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Kritik an schwarzer Liste für Israel-Flüge

Lufthansa will sich an Vorgabe Israels halten *

Die schwarze Liste mit einem Reiseverbot von pro-palästinensischen Aktivisten nach Israel ist auf Kritik gestoßen. Aktivisten hatten am Morgen Schalter am Pariser Flughafen Charles de Gaulle belagert. »Israel hat seine Grenzkontrolle nach Europa verlegt und die Fluggesellschaften kooperieren dabei«, sagte Sophia Deeg vom »Deutschen Koordinationskreis Palästina Israel« am Freitag (8. Juili) der Nachrichtenagentur dpa. Außerdem richteten sich diese willkürlichen Kontrollen gegen unbescholtene europäische Bürger.

Ein Mitglied der Initiative »Willkommen in Palästina« wurde laut Deeg am Freitag (8. Juli) in Berlin an der Abreise nach Israel gehindert. Die Lufthansa habe der Frau am Donnerstag (7. Juli) telefonisch mitgeteilt, dass sie nicht mitgenommen werde. Die Betreffende sei Dokumentarfilmerin. Die britische Staatsbürgerin lebe schon lange Zeit in Deutschland. »Die Frau ist total empört, dass sie nicht einreisen darf«, sagte Deeg.

Israel hat nach Medienberichten ausländischen Fluggesellschaften einen Liste mit 342 Namen übergeben. Diesen Personen - von Israel als Provokateure und Hooligans dargestellt - wird die Einreise verweigert. Rund 200 pro-palästinensische Aktivisten wurden laut israelischem Rundfunk am Freitagmorgen auf den Abflughäfen in mehreren Staaten nicht abgefertigt. Die Teilnehmer der Initiative wollten nach Angaben der Organisatoren eine Woche lang mit palästinensischen Familien im Westjordanland verbringen und Flüchtlingslager besuchen.

Die Lufthansa will sich an die Vorgabe Israels halten, keine pro-palästinensischen Aktivisten an Bord ihrer Flugzeuge nach Tel Aviv zu lassen. »Es besteht eine Verpflichtung, den Einreisegesetzen und behördlichen Anordnungen der Zielstaaten Folge zu leisten«, sagte ein Sprecher am Freitag in Frankfurt.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Juli 2011


Lange Lufthansa-Listen

Von Roland Etzel **

Sieg für Netanjahu auf der ganzen Linie. Nicht ein einziger Ausländer hat es geschafft, gestern im Rahmen der Aktion »Willkommen in Palästina!« in Tel Aviv einzureisen. Damit durfte freilich gerechnet werden. Der israelische Regierungschef hatte angekündigt, die Palästina-Freunde mit gewohnter Kompromisslosigkeit zu behandeln. Für seine »Dienste« war es folglich nur eine leichte Übung, diverse Kanäle zu aktivieren, um »verdächtige« Passagiere in Deutschland oder Frankreich gar nicht erst in Flugzeuge nach Tel Aviv einsteigen zu lassen.

Aufschlussreich ist die Sache dennoch. Die israelische Regierung hat sich nicht in einem einzigen Fall die Mühe gemacht zu beweisen, dass, wie zuvor behauptet, »Polit-Hooligans« unf gewaltbereite Provokateure einreisen wollten. Die Bundesregierung interessiert sich offenbar auch nicht dafür. Und bestimmt wusste auch noch nicht jeder, wie selbstverständlich sich zum Beispiel die Deutsche Lufthansa an die von Israels Diensten erstellten immer längeren Schwarzen Listen gebunden fühlt.

Für Netanjahu wiederum ist es schön zu wissen: Im Hause Westerwelle gelten weiter doppelte Standards. Man stelle sich nur vor, das Einreiseziel wäre nicht Tel Aviv, sondern Minsk oder Peking gewesen. Deren Botschafter hätten sich mindestens zum Abholen einer Rüge im Auswärtigen Amt einfinden müssen. Für die Palästinenser ist es ein Zeichen, dass die von ihnen geplante Staatsgründung von Berlin nicht goutiert wird.

