Auf fremdem Grund
Israels Bautätigkeit auf palästinensischem Boden hat sich vervierfacht
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
Die Ende August wiederaufgenommenen Gespräche zwischen Israel und der
palästinensischen Autonomiebehörde sind einen Monat nach dem Ende des
Baustopps für Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten zum
Erliegen gekommen. Entgegen internationaler Appelle an Israel, den Bau
von Siedlungen ruhen zu lassen, haben die Bauarbeiten im Gegenteil
rasant zugenommen. Einer Umfrage der Nachrichtenagentur AP zufolge wurde
seit Ende September der Bau von 544 neuen Wohnungen aufgenommen, die
israelische Friedensorganisation Peace Now spricht von 600 neuen
Baustellen. Im Verhältnis zu den vergangenen zwei Jahren habe sich damit
die Bautätigkeit vervierfacht, schreibt AP.
Palästinensische Häuser und Eigentum werden derweil weiter zerstört,
teilt das Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten in den
besetzten palästinensischen Gebieten, OCHA, in seinem jüngsten
Wochenbericht mit. Palästinenser würden von Siedlern angegriffen, doch
würden ihre Häuser auch aufgrund von richterlichen Anordnungen zerstört.
OCHA vermerkt zudem eine »Welle von Baustoppverfügungen« israelischer
Gerichte gegen die Palästinenser. In der Berichtswoche wurden vier
Gebäude und »Baustrukturen« palästinensischer Inhaber zerstört, drei
Wohnblöcke, ein Viehstall und ein Zaun in der Beduinensiedlung Rashayida
bei Bethlehem (Zone C). Die Beduinen, so die Begründung, würden in einer
»militärischen Sperrzone« wohnen. Sechs Familien mit 36 Personen wurden
obdachlos, darunter 23 Kinder.
Seit Januar 2010 wurden laut OCHA 300 Gebäude oder »Baustrukturen« in
der besetzten West Bank und Ostjerusalem zerstört, 402 Personen wurden
vertrieben. Dreizehnmal stoppte ein israelischer Gerichtsbeschluß den
Bau von palästinensischen Gebäuden in Kalkiliya und Tulkarem. Betroffen
waren Wohnhäuser, ein Spielplatz, eine Steine verarbeitende Fabrik, eine
Werkstatt und zwei Viehställe. Siedler eines illegalen »Vorpostens«
zerstörten zudem 2000 Olivenbäume durch Feuer. Vielen Bauern wurde der
Zugang zu ihren Olivenhainen verweigert, die im Oktober und November
abgeerntet werden müssen.
In dem von Israel besetzten Ostjerusalem kam es am Wochenende erneut zu
Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Polizei und
palästinensischen Jugendlichen. Nachdem Polizei und Grenzsoldaten in dem
Wohnviertel Al-Bustan Abrißverfügungen an die dort lebenden Familien
verteilt hatten, sei es zu spontanen Protesten von Jugendlichen
gekommen, berichtete die Nachrichtenagentur AFP. Steine seien auf die
Soldaten geworfen worden, die ihrerseits mit Tränengas auf die
Jugendlichen losgingen.
Die israelische Polizei plant derweil, radikale Siedler aus den auch
nach israelischem Recht illegalen Siedlungen zu rekrutieren, berichtet
der in Nazareth lebende Journalist Jonathan Cook. Zum
Ausbildungsprogramm gehöre ein mehrmonatiger Kurs für Offiziersanwärter,
der in einer illegalen Siedlung stattfinden soll. Damit sei klar, daß
die israelischen Behörden die Repression gegen die in Israel lebenden
Palästinenser »ausweiten und erhöhen wollen«, zitiert Cook den Direktor
eines Zentrums für die Rechte der palästinensischen Minderheit (in
Israel), Jafar Farah. »Soll man wirklich annehmen, daß diese religiösen
Extremisten, die dazu erzogen wurden, die Palästinenser in der West Bank
zu hassen, sich anders verhalten, wenn sie uns innerhalb Israels
kontrollieren?« Die ersten 35 Siedler für das Offiziersprogramm sollen
im November mit der Ausbildung beginnen, mehr als 300 seien interessiert.
www.jkcook.net
www.ochaopt.org
* Aus: junge Welt, 26. Oktober 2010
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