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Lieberman nahm seinen Hut

Trotz Anklage will Israels nunmehriger Ex-Außenminister bei Neuwahl antreten

Von Oliver Eberhardt *

Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman hat am Sonntag offiziell seinen Rücktritt bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eingereicht. Er trenne sich aber nur vorübergehend von der Politik, betonte der Vorsitzende der ultrarechten Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) vor der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem.

Israels Außenminister Avigdor Lieberman ist zurückgetreten - die Staatsanwaltschaft wirft ihm Betrug und Vertrauensbruch vor. Auf die anstehenden Parlamentswahlen dürfte das allerdings wenig Auswirkungen haben. Der rechtsnationalistische Politiker will weiterhin kandidieren - und kann auf ein schnelles Ende des Verfahrens hoffen. Als er am Sonntagmorgen vor die Medien trat, lächelte er. Siegesgewiss sollte es wohl sein, überheblich jedoch wirkte es. »Wie Ihr wisst, mache ich mir keine Sorgen«, sagte Lieberman und hob dann einmal mehr zu jenem Frontalangriff gegen »die linken Medien« und die »politische Verfolgung durch die Strafverfolger« an, der seit Jahren fest zu seinem Repertoire gehört.

Wenige Minuten zuvor hatte der Außenminister Regierungschef Benjamin Netanjahu sein Rücktrittsgesuch übergeben. »Damit trage ich meinen Teil dazu bei, dass das Verfahren nach 16 Jahren, in denen mich die Ermittler auf Schritt und Tritt verfolgt haben, zu einem raschen Abschluss kommt«, erklärte der Politiker, der nun ab Dienstagmorgen nicht mehr Außenminister und damit Mitglied des Sicherheitskabinetts ist, das in Israel die letzte Entscheidung über Krieg und Frieden fällt. Es ist ein Rücktritt in Raten: Lieberman wird zwar kein Minister mehr sein, aber seinen Parlamentssitz behalten; nur seine Immunität wird ruhen. Außerdem wird er, wie geplant, als Nummer zwei auf der gemeinsamen Liste des Likud-Blocks von Regierungschef Netanjahu und seiner eigenen Partei Israel Beitenu bei den Parlamentswahlen am 22. Januar antreten. Bis dahin, so die Hoffnung, die in seinem Umfeld am Sonntag immer wieder geäußert wurde, solle auch das Strafverfahren vorbei sein. Ein guter Hinweis darauf, dass Liebermans Anwälte versuchen, einen Vergleich auszuhandeln. Ob die Generalstaatsanwaltschaft darauf eingeht? Es ist unmöglich zu sagen. Denn die Vorwürfe gegen den Politiker haben es in sich, selbst wenn er nur noch wegen des vergleichsweise geringen Vergehens der Untreue angeklagt ist.

Ein Mann namens Zeew Ben Ari soll Lieberman einen Umschlag mit Informationen über Ermittlungen gegen ihn zugesteckt haben und dafür dann später vom Außenminister zum Botschafter in Belorussland ernannt worden sein. Lieberman erklärt immer wieder, das Wichtigste sei doch, dass diese Ermittlungen nun nach 16 Jahren fallen gelassen worden seien. Doch die Staatsanwaltschaft stellt in der Anklageschrift klar, dass man die Vorwürfe keinesfalls als aus der Welt geräumt betrachtet. Über ein Geflecht aus Scheinfirmen sollen sich ausländische Geschäftsleute und israelische Politiker, darunter auch Lieberman, Gelder und Gefallen hin- und hergeschoben haben. Dies, so die Staatsanwaltschaft, komme nur deshalb nicht zur Anklage, weil zwei Schlüsselzeugen nun die Aussage verweigerten.

Die Opposition, aber auch Teile des Likud, reagierten erleichtert auf den Rücktritt. Es sei überfällig gewesen, dass sich Liebermann den Vorwürfen stelle, sagt Schelly Jachimowitsch, Vorsitzende der Arbeiterpartei, und kritisierte, dass sich der Politiker nach wie vor zum politisch Verfolgten stilisiere. Im Likud hingegen sind es vor allem die Wählerstimmen, um die man bangt. Zwar gelten Israel-Beitenu-Wähler als ziemlich schmerzfrei, doch die Stammwählerschaft des Likud nimmt es dafür mit Recht und Ordnung um so genauer.

* Aus: neues deutschland, Montag, 17. Dezember 2012


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