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"Israel wird den Sicherheitszaun so schnell wie möglich fertig stellen"

Regierungserklärung Olmerts, Kabinettsliste, Die Grundlinien der (Sicherheits-)Politik und ein Porträt der israelischen Außenministerin

Am 4. Mai 2005 wurde im israelischen Parlament eine neue Regierung gewählt. Wir dokumentieren hierzu

  • einen Bericht über die Knesset-Sitzung und über die Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten Olmert,
  • die Liste des Kabinetts,
  • die Grundlinien der der 31. Regierung (Allgemeiner Teil und Sicherheitspolitik) und
  • ein Kurzporträt der Außenministerin Tzipi Livni.
Die Informationen stammen alle aus dem Newsletter der israelischen Botschaft in Berlin. Es handelt sich also um offiziöses Material.



Die Knesset hat abgestimmt: Es gibt in Israel eine neue Regierung

Die neue Regierung hat sich auf den Weg gemacht: Mit einer Mehrheit von 65 Knessetabgeordneten gegenüber 49 Gegenstimmen und 4 Abwesenden rief die Knesset gestern Abend (Donnerstag) die 31. Regierung des Staates Israel mit 25 Ministern aus. Die Knessetabgeordnete Marina Solodkin, Nummer 6 bei Kadima, hat aus Protest dagegen, dass sie in der neuen Regierung kein Amt erhalten hat, nicht an der Abstimmung teilgenommen. Der Knessetabgeordnete Majali Wahaba von Kadima, der ebenfalls anfänglich nicht für die Regierung stimmen wollte, gab nach und stimmte letztendlich doch für die Regierung.

Sofort nach der Abstimmung im Plenum der Knesset wurden die neuen Minister vereidigt. Der erste war Ehud Olmert, der versuchte eine Vertrauenserklärung zu unterzeichnen, doch drei Stifte versagten. Beim vierten Versuch klappte es. Am Ende der Abstimmung und nach der Vereidigung begaben sich Olmert und die Minister zur Residenz des Staatspräsidenten, um sich gemeinsam auf einem traditionellen Photo verewigen zu lassen und auf die neue Regierung anzustoßen.

Zu Beginn der Gespräche hielt Olmert eine Rede und bat das Plenum der Knesset offiziell darum, die Ernennung der Minister zu genehmigen. Er sagte, dass die jetzige Regierung die schlankeste seit den vergangenen zehn Jahren ist und rief zu politischen Diskussionen ohne Hetze auf: „Es gibt niemanden in der Politik, der den Prozess zur Regierungsbildung mag“, so Olmert. „Ich war an der Bildung von zahlreichen Regierungen in mehr als 30 Jahren beteiligt. Ich kann mich an kein einziges Mal erinnern, bei dem es keine Kritik und scharfe Äußerungen über Verschwendung und die Stellvertreter der Minister gegeben hat. Da gibt es nichts Neues.“

„Es scheint mir, dass dies eine Regierung ist, in der es weniger Amtsvertreter gibt, als in jeder anderen Regierung in den letzten 10 Jahren. Es gibt nur 25 Amtsträger und nicht 25 und 10 oder 15 weitere Stellvertretende Minister. All die Wirtschaftskommentatoren, die die Abkommen studiert haben, sind sich einig darüber, dass dies die verhaltensten Abkommen sind, die seit langen Jahren in Israel unterzeichnet wurden“, so Olmert. „Es hat einen Versuch gegeben, der vielleicht beispiellos war“, so der neue Ministerpräsident, „wir haben nicht versucht, die zentralen Tagesordnungspunkte meiner Regierung der Nation zu verheimlichen. Noch am Vorabend der Wahlen und direkt in deren Anschluss haben wir auf die öffentliche Tagesordnung scharfe, klare, politische Prozesse gesetzt, bei denen man sich nicht irren kann und vor denen man sich nicht drücken kann. Die gesamte Regierung wird gemäß der Verpflichtung agieren, die ich mitgeteilt habe. Auch in Bezug auf die gesellschaftlichen Themen ist dies eine Regierung, die dazu verpflichtet ist, sich diesen Problemen zustellen, was zuvor nicht geschehen ist. Man kann davor nicht die Augen verschließen, dass in dieser erfolgreichen Regierung, deren Wirtschaft blüht, es einen sehr großen Bevölkerungsanteil gibt, der in großer Bedrängnis lebt. Wir werden uns um diese Probleme kümmern, dabei keine dramatischen Veränderungen einführen, jedoch den Versuch machen, einen humanen Rahmen zu bilden, in dem es Mitleid und gesellschaftliche Verantwortung gibt.“


Aufbau der neuen Regierung:

