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Zehn-Meter-Mauer im Norden Israels

Armee betoniert den "Guten Zaun" an der Grenze zu Libanon

Von Oliver Eberhardt *

Jahrzehntelang hinderte der »Gute Zaun« zwischen Israel und Libanon niemanden, Kontakt zu Verwandten im Nachbarland aufzunehmen. Nun steht sein Ende bevor: In der kommenden Woche soll das Sperrwerk einer rund zehn Meter hohen Mauer weichen.

Verglichen mit den riesigen Sperranlagen, die an Israels Grenzen zu Ägypten und zum Westjordanland gebaut werden, mutet das Bauvorhaben klein an, so klein, dass es in Israels Medien nur am Rande erwähnt wird: Gerade einmal zwei Kilometer lang wird die rund zehn Meter hohe Mauer aus Betonfertigteilen sein, die Israels Militär entlang eines Teilstücks der Grenze zu Libanon hochziehen wird. Angekündigt bereits im Januar, soll der Bau nach Angaben des privaten israelischen Fernsehsenders Channel 10 in der kommenden Woche beginnen.

Die Anlage diene dem Schutz neu errichteter Gebäude im israelischen Luftkurort Metulla, hieß es von israelischer Seite. Die Folgen für das Leben der Menschen auf beiden Seiten des Grenzabschnitts sind indes gravierend: Bis zum Abzug der israelischen Armee aus dem Süden Libanons im Sommer 2000 befand sich hier, am nördlichsten Zipfel Israels, der sich wie eine Landzunge nach Libanon hinein zieht, das »Fatima-Tor«, durch das Libanesen zur medizinischen Behandlung, zu Verwandtenbesuchen und zur Arbeit nach Israel einreisen konnten. Nach der Schließung des Tores bot sich Menschen am Grenzzaun auch in Krisenzeiten eine Möglichkeit, durch lautes Rufen Kontakt mit Verwandten und Freunden auf der anderen Seite aufzunehmen und Informationen auszutauschen. Nun aber werden die Bewohner Metullas und des nur wenige hundert Meter entfernt liegenden libanesischen Nachbarortes Kfar Kila wahrscheinlich bereits Ende kommender Woche eine Mauer direkt vor der Nase haben, die vom Aussehen her der Berliner Mauer ähneln wird. Viele werden sich auf die Suche nach neuen Fenstern zum Nachbarland machen müssen.

»Einrichtungen wie den ›Guten Zaun‹ braucht doch kein Mensch mehr«, sagt ein Sprecher des israelischen Militärs. »Heute benutzen die Leute doch ohnehin Facebook, Skype oder E-Mails, um miteinander zu reden.« Was allerdings nicht so einfach ist: Vor allem im Süden Libanons leiden die Menschen bis heute unter den finanziellen Folgen des Libanon-Krieges im Sommer 2006. Nach Angaben der Vereinten Nationen besitzen gerade einmal 15 Prozent der Haushalte in Südlibanon einen Internetanschluss.

»Dann sollen die Leute eben ihre Regierung dazu drängen, endlich die Hisbollah zu kontrollieren und Frieden mit Israel zu schließen«, antwortet eine Sprecherin der Regierung. »Der Bau der Mauer ist notwendig, um unsere Bürger dort zu schützen - so wie es jetzt ist, befinden sie sich ständig in der Schusslinie.« Aber daran wird sich auch Ende kommender Woche nichts geändert haben. In Kfar Kila wurden in den vergangenen Jahren mehrere hohe Gebäude gebaut. Von deren Dächern wird man weiter freie Sicht auf Israel haben.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 25. April 2012


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