Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Neue Hoffnungszeichen im Iran-Atomstreit

Heftige Kritik an Israels Führung *

Im Atomstreit mit Iran gibt es Anzeichen für Zugeständnisse der USA und die Aussicht auf weitere Gespräche zwischen der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA und Teheran. Wie die »Los Angeles Times« am Samstag berichtete, erwäge die Obama-Regierung, Iran die Anreicherung von Uran bis auf fünf Prozent zuzubilligen. Im Gegenzug müsse Teheran unbehinderten internationalen Kontrollen seines Atomprogramms zustimmen. Wenn der Iran auf diese Forderungen eingehe, könne es Verhandlungen darüber geben, zitiert die Zeitung einen hochrangigen US-Regierungsvertreter. Schon im Vorfeld hatten Nuklearexperten des Weißen Hauses von einem Verhandlungsspielraum gesprochen. »Wir erkennen an, dass Iran das Recht auf ein ziviles Atomprogramm hat, sofern es auf unsere Besorgnis mit Blick auf die nuklearen Aktivitäten eingeht«, sagte der Atomexperte Gary Samore. Iran und die IAEA wollen ihre Gespräche Mitte Mai fortsetzen. Der iranische IAEA-Botschafter Ali-Asgar Soltanieh sagte der amtlichen Nachrichtenagentur Irna, man beabsichtige, mit der Behörde zu kooperieren. Außenminister Ali-Akbar Salehi zeigte sich am Sonntag mit Blick auf die nächste Gesprächsrunde in Bagdad optimistisch.

Allerdings haben die USA nach Medienberichten auch mehrere Tarnkappenjäger in die Nähe Irans verlegt. Ein Luftwaffensprecher erklärte am Samstag im TV-Sender »ABC News«, es handle sich jedoch um eine Routineaktion. Die Verlegung der Kampfjets sei nicht als Drohgebärde an Teheran zu verstehen.

In Sorge vor erneuten Protesten in der muslimischen Welt ist das Pentagon, weil der umstrittene US-Pastor Terry Jones erneut mehrere Ausgaben des Koran sowie ein Bild des Propheten Mohammed verbrannt hat. Wie die Zeitung »The Gainesville Sun« am Sonntag berichtete, wollte er mit der Aktion gegen die Inhaftierung des evangelischen Pastors Jussef Nadarchani in Iran protestieren. Nadarchani droht die Todesstrafe, weil er als Muslim zum Christentum konvertiert war.

Der ehemalige israelische Geheimdienstchef Juval Diskin hat Israels politische Führung derweil scharf angegriffen und ihr Täuschung im Atomstreit mit Iran vorgeworfen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak »tun so, als ob Iran eine Atombombe haben wird, falls Israel nicht dagegen vorgeht«. Ein Angriff könne die Iraner jedoch gerade dazu anstacheln, die Bombe noch viel schneller zu entwickeln.

* Aus: neues deutschland, Montag, 30. April 2012


Bereit zum Dialog

Von Olaf Standke **

So viel Ein- und Zuversicht wie in diesen Tagen war selten im jahrelangen Streit um Irans Nuklearprogramm. Aus Washington hörte man erneut, dass Teheran natürlich das Recht habe, die atomaren Kräfte zivil zu nutzen. Man könnte sogar eine Anreicherung von Uran auf fünf Prozent erlauben - vorausgesetzt, Iran unterziehe sich den strengen Kontrollen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Und da zeigt sich nun wiederum Teheran moderat und verspricht, die westlichen Bedenken, es wolle eine Atombombe bauen, endgültig auszuräumen. Begonnen werden soll damit in diesem Monat, wenn erst bei der IAEA in Wien und beim Bagdader Treffen mit der 5+1-Gruppe die nächsten Gespräche anstehen. Nun lehren die Erfahrungen, dass am Ende die Fallstricke im Kleingedruckten lauern, und hier steht man noch am Anfang. Doch sollte demnächst die Dialogbereitschaft auf Augenhöhe mit konkreten, belastbaren Verhandlungsdetails untermauert werden, könnte dieses Jahr, das mit massiven Kriegsdrohungen gegen Iran begann, tatsächlich einen Durchbruch bringen. Die Frage wird so mehr und mehr, wie sich Israel verhält. Gerade hat ein ehemaliger Geheimdienstchef der Regierung vorgeworfen, sie täusche die Öffentlichkeit, wenn sie einen Militärschlag als Allheilmittel preise. Der würde Teheran nur anstacheln.

