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Einer gegen Tausend

Israelischer Soldat Schalit soll in Kürze freikommen - Abkommen mit Hamas zu Gefangenenaustausch beschlossen *

Israels Regierung hat einer Vereinbarung mit der im Gazastreifen regierenden Hamas zur Freilassung des 2006 gefangen genommenen israelischen Soldaten Gilad Schalit zugestimmt. Dem in der Nacht zum 12. Oktober gebilligten Deal zufolge sollen im Gegenzug für Schalit mehr als 1.000 palästinensische Gefangene freikommen. Laut Regierungschef Benjamin Netanjahu könnte der junge Soldat bereits in den kommenden Tagen wieder in Israel sein.

26 Minister stimmten der Vereinbarung zu, drei votierten dagegen, darunter Außenminister Avigdor Lieberman. Am Abend des 11. Oktober hatte Netanjahu gesagt, Israel habe sich "in mühsamen Verhandlungen" mit der Hamas auf einen Austausch geeinigt. Schalit werde "seinen Eltern und dem gesamten israelischen Volk gesund und wohlbehalten zurückgebracht". Das Abkommen sei bereits am vergangenen Donnerstag (6. Okt.) verfasst und am Dienstag (11. Okt.) unterzeichnet worden. Er dankte Ägypten und der deutschen Bundesregierung für seine Vermittlungsbemühungen. [Siehe Kasten]

Die Hamas bestätigte die Übereinkunft. Nach Angaben von Hamas-Chef Chaled Meschaal wird Israel in zwei Schritten insgesamt 1027 überwiegend palästinensische Häftlinge freilassen, darunter 27 Frauen. Eine erste Gruppe von 450 Gefangenen soll bereits in den kommenden Tagen aus der Haft entlassen werden.

Der israelische Inlandsgeheimdienstchef Joram Cohen wies Angaben palästinensischer Vertreter zurück, wonach auch Marwan Barghuti, der Anführer der zweiten Intifada, auf der Häftlingsliste steht.

Der heute 25-jährige Schalit war im Juni 2006 am Rande des Gazastreifens von einem palästinensischen Kommando verschleppt worden. An der Aktion waren drei Palästinensergruppen beteiligt, darunter die Hamas. Verhandlungen über eine Freilassung des Soldaten waren immer wieder vor allem an der Frage gescheitert, wieviele und welche Häftlinge im Austausch für Schalit freikommen sollten.

Schalit wurde in Israel mittlerweile zur Ikone, bis heute gibt es immer wieder Demonstrationen für ihn. Viele Israelis sehen den Austausch aber auch kritisch und fürchten, dass durch die Freilassung so vieler palästinensischer Häftlinge neue Gewalt droht.

Schalits Eltern Noam und Awiwa bereiteten sich auf ihre Rückkehr in den Norden Israels vor, nachdem sie 16 Monate lang in einer Protestaktion vor Netanjahus Residenz in Jerusalem gezeltet hatten. In der Nacht sangen und tanzten zahlreiche Israelis nahe des Protestzelts. Schalits Vater Noam sagte AFP: "Ich feiere erst, wenn ich einen Grund habe, glücklich zu sein."

Feiern in Gaza

Während der letzten Nacht gab es große Feiern und spontane Demonstrationen im Gazastreifen, die die ganze Nacht lang anhielten. Menschen hupten durchgehend, während andere Freudenschüsse in die Luft abfeuerten. Für heute (12. Okt.) werden nun auch Feiern in Israel und der West Bank erwartet. (PNN-Palestine News Network)

Offizielles aus Israel:

Abkommen zur Freilassung von Gilad Shalit genehmigt

Das Kabinett hat am Dienstag (11. Okt.) das Abkommen für die Freilassung von Gilad Shalit mit großer Mehrheit gebilligt. 26 Minister stimmten für das Abkommen, drei dagegen.

Während der Diskussion hatten Vertreter der Sicherheitsdienste die Inhalte des Abkommens dargelegt und ihre Unterstützung erklärt.

Ministerpräsident Binyamin Netanyahu erklärte:

"Es besteht eine innere Spannung zwischen dem Wunsch, einen entführten Soldaten oder Bürger nach Hause zu bringen und der Notwendigkeit, die Sicherheit der israelischen Bürger zu wahren. Als Ministerpräsident stehe ich in dieser doppelten Verantwortung. (...)

Ich habe Mitgefühl mit den Familien der Terroropfer, mit ihrem Leid, ich bin einer von ihnen. (...)

Es ist sehr gut möglich, dass sich das Fenster der Gelegenheit, das sich wegen der Umstände geöffnet hat, für immer geschlossen hätte und wir Gilad nie hätten nach Hause bringen können. (...)

Ich danke dem Team, das all die Jahre für die Freilassung gearbeitet hat. Ich danke den Sicherheitskräften ... Ich danke dem deutschen Vermittler und Kanzlerin Angela Merkel, die seine Mission unterstützt hat. Und ich danke besonders der ägyptischen Regierung und den ägyptischen Geheimdiensten, die so viel Unterstützung geleistet haben und uns als Vermittler geholfen haben, dieses Abkommen zu erreichen. (...)

Ich bringe Gilad Shalit nach Hause, zu seinen Eltern Noam und Aviva, seinem Bruder Yoel, seiner Schwester Hadas, seinem Großvater Zvi und dem ganzen Volk Israel. (...) Wenn alles läuft wie geplant, wird Gilad in den nächsten Tagen wieder bei seiner Familie und seinem Volk sein."


Quelle: Amt des Ministerpräsidenten, 12.10.11. Mitgeteilt von der israelischen Botschaft in Berlin.

Stellungnahme der Botschaft des Staates Israel in Berlin

Der Botschafter des Staates Israel, Yoram Ben-Zeev, hat am gestrigen Abend Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Dankbarkeit des israelischen Ministerpräsidenten Binyamin Netanyahu für die Unterstützung der Bundesregierung in den Verhandlungen um die Freilassung von Gilad Shalit übermittelt.

In den kommenden Tagen ist ein Telefongespräch zwischen Ministerpräsident Netanyahu und Kanzlerin Merkel geplant.

Israel ist sehr dankbar für die zentrale Vermittlungsrolle deutscher Vertreter während der gesamten Zeit der Geiselhaft von Gilad Shalit und für die Hilfe, die zum Zustandekommen des Abkommens über die Freilassung von Gilad Shalit beigetragen hat.

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin, 12. Oktober 2011.





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