Ehud Olmert – Ministerpräsident
Tzipi Livni – Außenministerin und Stellvertretende Ministerpräsidentin
Avraham Hirshson – Finanzen
Amir Peretz – Sicherheit und Vizeministerpräsident
Yuli Tamir – Erziehung, Kultur und Sportv Eliyahu Yishai – Industrie, Handel und Arbeit und Vizeministerpräsident
Benyamin Ben Eliezer – Infrastruktur
Yitzhak Herzog – Tourismus
Ofir Pines-Paz – Wissenschaft und Technik
Shalom Shimhon – Landwirtschaft
Eitan Kabel – ohne Geschäftsbereich, Rundfunkbehörden
Ariel Atias – Kommunikation
Yakov Ben Yizri – Gesundheit
Rafi Eitan – Minister für Angelegenheiten der Rentner
Ronni Bar-On – Inneres
Avi Dichter – Innere Sicherheit
Haim Ramon – Justiz
Meir Shitrit – Bau und Wohnungen und Behörde für Landverwaltung
Zeev Boim – Einwanderung und Integration
Gideon Ezra – Umweltschutz
Yakov Edri – Verbindung zwischen Regierung und Knesset
Yitzhak Cohen – ohne Geschäftsbereich
Meshulam Nahari – ohne Geschäftsbereich
Shimon Peres – Entwicklung des Negev und des Galil
Daliah Itzik – Knessetvorsitzende



„Wir müssen unsere Diskussion ohne Kompromisse führen und trotzdem mit Geduld und Rücksichtnahme. Lasst uns gemeinsam entscheiden, dass wir bestimmte Grenzen nicht überschreiten“, so Olmert.

Olmert spielte auch auf seine Distanzierung von den Worten des Vorsitzenden der Partei Israel Beitenu, Avigdor Liberman, an, der in seiner Rede vor dem Plenum gestern Mittag die arabischen Knessetabgeordneten angegriffen hatte und dazu aufrief, „diese wie vor dem Nürnberger Gericht hinzurichten“.

Dazu sagte Olmert: „Ich will, dass das klar ist, es gibt in dieser Knesset nicht einen einzigen Menschen, der, meines Wissens und nach meinem Verständnis, den wirklichen Interessen des Staates Israel nicht treu ergeben ist. Es gibt hier niemanden, der mehr Patriot oder jemanden, der weniger Patriot ist. Es gibt hier niemanden, der ein Monopol auf Vaterlandsliebe hat, während andere das Land hassen. Da mache ich keinen Unterschied, nicht innerhalb der jüdischen Bevölkerung, nicht zwischen den jüdischen Abgeordneten und nicht zwischen den nicht-jüdischen Abgeordneten und es kann nicht sein, dass wir die Diskussion über ernste Themen und Probleme in einer Art und Weise von intolerantem und ungeduldigem Extremismus ausweiten.“

Die neue Regierung umfasst Minister der Kadima-Partei, der Arbeitspartei, der Rentnerpartei und von Shas. Zur Stunde befinden sich Yahadut Hatora, Merez und Israel Beteinu auf den Bänken der Opposition. Olmert hatte gestern seine Hoffnung ausgedrückt, dass sich Yahadut Hatora und Merez der Regierungskoalition anschließen.

Zuvor hatte Olmert gestern eine Rede vor der Knesset gehalten und die Linien des Regierungs- und des Rückzugsprogramms dargestellt: „Die Fortführung der jüdischen Siedlung in der gesamten Westbank gefährdet uns“, so Olmert. Auch der Vorsitzende der Opposition Benyamin Netanyahu sprach zum ersten Mal vor der 17. Knesset und - dem frischen Oppositionsführer gebührend - griff er die Kadima-Partei wegen ihrer kleinen Koalition mit einer „großen und verschwenderischen“ Regierung an.

Im Laufe der Knessetsitzung vor der Regierungsvereidigung wurde die Knessetabgeordnete Daliah Itzik zur Vorsitzenden der Knesset gewählt und ist damit die erste Frau in diesem Amt. Die Knessetabgeordnete Itzik beschrieb in ihrer Rede ihr zentrales Ziel: „Die Ehre des Hauses wieder herzustellen, welches von der Bevölkerung bei den Wahlen abgestraft wurde“. „Dies ist eine besondere Stunde für mich. Ich habe seit meiner Kindheit im Jerusalemer Bezirk Romema bis zu diesem Moment einen langen Weg zurückgelegt, in dem ich auf dem Stuhl sitze, auf dem die Vorväter der israelischen Demokratie gesessen haben“, so Itzik. (ynet, Yediot, 05.05.)


Die Grundlinien der 31. israelischen Regierung (Auszüge aus den 65 Grundlinien)

