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Für Netanjahu zu teuer

Israels Premier sagt Teilnahme an Beerdigung Mandelas ab. Minister will Teile der Westbank annektieren

Von Karin Leukefeld *

Der israelische Wirtschaftsminister Naftali Bennett hat vorgeschlagen, Teile des palästinensischen Westjordanlandes (Westbank) zu annektieren. Er sei dafür, eine bestimmte Zone, »in der 400000 Siedler und nur 70000 Araber leben, der vollen Souveränität Israels zu unterstellen«, erklärte Bennett, Vorsitzender der religiösen Siedlerpartei das Jüdische Haus. Israel solle die volle militärische Kontrolle in diesen Teilen der Westbank übernehmen. Bennett machte sich über die von den USA vermittelten Friedensgespräche zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde lustig. »Das ist alles ein Witz«, sagte er im öffentlichen israelischen Rundfunk. »Es ist, als ob wir über den Kauf eines Autos verhandeln, aber nur mit der Hälfte seiner Besitzer«, sagte er. Gemeint war offenbar, daß Israel über den »Kauf« der Palästinensergebiete nur mit der Palästinenserbehörde rede, die die Westbank kontrolliert. Nicht beteiligt ist die Hamas, die die Regierung im Gazastreifen stellt.

Andere Mitglieder der israelischen Regierung äußerten sich ähnlich, wenn auch nicht ganz so drastisch wie Bennett über die israelisch-palästinensischen Gespräche, die erneut im Juli begonnen hatten. Israel habe »keinen Partner auf der palästinensischen Seite, um eine Zwei-Staaten-Lösung für zwei Völker zu erreichen«, sagte Verteidigungsminister Moshe Yaalon am Samstag. Das Finanzministerium stellte weitere 26 Millionen US-Dollar für den Bau von noch mehr Wohnungen für Siedler in den palästinensischen Gebieten zur Verfügung.

Nicht nur von Seiten der Palästinenser wird der anhaltende Siedlungsbau Israels als größtes Hindernis für Frieden in der Region angesehen. Ähnlich hatte sich der ehemalige US-Präsident James Carter im Rahmen einer Delegationsreise geäußert, als er die israelische Besiedlung Ostjerusalems kritisierte. Israel scheine nicht am Frieden interessiert zu sein, sagte Carter. Ostjerusalem soll die Hauptstadt eines zukünftigen Staates Palästina werden.

Erst Anfang November hatte Israel vorgeschlagen, daß die völkerrechtswidrige Trennmauer, die es gegen die Palästinenser errichtet hat, die neue Außengrenze des Landes werden solle. Tatsächlich ist die Mauer vielerorts auf palästinensischem Boden gebaut. Die Stadt Bethlehem, in der zu Weihnachten wieder viele Besucher erwartet werden, ist von der Mauer nahezu vollständig eingeschlossen.

Das gewaltsame Vorgehen israelischer Sicherheitskräfte gegen palästinensische Demonstranten hat derweil am Wochenende weitere Todesopfer gefordert. Am Samstag starb der 14jährige Wajdi Wajih Al-Ramahi im Flüchtlingslager Jalazoun durch einen Schuß in den Rücken. Der Vater des Jungen machte einen Scharfschützen der israelischen Streitkräfte für den Tod seines Sohnes verantwortlich. Er werde eine Autopsie vornehmen lassen und die israelische Armee verklagen, sagte er in Ramallah. Die israelische Armee wies die Anschuldigung zurück und kündigte eine Untersuchung an. Mahmoud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, sprach von einer »kaltblütigen Ermordung«.

In Bethlehem wurde ein 24jähriger Palästinenser beerdigt. Der Mann war Ende November von freiwilligen israelischen Grenzschützern bei einer Razzia gegen illegale Arbeiter erschossen worden. Ebenfalls am Wochenende erlag ein anderer junger Mann seinen Schußverletzungen, die ihm von israelischen Soldaten zugefügt worden waren. Der Mann hatte sieben Monate im Koma gelegen.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat derweil seine Teilnahme an der Beerdigung von Nelson Mandela abgesagt. Weil die Reise kurzfristig gebucht werden müsse, wäre sie zu teuer, hieß es in israelischen Medien. Sicherheitsvorkehrungen, Flug und Unterkunft von Netanjahu und Begleitern würden etwa zwei Millionen US-Dollar kosten.

Als lebenslanger Kritiker der Apartheid hatte Nelson Mandela auch das israelische Besatzungsregime scharf kritisiert. Seine Aussage »Wir wissen nur zu gut, daß unsere Freiheit unvollständig ist ohne die Freiheit der Palästinenser« wurde bei Gedenkveranstaltungen der Palästinenser am Wochenende vielfach zitiert. Israel gehörte zu den Staaten, die das südafrikanische Apartheidregime stets unterstützt hatten.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 10. Dezember 2013


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