** Aus: Neues Deutschland, 9. Juli 2011 (Kommentar)


Flugverbotszone Europa

Von André Scheer ***

Die israelische Regierung hat am Freitag (8. Juli) auf zahlreichen europäischen Airports für Chaos gesorgt. Tel Aviv hatte mehreren Fluggesellschaften eine Liste mit den Namen von 342 Personen zugestellt, die »unerwünscht« seien. Den Airlines wurde angedroht, daß sie diese Menschen sofort auf eigene Kosten wieder zurückbringen müßten. Außerdem würde sich der Abflug von Maschinen aus Tel Aviv verzögern. Lufthansa, Easy­Jet und andere Unternehmen beugten sich den Drohungen der israelischen Regierung und verweigerten in zahlreichen Flughäfen Europas insgesamt rund 200 Menschen das Einchecken. In Paris kam es daraufhin zu lautstarken Protesten. Eine Gruppe von etwa 50 Menschen besetzte den Abfertigungsbereich der Lufthansa, nachdem diese ihnen die Abreise nicht gestattet hatte.

In Berlin ließ die Lufthansa Cynthia Beatt nicht an Bord. Gegenüber junge Welt zeigte sich die Filmemacherin, die Wert darauf legte, keine »Aktivistin« zu sein und keiner Gruppe anzugehören, tief enttäuscht und entsetzt über das willkürliche Vorgehen Israels. Ihr seien keine Gründe genannt worden, warum sie nicht an der Reise teilnehmen dürfe. Jemandem, gegen den nichts vorliege, das Betreten des Landes zu verwehren, hätte sie eher in Diktaturen »wie früher in Argenti­nien oder Brasilien« erwartet. Sie habe schon lange Palästina besuchen und nun die Gelegenheit wahrnehmen wollen, dies mit einer großen Gruppe zu tun. Man habe Israel lediglich als Transitland nach Palästina durchfahren wollen. Beatt will gegen das grundlose »Anschwärzen« ihrer Person durch Tel Aviv juristische Maßnahmen ergreifen.

Trotz der massiven Vorkehrungen gelang es einigen im Verlauf des Freitag doch noch, den internationalen Flughafen »Ben Gurion« in Tel Aviv zu erreichen, der von rund 600 zusätzlichen Polizisten abgeriegelt worden war. Dutzende Menschen, die als Ziel ihrer Reise Palästina angaben, wurden von den Grenzbehörden festgenommen und sollten abgeschoben werden. Auch fünf israelische Menschenrechtsaktivisten, die mit Schildern die Ankommenden »in Palästina« begrüßen wollten, wurden verhaftet.

Die Aktion »Willkommen in Palästina« war von zahlreichen Solidaritäts- und Menschenrechtsorganisationen vorbereitet worden. Die einzige »Provokation« sollte darin bestehen, daß die Ankommenden gegenüber den israelischen Behörden Palästina als ihr Reiseziel angeben sollten – und nicht Israel, wie sonst zur Vermeidung von Schwierigkeiten üblich. Für Israels Sicherheitsminister Yitzhak Aharonowitz stellten diese Touristen hingegen »Gesetze brechende Hooligans« dar, wie er von Medien seines Landes zitiert wurde.

Unterdessen setzt die Gaza-Freiheitsflottille ihre Versuche fort, sich doch noch auf den Weg in das von Israel abgeriegelte Palästinensergebiet machen zu können. Die schwedisch-griechisch-norwegische »Juliano« fuhr weiter durch griechische Hoheitsgewässer nach Süden und sollte am Freitag abend den Hafen von Chania auf Kreta erreichen. Zuvor hatte sich die Verwaltung der Insel Kythira, wo die »Juliano« die Nacht zum Freitag verbracht hatte, mit der Flottille solidarisch erklärt und der Besatzung ein symbolisches Paket mit Medikamenten zum Transport nach Gaza übergeben. Spanische Aktivisten hielten auch am Freitag die Botschaft ihres Landes in Athen besetzt, um eine Aufhebung des Auslaufverbots für ihr Schiff »Gernika« zu erreichen.

*** Aus: junge Welt, 9. Juli 2011


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