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Hoffnung auf Frieden

Von Karin Leukefeld, Amman *

Im Tausch gegen 1027 palästinensische Gefangene ist der israelische Soldat Gilad Schalit freigelassen worden. Schalit, der 2006 an der Grenze zum Gazastreifen von palästinensischen Militanten festgenommen worden war, wurde am Dienstag morgen (18. Okt.) am Grenzübergang Rafah ägyptischen Mittelsmännern übergeben. In einem kurzen Interview mit dem ägyptischen Fernsehen sagte Schalit, er habe vor allem seine Freunde und seine Familie vermißt und hoffe, daß der Gefangenenaustausch Israel und Palästina dem Frieden näher bringen könne. Anschließend wurde er von israelischen Sicherheitskräften über die Grenze nach Israel gebracht und auf den Militärstützpunkt Tel Nof geflogen, wo er seine Familie zum ersten Mal nach fünf Jahren wiedersah. Schalit wurde dort auch von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu begrüßt.

Parallel zu der Freilassung Schalits, über die arabische und internationale Medien live berichteten, kam auch die erste Gruppe von 477 Palästinensern frei. 550 weitere sollen bis Jahresende folgen. Während ein Teil der Gefangenen in den Gazastreifen überstellt wurde, konnten andere zu ihren Familien in die Westbank oder nach Ostjerusalem zurückkehren. 40 Gefangene werden nach Katar, Syrien und in die Türkei deportiert. Der Austausch war unter Mithilfe von ägyptischen Behörden und dem deutschen Auslandsgeheimdienst BND zustande gekommen.

Israelische Angehörige von Opfern palästinensischer Angriffe hatten gegen die Aktion Widerspruch eingelegt, der aber zurückgewiesen wurde. Netanjahu hatte Hunderte betroffener Familien in einem Brief um Verständnis für den Austausch gebeten, alle Gefangenen waren von Präsident Schimon Peres begnadigt worden. Ein Israeli, der gegen die Freilassung vor Gericht gezogen war, beschimpfte die Familie von Gilad Schalit und forderte sie auf, eine schwarze Fahne zu hissen, anstatt sich zu freuen. Der frühere Militärrabbi Avihai Rontzki sagte, von nun an müßten die israelischen Sicherheitskräfte »Terroristen in ihren Betten töten«. Seit 1967 hat Israel 700000 Palästinenser inhaftiert.

In der Westbank und in Ostjerusalem feierten Familien und Freunde die Rückkehr ihrer Angehörigen. Im Gazastreifen hatte die Hamas einen »Heldenempfang« vorbereitet. Etliche der Palästinenser haben mehr als 30 Jahre in israelischer Haft verbracht. Der erfolgreiche Gefangenenaustausch hat das Ansehen der Hamas gestärkt. Im Gazastreifen hofft man auch auf die Aufhebung der Blockade, die Israel 2006 mit der Festsetzung Schalits begründet hatte.

Der prominente Häftling Mustafa Barghouti von der Fatah ließ derweil über seinen Anwalt mitteilen, daß nicht alle Gefangenen von dem Austausch profitieren würden. Viele wüßten auch nicht, daß sie nach ihrer Freilassung deportiert würden. In Beirut protestierten derweil Palästinenser, daß von den 36 weiblichen Gefangenen nur 27 freigekommen waren. Die Organisa­tion Defense for Children International teilte mit, daß auch kein Name der 164 gefangenen Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren auf der Liste der Freigelassenen stehe.

* Aus: junge Welt, 19. Oktober 2011


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