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Israel ist "zu einer Geste bereit"

Ausschreibungspause der Regierung für neue Siedlungen wird bis 2010 verlängert

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hat sich auf Druck der USA bereit erklärt, den Ausschreibungsstopp für den Bau neuer jüdischer Siedlungen in den Palästinensergebieten bis 2010 zu verlängern.

Netanjahu, Verteidigungsminister Ehud Barak und Bauminister Ariel Attias hätten sich darauf verständigt, Washington dies mitzuteilen, verlautete am Dienstag aus Regierungskreisen in Jerusalem. Konkret geht es um den Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem. Schon seit einem Dreivierteljahr schreibt das Bauministerium für diese Gebiete keine Aufträge mehr aus; private Bauprojekte sind davon aber nicht betroffen, und die Errichtung begonnener Siedlungen geht weiter.

Aus Sicht der israelischen Regierung gebe es keinen Grund, Spannungen im Verhältnis zu den USA heraufzubeschwören, Israel sei »zu einer Geste bereit«, sagte ein Regierungsvertreter, der nicht namentlich genannt werden wollte. Einer seiner Kollegen fügte hinzu, schon seit Netanjahus Amtsantritt habe es keine Ausschreibung des Bauministeriums mehr gegeben. In den ersten acht Monaten des vergangenen Jahres hatte Israel 417 Bauaufträge für die Siedlungen im Westjordanland und 171 für Ost-Jerusalem ausgeschrieben; 2008 hatte die Siedlungstätigkeit in den Palästinensergebieten stark zugenommen.

Die US-Regierung unter Präsident Barack Obama sieht in einem Stopp des Siedlungsbaus eine entscheidende Voraussetzung für die Wiederbelebung der Friedensgespräche mit den Palästinensern. Die Siedlungsgegner der israelischen Bewegung »Frieden Jetzt« bestätigte, schon seit Monaten schreibe das Bauministerium keine Bauaufträge mehr aus. Allerdings machten die staatlichen Aufträge im Westjordanland nur 40 Prozent der Bauarbeiten aus. Deshalb würden mindestens 60 Prozent der Bauarbeiten dort weiterlaufen, mahnte die Organisation. Derzeit leben im Westjordanland rund 300 000 jüdische Siedler, rund 200 000 weitere haben sich in einem Dutzend Siedlungen in Ost-Jerusalem niedergelassen.

Israels Blockade der Grenzübergänge zum Gaza-Streifen schließt die palästinensische Bevölkerung einer UN-Studie zufolge seit mehr als zwei Jahren von der Außenwelt ab. »Die Blockade sperrt 1,5 Millionen Menschen in einer der am dichtesten bevölkerten Regionen der Welt ein«, heißt es in einer Untersuchung des UNO-Büros für die Koordination von Nothilfe in New York. Die Maßnahme habe die Palästinenser ihres Lebensunterhalts beraubt, zu einer Energie-, Wasser- und sanitären Krise geführt und die Nahrungsmittelversorgung gefährdet. Durch den Import- und Exportstopp seien etwa 120 000 Jobs weggefallen.

* Aus: Neues Deutschland, 19. August 2009


Obama hofft auf Durchbruch in Nahost

Zuversicht nach Treffen mit Mubarak **

US-Präsident Obama ist zuversichtlich, dass im Nahost-Friedensprozess ein Durchbruch erzielt werden kann.

Es gebe ermutigende Anzeichen für Fortschritte, sagte Barack Obama nach einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in Washington. Als Beispiele nannte er die jüngste Mitteilung der israelischen Regierung, wonach seit Monaten keine neuen Genehmigungen für Siedlungen im Westjordanland erteilt worden sind. Obama führte außerdem Verbesserungen bei den palästinensischen Sicherheitskräften und der Wirtschaft im Westjordanland und die Entfernung mehrerer israelischer Kontrollposten an.

Der US-Präsident dankte Mubarak bei einem gemeinsamen Presseauftritt für dessen konstruktive Rolle bei den Bemühungen um eine israelisch-palästinensische Friedensvereinbarung. Der ägyptische Staatschef sagte weitere Unterstützung zu. Es war der erste Washington-Besuch Mubaraks seit fünf Jahren. Mubarak und Obama waren sich erstmals am 4. Juni in Kairo begegnet, als Obama dort seine »Rede an die islamische Welt« hielt. Dabei hatte er auch Israel mit klaren Worten aufgefordert, die Siedlungspolitik in den Palästinensergebieten zu beenden.

