Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Hungerstreik ignoriert

2000 palästinensische Gefangene protestieren gegen Haftbedingungen. Wachsende Kritik an Haltung der Bundesregierung

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Das Auswärtige Amt in Berlin hat am Sonntag einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel dementiert, wonach Bundesaußenminister Guido Westerwelle gegenüber der palästinensischen Vertretung in Deutschland gemachte Zusagen zurückgenommen habe. »Die angekündigte Aufwertung der palästinensischen Mission in Deutschland gilt und wird umgesetzt«, sagte ein Ministeriumssprecher am Sonntag der Nachrichtenagentur dapd. Dem Blatt zufolge hatte Westerwelle im Februar bei einem Besuch in Ramallah versprochen, den Diplomaten in Berlin einen höheren Rang einzuräumen und die Vertretung von einem Botschafter führen zu lassen. Nun jedoch habe man den Palästinensern in einer Verbalnote mitgeteilt, ihr Vertreter dürfe sich zwar Botschafter nennen, daraus würden sich jedoch »keinerlei zusätzliche Privilegien oder Immunität« ergeben.

Das Verhalten der Bundesregierung stößt bei in Deutschland lebenden Palästinensern zunehmend auf Kritik. Unter Anspielung auf das aufgeregte Stimmengewirr um die frühere ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko richtete die Fatah-Jugend einen offenen Brief an Bundespräsident Joachim Gauck: »Danke, daß Sie so mutig für die Menschenrechte eintreten. Jetzt hoffen wir auf Ihr unerschrockenes Eintreten für die Tausenden seit Wochen im Hungerstreik befindlichen Palästinenser in israelischer Haft.« Am Sonntag nachmittag nahmen mehrere hundert Menschen an einer Solidaritätskundgebung für die Inhaftierten vor der US-Botschaft in Berlin teil. Sie protestierten damit auch gegen Strafmaßnahmen, mit denen die israelischen Militärbehörden auf den Protest von mehr als 2000 palästinensischen Gefangenen geantwortet hat. Die Nachrichtenagentur Maan News berichtete am Sonntag, daß das Gefängnispersonal 30 Hungerstreikenden persönliche Gegenstände abgenommen habe. Für komplette Durchsuchungen hätten die Gefangenen sich nackt ausziehen müssen. Einige Gefangene seien in kleine Container aus Metall in ein Gefängnis in der südisraelischen Wüste Negev verlegt worden.

Der Protest der palästinensischen Gefangenen hatte Ende Februar in mehreren israelischen Haftanstalten begonnen und sich Mitte April massiv ausgeweitet. Er richtet sich gegen langjährige Inhaftierungen ohne Verurteilung, gegen die Isolationshaft sowie gegen eingeschränkte Besuchsrechte. Außerdem fordern die Hungerstreikenden besseren Zugang zu Bildung und Ausbildung während ihrer Haftzeit.

300 der rund 5000 palästinensischen Gefangenen befinden sich ohne Anklage und ohne Verfahren in Administrativhaft. Zu ihnen gehört der 33jährige Thaer Halahla aus Hebron, der sich seit August 2010 ohne Anklage in Haft befindet und seit 68 Tagen die Nahrungsaufnahme verweigert. 19 der hungerstreikenden Gefangenen befinden sich in Isolationshaft, darunter auch Ahmad Saadat, der Vorsitzende der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP).

Scharf hat Richard Falk, UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte in den besetzten Gebieten, die westlichen Medien für ihr Schweigen über den Hungerstreik kritisiert. Würde eine so dramatische Aktion in einem anderen Land der Welt stattfinden, würde rund um die Uhr berichtet, schrieb Falk in der vergangenen Woche auf seinem Internetblog. Die Bereitschaft der Gefangenen, ihre Gesundheit und ihr Leben aufs Spiel zu setzen, und ihr »gewaltloser Protest gegen schwere Mißhandlungen in israelischen Gefängnissen« dürften nicht ignoriert werden.