ALLGEMEINE PRINZIPIEN
  1. Die Regierung Israels wird, aus Anerkennung ihrer Verpflichtung zur Gestaltung eines neuen Kapitels im Leben des Staates Israel, nach Einigkeit und Schlichtung im Volke streben, mit Toleranz, gegenseitiger Achtung, Zurückhaltung und Liebe, wobei interne Meinungsverschiedenheiten reduziert werden sollen.
  2. Die Regierung wird nach der Gestaltung von dauerhaften Grenzen des Staates, als jüdischer Staat mit einer jüdischen Mehrheit und als demokratischer Staat streben und wird dies durch Verhandlungen und Abkommen mit den Palästinensern tun, welches auf gegenseitiger Anerkennung, bereits unterzeichneten Abkommen, den Grundsätzen der road map, der Beendigung der Gewalt und der Entwaffnung der Terrororganisationen basieren wird.
  3. Die Regierung wird Verhandlungen mit den Palästinensern anstreben, doch sollten die Palästinenser in kommender Zeit nicht entsprechend reagieren, wird die Regierung auch ohne Verhandlungen und ohne Abkommen mit ihnen ihre Politik durchsetzen. Die Definition der Grenzen des von der Regierung festzulegenden Gebietes verpflichtet zur Einschränkung des Siedlungsgebietes in Judäa und Samaria.
  4. Die Regierung setzt sich für die Reduzierung der gesellschaftlichen Diskrepanzen ein; sie wird sich für die Verbesserung des Gesundheitswesens im Allgemeinen und insbesondere der Erweiterung des Leistungskataloges einsetzen. Sie wird den Grundstein für gleiche Chancen für alle Bürger legen.
  5. Die Regierung wird Korruption und Sittenverfall in allen Lebensbereichen des Staates bekämpfen, an erster Stelle in Regierungskreisen und der öffentlichen Verwaltung.
  6. Die Regierung achtet die Behörden des Staates Israel: die Knesset, die Gerichte und an erster Stelle den Obersten Gerichtshof Israels. Die Regierung setzt sich für die Stärkung der exekutiven Organe ein.
  7. Die Regierung wird Verbrechen und Gewalt bekämpfen und alles für den Schutz der persönlichen Sicherheit der Bürger Israels tun.
  8. Die Regierung setzt sich für die Weiterentwicklung des Erziehungswesens ab dem Kleinkindalter bis zur akademischen Ausbildung ein.

    DIE SICHERHEITSPOLITISCHE EBENE

  9. Am 28. März 2006 hielt der amtierende Ministerpräsident Ehud Olmert eine Rede in Newe Ilan, in der er die Grundsätze seines sicherheitspolitischen Programms vorstellte. Die Regierung wird sich für die Umsetzung des besagten Programms einsetzen.
  10. Israel wird sich mit Entschiedenheit dafür einsetzen, dass die Sicherheit seiner Bürger und seiner Einwohner vor Terrororganisationen, die sie bedrohen, gewährleistet ist.
  11. Israel wird sich weiterhin aktiv dafür einsetzen, dass Terroranschläge vereitelt und verhindert werden.
  12. Israel wird den Sicherheitszaun so schnell wie möglich fertig stellen, wobei die humanitären Bedürfnisse der palästinensischen Zivilbevölkerung berücksichtigt werden.
  13. Die Regierung sieht im Aufbau der Militär- und Sicherheitsstärke des Staates und der Erhaltung der Fähigkeit zur Abschreckung eine lebenswichtige Komponente für den Erhalt der Unversehrtheit des Staates.
  14. Die Regierung wird eine Möglichkeit zur Reduzierung des Sicherheitsetats prüfen, beginnend mit dem Budget 2007.


Kurzporträt:

Tzipi Livni: Stellvertretende Ministerpräsidentin und Außenministerin

Frau Tzipi Livni wurde am 18. Januar 2006 zur Außenministerin ernannt. Nach Errichtung der 31. Regierung am 4. Mai 2006 blieb sie in diesem Amt und wurde zusätzlich zur stellvertretenden Ministerpräsidentin ernannt.
Im Jahr 1999 wurde Frau Livni zum ersten Mal in die Knesset gewählt und fungierte dort als Mitglied des Komitees für Verfassung, Gesetz und Gerichtsbarkeit und des Komitees für den Status der Frauen. Sie war auch Vorsitzende des Unterausschusses, der für den Entwurf des Gesetzes zum Verbot von Geldwäsche verantwortlich war.
Im Jahr 2001 wurde Frau Livni zur Ministerin in der 29. Regierung ernannt und erhielt die Geschäftsbereiche Regionale Kooperation und Landwirtschaft. Während der 30. Regierung, die im Jahr 2003 begann, stand sie folgenden Portefeuilles vor: Einwanderungsministerium, Wohnungs- und Bauministerium, Justizministerium und Außenministerium.
Livni war Mitglied der Likud-Partei bis sie Ende 2005 gemeinsam mit anderen prominenten Politikern in Israel die Kadima-Partei gründete.
Vor ihrer Wahl in die Knesset arbeitete Ministerin Livni von 1996 an als Generaldirektorin der Behörde für Regierungsfirmen. In dieser Funktion hatte sie die Verantwortung für die Privatisierung von Regierungsunternehmen und –monopolen.
Ministerin Livni ist von Beruf Anwältin. Ihren Abschluss machte sie an der Bar-Ilan-Universität. Sie praktizierte 10 Jahre lang als Anwältin in einer privaten Kanzlei bevor sie die öffentliche Bühne betrat. Ihre Spezialgebiete umfassten Handelsrecht, Verfassungsrecht und Immobilienrecht. Sie diente als Offizierin in der israelischen Armee und später beim israelischen Auslandsgeheimdienst, Mossad.
Ministerin Livni wurde 1958 in Israel geboren und lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Tel Aviv. (MFA)




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