso zu 80 Prozent sunnitisch wie Israel zu 80 Prozent jüdisch ist.

Der Kampfbegriff »jüdischer Staat« – wie immer er sonst noch verstanden werden mag– steht in bewußtem Gegensatz zu Konzeptionen, die Israel in einen Staat seiner Bürger, aller seiner Bürger, mit gleichen Rechten für alle, umwandeln wollen. Er schreibt die Vorherrschaft eines Bevölkerungsteil fest und strebt tendenziell die Schaffung eines homogenen, ausschließlich jüdischen Staatsvolkes an. Die Parole des »jüdischen Staates« dient darüber hinaus zur Legitimierung von Gesetzen und Maßnahmen, die die »jüdische Identität« des Staates stärken sollen: Angefangen beim obligatorischen Hissen der Fahne und dem Absingen der Nationalhymne schon in den Kindergärten, bis hin zur Idee eines Schwurs auf den »jüdischen Staat«, den alle arabischen Bürger ablegen sollen. Eine Palästinenserführung, die das offiziell anerkennen würde, hätte jede politische Glaubwürdigkeit verloren.

Vertreibungsdiskurs

Mit der darüber noch hinausgehenden Forderung nach Anerkennung Israels als »Nationalstaat des jüdischen Volkes« wird den Palästinensern zugleich ein Bekenntnis zum vollen Programm des Zionismus abverlangt. Das schlösse selbstverständlich auch die Anerkennung des »Rückkehrgesetzes« ein, das jedem Juden auf der Welt die Niederlassung in Israel erlaubt, selbst wenn seine Vorfahren nicht einmal vor 1000 Jahren dort gelebt haben sollten. Zugleich sollen die Palästinenser aber auf das Rückkehrrecht ihrer eigenen Flüchtlinge und deren Nachkommen verzichten, obwohl dieses Recht in der niemals aufgehobenen Resolution 194 der UN-Vollversammlung vom 11. Dezember 1948 ausdrücklich garantiert wurde. Israels Zustimmung zu dieser Resolution war damals eine Bedingung für die Aufnahme des jungen Staates in die Vereinten Nationen.

Der Anspruch auf einen »jüdischen Staat«, der nur durch eine dauerhafte jüdische Mehrheit im Lande zu sichern ist, hat zudem dem offensichtlichen Kollateralschaden einer obsessiven Beschäftigung mit der »demographischen Zeitbombe«, wie man dort ganz geläufig sagt und schreibt. Regelmäßig werden in den israelischen Medien Analysen veröffentlicht und aufmerksam studiert, die sich mit den Zahlenverhältnissen zwischen Juden und Nichtjuden im Lande sowie mit der Entwicklung der Geburtenraten befassen. Daß dies die Bewunderung rechtspopulistischer und rechtsextremer Politiker und Parteien in Europa auf sich zieht und daß Israel von diesen Kräften geradezu in den Status eines Modells für den Umgang mit »fremden« Minderheiten und Zuwanderern erhoben wird, ist nicht verwunderlich und beruht wohl auch nicht nur auf einem Mißverständnis.

Überdies fällt auf, daß sich die in Israel angestellten demographischen Berechnungen immer auch auf die besetzten Gebiete beziehen, als wären diese bereits ein Bestandteil des Staatsgebietes. Nur wenn man diese Gebiete einbezieht, kann sich überhaupt die Frage stellen, ob »die Juden« irgendwann zur »Minderheit im eigenen Land« werden. In diesem Sinn warnte zum Beispiel Präsident Schimon Peres vor der Gefahr, daß Israel aufhören könne, als »jüdischer Staat« zu bestehen, wenn es sich nicht von einem Teil der besetzten Gebiete und ihrer Bewohner trennt. Man bewege sich mit hohem Tempo auf eine Situation zu, wo Israel zu einem binationalen Staat werde, so Peres laut Haaretz vom 17. Juni.

Alternativ wird in Israel schon seit vielen Jahren über einen »Transfer« der arabischen Bevölkerung diskutiert, der nach Möglichkeit nicht nur die Palästinenser der besetzten Gebiete, sondern auch das israelische Kernland einschließen soll. Es handelt sich dabei nicht lediglich um Gedankenspiele militant extremistischer Kleingruppen, sondern um einen permanenten Diskurs in der Mitte der Gesellschaft. Das übliche Modell sieht vor, Bewohner der besetzten Gebiete, aber auch des Kernlandes zur Emigration zu »ermutigen«, indem man ihnen Geldzahlungen anbietet. Gleichzeitig hofft man, den zionistischen Einfluß in einer Reihe westlicher Länder nutzen zu können, um diese zur Aufnahme der Auswanderer zu bewegen. Ein nach Außenminister Avigdor Lieberman benannter Plan sieht außerdem vor, bestimmte Gebiete Israels, die überwiegend oder nahezu ausschließlich von Arabern bewohnt werden, aus dem Staat auszugliedern und für einen »Landaustausch« gegen Teile der Westbank einzusetzen.

Das Ziel eines homogenen »jüdischen Staates« ohne nennenswerte »fremde« Minderheit ist keine Erfindung der letzten Jahre oder Jahrzehnte. Die Idee der »Abschiebung« oder des »Transfers« der arabischen Bevölkerung aus dem beanspruchten Staatsgebiet findet sich schon beim Begründer des Zionismus, Theodor Herzl, Ende des 19. Jahrhunderts, ebenso wie bei Israels späterem ersten Regierungschef David Ben Gurion in den 1930er Jahren. Selbstverständlich kann man über den »jüdischen Staat« auch rein theoretisch diskutieren, ohne diese Realität zu beachten. Aber politisch vernünftig ist das nicht.

* Aus: junge Welt, 11. August 2011


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