»Ich bin ermutigt über einige der Dinge, die ich (...) sehe«, so Obama. »Es hat Bewegung in die richtige Richtung (...) gegeben.« Wenn alle Seiten bereit seien, »sich aus dem alten Trott zu lösen, in dem wir uns gegenwärtig befinden, dann, glaube ich, besteht eine außerordentliche Gelegenheit, wirklichen Fortschritt zu erzielen«.

Mubarak sagte, Ägypten arbeite auf das Ziel hin, »beide Parteien dazu zu bringen, dass sie sich zusammensetzen, und etwas von der israelischen und von der palästinensischen Seite zu erhalten.«

** Aus: Neues Deutschland, 20. August 2009


Rückschritt

Obama auf Netanjahu-Kurs

Von Werner Pirker ***

Israels rechtsextreme Regierung weiß, wie sie mit Barack Obama, dem vorgeblichen Hoffnungsträger einer friedlichen Lösung des Nahostkonfliktes umzugehen hat. Sie zeigt sich in den für den zionistischen Machtanspruch entscheidenden Fragen unnachgiebig und läßt jenseits der für die Palästinenser roten Linie »Kompromißbereitschaft« erkennen. Das reicht dem neuen US-Präsidenten offenbar, um Fortschritte im Friedensprozeß zu konstatieren.

So ist es der Netanjahu-Regierung nahezu mühelos gelungen, Washingtons »kategorische« Forderung nach eine sofortigen Stopp des jüdischen Siedlungsbaus im Westjordanland zu unterlaufen. Zuerst hieß es, die Expansion der Siedlungen in den Palästinensergebieten sei eine Folge »natürlichen Wachstums« und deshalb nicht zu stoppen. Eine - für die von Wa­shington in Aussicht gestellte Zweistaatenlösung unerläßliche -vollständige Räumung der widerrechtlich auf widerrechtlich okkupiertem Territorium errichteten Komplexe wird von der israelischen Führung ohnedies völlig ausgeschlossen. Der »palästinensische Staat«, den Netanjahu und die Seinen meinen, würde nicht nur von feindlichen Siedlerstützpunkten beherrscht werden, er müßte auch noch zentrale Souveränitätsrechte, wie die Lufthoheit und seine Verteidigung an den zionistischen Staat abtreten und die Vertreibung aus Israel als rechtens anerkennen. Obama aber war allein über die Tatsache, daß Israels Premier das Wort »Palästinenserstaat« überhaupt in den Mund nahm, bereits hoch erfreut.

Nun hat die israelische Regierung auch noch eine Verlängerung des Ausschreibungsstopps für den Bau weiterer Siedlungen bis 2010 verfügt, was von Obama - erraten! - umgehend als »Zeichen in die richtige Richtung« gewürdigt wurde. Jetzt sei es an den Palästinensern, Israel in Sicherheitsfragen entgegenzukommen, mahnte der US-Präsident bei einem Treffen mit seinem ägyptischen Amtskollegen Hosni Mubarak im Weißen Haus an. Auch von den arabischen Staaten erwarte er sich eine »Geste guten Willens«. Unerwähnt blieb, daß der private Siedlungsbau - staatliche Aufträge machen lediglich 40 Prozent der gesamten Bauarbeiten aus - davon nicht betroffen ist und daß bereits begonnene Vorhaben zu Ende geführt werden sollen.

Auf einem so niedrigen Niveau, wie von der israelischen Seite derzeit vorgegeben, ist die Beziehung zwischen Israel und Palästinensern seit Beginn des Oslo-Prozesses noch nie verhandelt worden. Die totale Mißachtung elementarer Rechte des palästinensischen Volkes fällt nicht in die Bush-Ärä, sondern in den Beginn der Obama-Präsidentschaft. Anhänger der neuen US-Administration führen das auf Anfangsschwierigkeiten und auf die Notwendigkeit, Kompromisse eingehen zu müssen, zurück. Wie Obamas Nahostpolitik aber zeigt, bewegen sich die Kompromisse nicht in die richtige Richtung, sondern in eine, die einer gerechten Nahost-Lösung konträr zuwiderläuft.

*** Aus: junge Welt, 20. August 2009 (Kommentar)


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