Mehr Hoffen als Drängen
Washington wünscht diplomatischen Erfolg
Von Max Böhnel, New York *
Auch das zweite Treffen des US-amerikanischen Nahostgesandten George Mitchell mit Israels
Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu blieb am Mittwoch ergebnislos. Schon am Vortag hatte
man sich ohne Einigung im Streit um Israels Siedlungsbau in den Palästinensergebieten
voneinander getrennt. Die USA hoffen auf einen Siedlungsstopp, wodurch Friedensverhandlungen
mit den Palästinensern wieder möglich wären.
Angesichts innenpolitischer Probleme käme der Regierung Barack Obamas ein Durchbruch an der
israelisch-palästinensischen Front zupass. Wie gut würde sich ein lächelnder Präsident machen, der
seine Arme um die verfeindeten Schützlinge legt! Der medienwirksame Fototermin könnte während
der UNO-Vollversammlung am 23. oder 24. September stattfinden. In New York würde das Weiße
Haus gern die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen bei einem entsprechenden Dreiergipfel
verkünden. Doch dem steht bislang die Weigerung des palästinensischen Präsidenten Mahmud
Abbas entgegen, Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zu treffen. Denn die israelische
Regierung beschloss vor einer Woche die Fortführung von Siedlungsaktivitäten im Westjordanland.
Auch Barack Obama und Außenministerin Hillary Clinton hatten im Frühjahr gefordert, Israel müsse
den Bau der völkerrechtswidrigen Siedlungen stoppen. Doch die bisherigen Gespräche Netanjahus
mit dem USA-Sondergesandten George Mitchell blieben ohne greifbare Ergebnisse. Am Freitag will
man sich wieder treffen. Dem Vernehmen nach fordern die USA von Israel den symbolischen Stopp
der Siedlungsaktivitäten für ein Jahr. Laut Tageszeitung »Haaretz« wäre die Regierung Israels als
»Geste des guten Willens« zu einem Teilstopp im Westjordanland für sechs Monate bereit. Nicht
dazu zählt sie Ost-Jerusalem, das dem zionistischen und religiös verbrämten Konsens zufolge als
Teil der »ewigen Hauptstadt« gilt. Israelische Kommentatoren erwarten einen Kompromiss zwischen
Israel und den USA, der auf ein neunmonatiges Moratorium hinauslaufen würde.
Der amerikanisch-israelische Siedlungsexperte Jeff Halper schrieb in der in Washington
erscheinenden Zeitschrift »Merip«, ein Einfrieren der Siedlungsaktivitäten bleibe, über welchen
Zeitraum auch immer, für einen substanziellen Friedensprozess »irrelevant«. Denn der Landraub sei
in den letzten Jahren so weit fortgeschritten, dass von einem zusammenhängenden Gebiet namens
»Staat Palästina« keine Rede mehr sein könne. Wenn Washington auf eine Zweistaatenlösung
setze, müsse es über die Forderung nach einem Siedlungsstopp weit hinausgehen. Es gehe um
nichts weniger als den Abriss aller seit 1967 erbauter Siedlungen im Westjordanland und in Ost-
Jerusalem.
In der »New York Times« enthüllte eine Reportage am Montag (14. Sept.), dass die Räumung der meisten
illegal errichteten Siedlungen weniger Probleme aufwerfen würde, als dies von israelischen
Politikern gegenüber ihren USA-Kollegen gerne behauptet wird. Nur ein Bruchteil der Siedler sei
ideologisch - ultrareligiös oder rechtsextrem - motiviert. Die große Mehrheit dagegen sei aus
praktischen Gründen in die preisgünstigeren Siedlungen gezogen und würde bei entsprechender
Kompensation ohne Widerstand wieder auf israelisches Territorium zurückkehren.
Unklar blieb, ob Washington auf Israels Regierung Druck auszuüben bereit ist. Netanjahus
Weigerung, einen Siedlungsstopp zu erklären, lässt den Schluss zu, dass Washington eher »hofft«
als »anschiebt«. Ein solcher Druck müsse finanziellen Charakter haben, hieß es auf der von linken
Außenpolitikexperten betriebenen Webseite »Foreign Policy in Focus«. Anfang der 90er Jahre
verweigerte der USA-Kongress der israelischen Regierung Darlehen, solange sie den Siedlungsbau
fortsetzte. Der Druck der USA führte zum Oslo-Friedensprozess. Nach demselben Muster könne
Washington amerikanischen Rüstungsfirmen untersagen, Israel Sonderkonditionen zu gewähren,
hieß es auf der Webseite.
* Aus: Neues Deutschland, 17. September 2009
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