** Aus: neues deutschland, Montag, 30. April 2012 (Kommentar)


Aufmarsch am Golf

Modernste US-Kampfflugzeuge in Nähe Irans verlegt. Kritik an Kriegspropaganda

Von Knut Mellenthin ***


Die US-Regierung verlegt noch mehr Kriegsgerät in die Region am Persischen Golf. Während die Gespräche über das iranische Atomprogramm anscheinend Fortschritte machen, baut Washington demonstrativ eine militärische Drohkulisse auf. Am Sonnabend bestätigte die U.S. Air Force, daß mehrere Kampfflugzeuge vom Typ F-22 in »Südwest­asien« stationiert worden seien. Der Sprecher äußerte sich weder zur Zahl der verlegten Maschinen noch zu ihrem Stationierungsort.

Die meisten Vermutungen richten sich auf die Al-Dhafra-Air-Base in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Al-Dhafra gehört zu einem Komplex von See-, Land- und Luftstützpunkten in der Umgebung der VAR-Hauptstadt Abu Dhabi, der seit Mai 2009 von Frankreich genutzt wird, aber auch den USA zur Verfügung steht. Diese haben dort bereits Flugzeuge zum Auftanken in der Luft und Überwachungsflugzeuge, darunter auch Drohnen, stationiert. Al-Dhafra liegt in der Nähe der strategischen Meerenge von Hormus, nur etwa 300 Kilometer von der nächsten iranischen Küste entfernt.

Der Jäger F-22, auch Raptor genannt, ist das modernste Flugzeug seiner Art nicht nur in der US-Luftwaffe, sondern weltweit. Seine Stealth-Technik – die ihn für Radarsysteme »unsichtbar« macht –, seine Schnelligkeit, Wendigkeit und Präzision geben ihm eine hohe Überlegenheit. Zumindest weisen die Daten dieser Maschine eindeutig darauf hin. Im praktischen Einsatz wurde das allerdings noch niemals erprobt, da sich in den vergangenen Jahren nirgendwo Gelegenheit für echte Luftkämpfe ergab.

Schon im März hatte die Air Force die Verlegung mehrerer F-15-Kampfflugzeuge auf einen nicht näher bezeichneten Stützpunkt im Bereich des Kommandos Mitte bekanntgegeben. Zu diesem gehören der Nahe Osten einschließlich Ägypten und Israel, die arabische Halbinsel, der Iran, aber auch Afghanistan und Pakistan. Ebenfalls im vorigen Monat meldete die Kriegsmarine der USA die Verdoppelung ihrer Minensucher in der Region rund um die Straße von Hormus auf acht. Außerdem wurden vier weitere auf die Minensuche spezialisierte Hubschrauber vom Typ CH-53 in das Gebiet entsandt.

Unterdessen äußerte sich nach dem Generalstabschef der israelischen Streitkräfte, Benny Gantz, auch der frühere Direktor des Schin Bet, Juwal Diskin, kritisch zur Kriegspropaganda gegen Iran. Der 52jährige hatte den Inlandsgeheimdienst, dem er schon seit 1978 angehörte, von 2005 bis 2011 geleitet. Bei seinem Auftritt auf einem Diskussionsforum in der Stadt Kfar Saba am Freitag sagte Diskin laut einem Bericht der Tageszeitung Haaretz: »Mein größtes Problem ist, daß ich kein Vertrauen in die derzeitige Führung habe, die uns bei einem Ereignis vom Umfang eines Krieges mit Iran oder eines regionalen Krieges führen müßte. Ich traue weder dem Premierminister noch dem Verteidigungsminister. Ich mißtraue einer Führung, die Entscheidungen auf der Grundlage messianischer Gefühle trifft. (…) Glauben Sie mir, ich habe sie aus nächster Nähe beobachtet. (…) Das sind nicht die Leute, die ich mir bei einem solchen Ereignis am Steuerrad wünsche. (…) Sie täuschen die Öffentlichkeit über das Iran-Problem. Sie sagen der Öffentlichkeit, daß Iran keine Atombombe bekommen wird, wenn Israel handelt. Das ist irreführend. Tatsächlich meinen viele Experten, daß ein israelischer Angriff das iranische Atomstreben beschleunigen würde.«

Beim selben Anlaß äußerte sich Dis­kin auch sehr deutlich zum Konflikt mit den Palästinensern: »Vergessen Sie die Geschichte, daß (Präsident Mahmud) Abbas nicht an Verhandlungen interessiert sei. Wir sprechen nicht mit den Palästinensern, weil diese Regierung kein Interesse an Verhandlungen hat. Dieser Premierminister (Benjamin Netanjahu) weiß, daß seine wohleingerichtete Herrschaft und seine Koalition auseinanderfallen würden, wenn er sich auch nur einen ganz kleinen Schritt nach vorn bewegt.«

*** Aus: junge Welt, Montag, 30. April 2012


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