* Aus: junge Welt, Montag, 7. Mai 2012

Keine Haftentlassung Hungerstreikender

Der Oberste Gerichtshof Israels hat die Inhaftierung zweier Palästinenser bestätigt, die sich seit mehr als zwei Monaten im Hungerstreik befinden. Ein Hungerstreik könne nicht das Kriterium sein, ob jemand aus dem Gefängnis entlassen werde, verkündete das Gericht am Montag. Die 27 und 34 Jahre alten Palästinenser protestieren mit ihrem am 29. Februar begonnenen Hungerstreik gegen die sogenannte Verwaltungshaft, die es Israel erlaubt, Häftlinge praktisch unbegrenzt ohne Anklageerhebung festzuhalten. Etwa ein Drittel der in Israel inhaftierten Palästinenser befindet sich derzeit im Hungerstreik. Nach offiziellen Angaben beteiligen sich rund 1550 der etwa 4700 Gefangenen daran. (nd, 08.05.2012)




U-Boot-Lieferung: Dazubezahlt

Von Knut Mellenthin **

Israel hat am Donnerstag in Kiel sein viertes in Deutschland gebautes U-Boot in Empfang genommen. Zur Taufe, die »unter strengen Sicherheitsvorkehrungen« auf der HDW-Werft stattfand, war Prominenz aus dem israelischen Verteidigungsministerium und den Streitkräften, einschließlich des Marinechefs Ram Rotberg, angereist. Das Schiff soll nun in Übungen getestet, möglicherweise mit israelischer Technik nachgerüstet und voraussichtlich Mitte 2013 in Dienst gestellt werden.

Mit 68 Metern Länge ist die »Tanin« größer als ihre Vorgängerinnen und auch technisch eine Weiterentwicklung gegenüber den zwischen 1998 und 2001 gelieferten deutschen U-Booten. Angeblich kann sie bis zu zwei Wochen unter Wasser bleiben und ist noch schwerer zu orten. Laut deutschen Pressemeldungen werden die drei älteren Schiffe gerade unter Mitwirkung von HDW in Israel »modernisiert«, was immer das genau bedeuten mag. In welchem Umfang sich die Bundesregierung finanziell daran beteiligt, ist nicht bekannt.

Vom Kaufpreis der »Tanin«, ungefähr 500 bis 550 Millionen Euro, tragen die deutschen Steuerzahler mindestens 135 Millionen. Das neue U-Boot kommt sie damit deutlich günstiger als die drei früheren: Die ersten beiden hatte Israel von Deutschland glatt geschenkt bekommen, beim dritten mußte es nur die Hälfte der Rechnung selbst begleichen. Mehr oder weniger verschämt werden in diesem Zusammenhang die Worte »Wiedergutmachung« und »Staatsräson« geflüstert oder gelegentlich, wie etwa in der Springerpresse, auch heraustrompetet.

Zu den jetzigen finanziellen Konditionen wird Israel auch noch ein fünftes und sechstes U-Boot von HDW erhalten. Laut Plan soll die Übergabe 2013 und 2014 erfolgen.

Die U-Boot-Lieferungen an Israel, in deutschen Medien zumeist nur ein sehr kleines Thema, waren vor kurzem durch das Gedicht von Günter Grass gegen den geplanten Iran-Krieg ins Gerede gekommen. Der Autor hatte sich auf die allgemein unbestrittene Vermutung bezogen, daß die Schiffe inzwischen mit Atomwaffen ausgerüstet seien, und hatte vor diesem Hintergrund über einen »Erstschlag« Israels und eine mögliche »Auslöschung« des iranischen Volkes spekuliert. In einem erschreckenden Gleichklang, der ansonsten nur in totalitären Staaten erreichbar ist, war der deutsche Mainstream daraufhin über Grass hergefallen.

Israel, das zu allen Fragen um seine Atomwaffen grundsätzlich nicht Stellung nimmt, hat niemals versprochen, daß es diese nicht vielleicht unter bestimmten Umständen auch für einen Erstschlag nutzen würde. Von allen Atommächten hat überhaupt nur China eine solche Erklärung abgegeben.

** Aus: junge Welt, Montag, 7. Mai 2012


Zurück zur Israel-Seite

Zur Palästina-Seite

Zurück zur Homepage