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Ohne Illusionen

Israels Außenminister Lieberman in Berlin

Ohne Illusionen Israels Außenminister Lieberman in Berlin Von Norman Paech *

Was macht man mit einem Gast, von dem niemand so recht weiß, wer ihn eingeladen hat? Nun sitzt er im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und wird nicht müde zu wiederholen, dass er ein Siedler sei und Iran die größte Bedrohung für den Nahen Osten. Die ganze Friedensindustrie in den Fünf-Sterne-Hotels habe nirgendwo anders hin als in die Sackgasse geführt. Letzterem kann man durchaus zustimmen, nur sieht der israelische Außenminister Avigdor Lieberman die Gründe für die festgefahrene Situation nicht bei sich und seinesgleichen, den Siedlern. Seit über 15 Jahren habe man den moderaten Kräften um Arafat und Abbas äußerst großzügige Angebote gemacht, doch diese seien nicht fähig und bereit, ihre eigenen Probleme, den Terror in Gaza, Judäa und Samaria, in den Griff zu bekommen. Und überhaupt, der Westen sei der eigentliche Verlierer der letzten Jahre: von Nordkorea bis Chavez und zurück zu Ahmadinedschad, überall nur Niederlagen für die westlichen Werte. »Wir sind die Repräsentanten des Westens im Nahen Osten«, dient er sich an, während Innenminister Eli Yishai in Ostjerusalem verkündet, dass die israelische Regierung eine Regierung der Siedler und Siedlungen sei.

Worüber soll man mit jemand sprechen, der über den Siedlungsstopp nicht reden will, aber sagt, dass der Rückzug auf die Grenzen von 1967 keinen Frieden bringen wird? Der meint, dass man mit Kompromissen alles erreichen könne, nicht aber mit einer Zwei-Staaten-Lösung mit 20 Prozent Arabern im jüdischen Staat? Der die Arbeitslosigkeit in Gaza eine unmögliche Situation nennt, die Forderung nach Aufhebung der Blockade aber mit der Behauptung kontert, dass jeder Transfer von Geld nur zum Kauf von Waffen, Munition und Sprengstoff verwendet werde, nicht aber für Schulen und Krankenhäuser?

Dieser kleine Mann, der sichtlich freudlos seine tour d’Europe ohne Presse- und Fototermin absolviert, hat durchaus feste politische Vorurteile, selbst wenn er betont, dass die Außenpolitik erst zum 18. Mai stehe, wenn Netanjahu und Obama sich in Washington treffen. Vieles ist altbekannt. Man dürfe wie beim Hausbau nicht mit dem Dach, sondern müsse mit den Grundmauern beginnen. Und diese seien für Israel zuallererst Sicherheit und Stabilität und für alle Wohlstand. Erst darauf könne man eine politische Lösung bauen. Verbal kommt Liebermann nunmehr auf Taubenfüßen daher, aber sein Bekenntnis zu einem jüdischen Staat, dessen Anerkennung er gemeinsam mit seinem Premier den Palästinensern zur Bedingung macht, ist aus seinem Mund eine unverhohlene Drohung gegen alle Araber in Israel und im Westjordanland.

Höflich, aber ebenso freudlos trennt man sich nach einer Stunde von diesem Abgesandten einer Regierung, die nur einen Vorzug hat: Man kann sich keine falschen Hoffnungen und Illusionen mehr machen. Auf dem Tisch liegt ein hartes antipalästinensisches Programm mit einem eingefleischten Feindbild, dessen rassistische Untertöne nicht dadurch verschwinden, dass Liebermann auch seine orthodoxen Glaubensbrüder angreift wegen ihrer Reisen nach Teheran und der Leugnung des Holocaust. Obama wird es schwer haben, diesen Klotz zu bearbeiten. Aber er muss ihn überwinden, wenn er es wirklich ernst damit meint, den beiden Völkern Frieden zu bringen.

* Norman Paech ist außenpolitischer Sprecher der Fraktion der LINKEN im Bundestag.

Aus: Neues Deutschland, 9. Mai 2009



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