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Für Zipi Livni wird die Zeit knapp

Nach der Rücktrittserklärung von Olmert rotiert der Staatsapparat

Von Ulrich W. Sahm, Jerusalem *

Der durch Korruptionsaffären unter Druck geratene israelische Ministerpräsident Ehud Olmert hat am Wochenende in Jerusalem seinen Rücktritt verkündet. Staatspräsident Shimon Peres muss nun innerhalb von sieben Tagen der neuen Vorsitzenden der regierenden Kadima-Partei, Außenministerin Zipi Livni, den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen.

»Ich denke, ich handele auf angemessene, staatsmännische und verantwortliche Weise, wie ich es der israelischen Öffentlichkeit versprochen habe«, sagte Olmert. Genau sieben Tage stehen dem israelischen Staatspräsidenten Peres gemäß der Verfassung zur Verfügung, sich mit »allen« Fraktionen in der Knesset, dem Parlament, zu »beraten«. Sie müssen ihm »empfehlen«, jenen Politiker zu ernennen, der die besten Chancen hätte, eine neue Regierung in der Nachfolge Olmerts zu bilden.

Zwar ist bereits klar, dass Zipi Livni das Mandat erhalten werde, doch Peres hat kaum Zeit, die gesetzliche Forderung in Muße zu erfüllen. Denn Peres soll den Staat Israel mit einer Rede vor der UNO-Vollversammlung an diesem Mittwoch vertreten. Unter den bestehenden Umständen hätte es merkwürdig ausgesehen, wenn der zurücktretende Ministerpräsident nach New York geflogen wäre, obgleich Olmert kommissarisch bis zur Vereidigung seines Nachfolgers im Amt bleibt, mitsamt allen Vollmachten.

Um Peres die notwendige Zeit für die vorgeschriebenen Beratungen zu bieten, hatten Abgeordnete dem Ministerpräsidenten geraten, sein Rücktrittsschreiben erst nach der Rückkehr von Peres aus New York zu hinterlegen. So aber wird der 84-jährige Präsident die Gespräche mit allen Fraktionschefs bis zum Dienstag (23. Sept.) abschließen müssen, Livni mit der Regierungsbildung beauftragen und dann den Nachtflug der Fluggesellschaft EL AL am Dienstag nehmen müssen, um am Mittwochmorgen (24. Sept.) vor der UNO seine Rede halten zu können.

Livnis Drängen zur Eile am Freitag (19. Sept.), als sie Olmert dazu aufrief, umgehend sein Rücktrittsversprechen einzulösen, könnte ihr wegen des engen Terminplans zum Verhängnis werden. Ungeachtet der zahlreichen jüdischen Feiertage im Herbst muss Livni nun bis zum 22. Oktober ihre Koalitionsverhandlungen abschließen, könnte aber eine Verlängerung um weitere zwei Wochen erhalten. Wenn ihre Bemühungen bis dahin, also Mitte November, ohne Erfolg bleiben, müssten 90 Tage später Neuwahlen stattfinden.

Das innenpolitische Karussell lief am Wochenende auf Hochtouren. Die frisch gewählte Kadima- Parteichefin Zipi Livni pendelte zwischen Treffen mit Politikern kleinerer Parteien und dem Krankenhaus, wo sich ihr Sohn Omri wegen akuter Darmentzündung einer Notoperation unterziehen musste.



* Aus: Neues Deutschland, 22. September 2008

Peres nimmt Olmerts Rücktritt entgegen **

Israels Ministerpräsident Ehud Olmert hat am Sonntag (21. September) Staatspräsident Shimon Peres sein Rücktrittsschreiben überreicht. Peres würdigte im Anschluss die „respektvolle Art und Weise“, in der er seine Amtsgewalt übergeben habe.

„Dies ist keine leichte Entscheidung, und ich bin überzeugt, dass dies kein leichter Abend für ihn ist.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um dem Ministerpräsidenten für seinen Dienst an der Bevölkerung und dem Staat während vieler Jahre öffentlicher Tätigkeiten zu danken: als Bürgermeister von Jerusalem, als Regierungsminister und als Ministerpräsident Israels. Die Sicherheit des Staates Israel und die Wohlfahrt seiner Bürger standen im Zentrum seiner Handlungen als Ministerpräsident. Einige davon werden unbekannt bleiben.

Beginnend mit dem heutigen Abend (21. Sept.) habe ich – bevor ich das Land zur Vollversammlung der Vereinten Nationen verlasse - alle Fraktionen der Knesset zu Konsultationen geladen, um die Verantwortlichkeit für die Bildung der nächsten Regierung so bald wie möglich einem Mitglied der Knesset zu übertragen.

Der Staat Israel steht heute komplizierten nationalen, sicherheitspolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen gegenüber, was eine konstante Führung erforderlich macht.

Israel ist ein starkes Land und eine gefestigte Demokratie, und auch die Auswechslung des Ministerpräsidenten wird seiner Stärke, seiner Entschlossenheit zum Schutz seiner Bürger und seiner Verpflichtung gegenüber dem Frieden keinen Abbruch tun.“

** Außenministerium des Staates Israel, 21.09.08




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