Drohungen aus Tel Aviv
Israel kontert Forderungen aus Brüssel nach Verhandlungen mit Palästinensern
Von Karin Leukefeld *
Mit deutlichen Drohungen setzt Israel sich gegen wachsende Kritik aus
der EU zur Wehr. Der Friedensprozeß im Nahen Osten habe nichts mit den
israelisch-europäischen Beziehungen zu tun, sagte Ministerpräsident
Netanyahu am Wochenende und reagierte damit auf Äußerungen der
EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Diese hatte erklärt, die
Zeit sei nicht reif, »um über das derzeitige Niveau der Beziehungen
(zwischen Israel und der EU) hinauszugehen.« Man erwarte »ein klares
Bekenntnis der neuen Regierung zu der Fortsetzung der Verhandlungen mit
den Palästinensern.« Der EU-Außenbeauftragte Javier Solana hatte – wie
zuvor auch die US-Administration – die Regierung Netanyahu aufgefordert,
sich eindeutig zur Zwei-Staaten-Lösung zu bekennen und die
Siedlungspolitik in den besetzten palästinensischen Gebieten aufzugeben.
Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman sieht hingegen die
Verhandlungen mit den Palästinensern »in einer Sackgasse«. Und Netanyahu
forderte, die Palästinenser müßten zunächst Israel als »jüdischen Staat«
anerkennen, dann werde man weitersehen. Die liberale israelische
Tageszeitung Haaretz berichtete am Wochenende, daß Rafi Barak, der
stellvertretende Direktor für Europaangelegenheiten im israelischen
Außenministerium, europäische Botschafter in Israel angerufen habe, um
den Unmut seiner Regierung über die europäische Kritik kundzutun. Die
Äußerungen von Ferrero-Waldner seien von Zeitpunkt und Ton wie in der
Form unakzeptabel, die Vertreter Frankreichs, Großbritanniens und
Deutschlands hätten ganz oben auf der Telefonliste gestanden, so
Haaretz-Reporter Barack Ravid.
Die neue israelische Regierung brauche Zeit, um ihre Politik zu
formulieren, so Barak, »die großen EU-Staaten hätten das eingesehen«.
Wenn die EU als Partner im diplomatischen Prozeß (von Israel) akzeptiert
werden wolle, müsse es »einen reifen und diskreten Dialog« führen und
sich »nicht in öffentliche Erklärungen flüchten«. Israel warne Europa,
»sich zu mäßigen« und »mit einer Stimme zu sprechen«. Sollte die Kritik
nicht verstummen, werde Europa »nicht mehr Teil des diplomatischen
Prozesses sein«. Barak habe die israelischen Vertretungen in Europa über
seine Intervention informiert, dabei aber auch darauf hingewiesen, daß
die Äußerungen von Ferrero-Waldner wohl die öffentliche Meinung in
Europa reflektierten.
Im Sommer 2008 hatte man in Brüssel Israel eine Intensivierung der
Beziehungen in Aussicht gestellt. Israel sollte noch mehr in den
EU-Binnenmarkt integriert und an europäischen Sicherheitsprogrammen und
Forschungsvorhaben beteiligt werden. Ziel sei, »Israel nach und nach in
die europäische Politik und Programme« zu integrieren. Die EU und Israel
sind politisch und finanziell seit 1995 durch ein Assoziierungsabkommen
verbunden, das 2000 erneuert wurde. Im Rahmen eines Finanzabkommens
erhält Israel von der EU 14 Millionen Euro über einen Zeitraum von
sieben Jahren. Im Gegenzug sollte Israel für Frieden und Stabilität (im
Nahen Osten) eintreten, wobei die EU davon ausgeht, daß »die Gründung
eines unabhängigen, existenzfähigen und demokratischen palästinensischen
Staates den Interessen Israels entspricht«.
* Aus: junge Welt, 4. Mai 2009
Zurück zur Israel-Seite
Zur EU-Europa-Seite
Zurück zur Homepage