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Gefangene hungern

Proteste von Palästinensern in israelischen Gefängnissen gegen Schikanen und Isolationshaft

Von Karin Leukefeld *

Tausende Menschen haben am Montag (3. Okt.) in mehreren Städten Palästinas für die Rechte palästinensischer Gefangener in israelischen Gefängnissen demonstriert. In Nablus und Gaza-Stadt versammelten sich die Protestierenden vor den Gebäuden des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), in Ramallah errichtete die Gruppe »Unabhängige Jugend« ein Zeltlager auf dem zentralen Yassir-Arafat-Platz. Sie warfen den Vertretern der palästinensischen Autonomiebehörde (PA) vor, nicht genug für die Inhaftierten zu tun. Nach PA-Angaben befinden sich derzeit rund 6000 Palästinenser in israelischen Gefängnissen, darunter 219 ohne Angaben von Gründen in sogenannter Administrativhaft. Verhandlungen darüber, den israelischen Soldaten Gilad Schalit gegen Hunderte palästinensische Gefangener auszutauschen, waren 2010 gescheitert. Die Autonomiebehörde hatte damals verhindern wollen, daß die Hamas, in deren Gewalt sich Schalit befindet, durch einen erfolgreichen Gefangenenaustausch an Ansehen gewinnen könnte.

Nach Angaben der Hilfsorganisa­tion ADAMEER hatten Gefangene, die der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) angehören, in der vergangenen Woche mit einem Hungerstreik begonnen. Sie protestieren vor allem gegen die Haftbedingungen ihres Vorsitzenden Ahmad Saadat, der seit drei Jahren in Isolation gehalten wird. Den Protesten schlossen sich auch Gefangene aus der Hamas und der Fatah an, informierte die Organisation. Nach Angaben einer Sprecherin der israelischen Gefängnisbehörde sollen sich 160 Gefangene an dem Hungerstreik beteiligen. Neben der Beendigung von Isolationshaft und kollektiven Bestrafungen durch Zellenrazzien oder Zusatzsanktionen fordern die Gefangenen eine bessere Gesundheitsversorgung und das Recht, an Fernkursen der Universität teilnehmen zu können sowie Bücher, Zeitungen und eigene Kleidung zu erhalten. Weiter richtet sich ihr Protest gegen die erniedrigende Behandlung durch die israelischen Gefängnisbehörden. So dürfen die Inhaftierten im Monat lediglich 30 Minuten Besuch erhalten und werden während dieser Zeit an Händen und Füßen gefesselt, selbst wenn sie von Angehörigen oder einem Anwalt besucht werden.

PA-Ministerpräsident Salam Fayyad erklärte sich am Montag (3. Okt.) bei einem Empfang der deutschen Vertretung in Ramallah mit den Forderungen der Gefangenen solidarisch. Die Freiheit der Gefangenen sei untrennbar mit der Freiheit seines Landes verbunden, so Fayyad. Ihr Kampf sei Teil des Kampfes der Palästinenser für ihre nationale Würde. So, wie die Deutschen die Berliner Mauer zu Fall gebracht und Deutschland wiedervereinigt hätten, so würden auch die Palästinenser die israelische Apartheidmauer und die israelischen Siedlungen zu Fall bringen, betonte der Politiker.

In der Nacht zu Montag wurde in dem nordisraelischen Ort Tuba Zangaria eine Moschee zerstört und in Brand gesetzt. Für die Tat machen Einwohner radikale jüdische Prediger verantwortlich, die gegen die Araber hetzten. An der Moschee standen die Parolen »Rache« und »Preisschild«. Letzteres steht für eine Kampagne radikaler Siedler, mit der sie sich an den Palästinensern für jedes Einschreiten der israelischen Armee gegen sie rächen. Nachdem in Ramallah am Wochenende erneut Olivenhaine zerstört wurden, hat das palästinensische Landwirtschaftskomitee Freiwillige aufgerufen, die Bauern, das Land und die bevorstehende Olivenernte vor weiteren Angriffen der Siedler zu schützen.

Bei seinem Antrittsbesuch in Tel Aviv hat US-Verteidigungsminister Leon Panetta unterdessen Israel vor einer weiteren Isolation im Mittleren Osten gewarnt. Angesichts der Umwälzungen in der Region sei Israel in »keiner guten Lage«. Militärische Macht könne die geschwächte diplomatische Position des Landes gegenüber seinen Nachbarn und weiteren Ländern nicht ausgleichen. Israel müsse seine Beziehungen mit der Türkei und mit Ägypten wieder in Ordnung bringen. Panetta forderte sowohl Israel als auch die Palästinenser zu neuen Verhandlungen auf. Während letztere dazu weiter auf einem Stopp des Siedlungsbaus beharren, forderte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, die Palästinenser sollten ihren Antrag bei der UNO auf Mitgliedschaft ihres Landes zurückziehen.

* Aus: junge Welt, 5. Oktober 2011


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