Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Schlag gegen Frieden

Israel hängt die Hürden für einen Rückzug aus annektierten arabischen Gebieten höher. Knesset beschließt dafür Notwendigkeit einer Volksabstimmung

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Mit der Verabschiedung eines Gesetzes über einen möglichen Rückzug aus annektierten arabischen Gebieten hat das israelische Parlament erneut ein deutliches Zeichen gegen einen baldigen Frieden mit seinen Nachbarn gesetzt. Das neue Gesetz bindet jede zukünftige israelische Regierung daran, nur mit einer parlamentarischen Zweidrittelmehrheit den Rückzug von den syrischen Golan-Höhen und aus Ostjerusalem beschließen zu können. Ist diese Mehrheit nicht gegeben, muß eine Volksabstimmung durchgeführt werden. Das besetzte Westjordanland ist von der Regelung ausgenommen, da es offiziell nicht annektiert wurde. Ostjerusalem wurde direkt nach der Besetzung 1967 annektiert, die Golan-Höhen, die ebenfalls 1967 besetzt worden waren, annektierte Israel 1981. Obwohl die Annexion besetzter Gebiete ein klarer Bruch von Völkerrecht und UN-Resolutionen ist, wurde Israel von der »internationalen Staatengemeinschaft« zwar getadelt, aber nie sanktioniert.

Der Gesetzesvorlage, die von einem Parteifreund Netanjahus eingebracht worden war, stimmten am Montag abend 65 Abgeordnete der regierenden Likud-Partei zu, 33 Abgeordnete stimmten dagegen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu begrüßte derweil die Entscheidung des Parlaments: »Jedes Friedensabkommen braucht eine breite nationale Zustimmung, und dieses Gesetz sorgt dafür.«

Kritiker des neuen Gesetzes sehen indes eine klare Abstimmung gegen den Vorschlag der Arabischen Liga (2002) »Land für Frieden«, den Israel bis heute nicht beantwortet hat. Danach sind die arabischen Staaten zum Frieden mit Israel bereit, wenn es sich aus allen besetzten Gebieten hinter die Grenzen von 1967 zurückzieht.

Von seiten der syrischen Regierung gab es zunächst keine Stellungnahme. Die unabhängige Al-Watan bezeichnete das Gesetz als »harten Schlag gegen mögliche Friedensverhandlungen Israels mit Syrien und der Palästinensischen Autonomiebehörde«. Die offizielle Al-Baas nennt das Gesetz »ein neues Mittel der Aggression, das Israels Mißachtung des Völkerrechts und der arabischen Rechte« widerspiegele.

Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat sagte, das Gesetz zeige wieder einmal, wie Israel das Völkerrecht verspotte. »Das Ende der Besatzung unseres Bodens kann niemals von irgendeinem Referendum abhängig gemacht werden«, so Erekat. Egal, wie die israelische Öffentlichkeit abstimme, Israel sei verpflichtet, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen. Die Entscheidung des Parlaments solle die »Unterdrückung der Palästinenser als demokratische Übung verschleiern«.

Der Knessetabgeordnete Jamal Zahalqa, Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit, wies darauf hin, daß das unter Besatzung stehende Volk an einem Referendum über seine Zukunft beteiligt werden müsse. Das neue Gesetz drehe dieses Recht um und »ermöglicht es dem Volk der Besatzer über das Schicksal (…) des besetzten Volkes zu entscheiden«. Weder die besetzten Golan-Höhen noch Jerusalem seien eine »innere israelische Angelegenheit«, sagte Zahalqa.

Kritik kam auch von israelischer Seite. Der Sprecher der oppositionellen Meretz-Partei in der Knesset, Haim Oron, erklärte, das neue Gesetz sei ein Trick der Rechten, um jeder friedensbereiten Regierung Fußfesseln anzulegen. Netanjahu habe das Gesetz hinter den Kulissen vorangetrieben, um sich Rückendeckung gegen internationale Kritik zu verschaffen, weil er weder mit den Palästinensern noch mit Syrien Frieden schließen wolle.

* Aus: junge Welt, 24. November 2010


Zurück zur Israel-Seite

Zur Palästina-Seite

Zur Nahost-Seite

Zurück zur Homepage