Bei Boykott droht Strafe
Israels Parlament beschloss Knebelgesetz
Von Oliver Eberhardt *
Wer zum Boykott Israels aufruft, soll künftig nach dem Willen des israelischen Parlaments vor Gericht belangt werden können. Gegner des Gesetzes haben bereits Verfassungsklage eingereicht. Sie befürchten massive Einschränkung der Meinungsfreiheit.
Das Gesetz, das am Montagabend (11. Juli) von der Knesset mit ausgesprochen geringer Mehrheit beschlossen wurde, sieht vor, dass jeder, der mit dem Ziel, den »jüdischen und demokratischen Charakter des Staates Israel in Frage zu stellen«, zum Boykott von israelischen Produkten oder Dienstleistungen sowie von Institutionen, Organisationen oder Kommunen aufruft, dafür von den Betroffenen vor Gericht auf Schadenersatz verklagt werden kann, ohne dass die Kläger den entstandenen Schaden beziffern müssen. Zudem sollen Personen und Unternehmen, die an einem solchen Boykott teilnehmen, künftig von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen werden.
Es sei ein Grundsatz der Demokratie, dass man der Bevölkerungsgruppe, mit der man nicht übereinstimmt, trotzdem nicht weh tut, begründeten die beiden Abgeordneten von Likud und Jisrael Beiteinu, die den Entwurf eingebracht hatten, die Vorlage. Versuchen, Israel zu delegitimieren, müsse Einhalt geboten werden.
»Nichts delegitimiert Israel besser als dieses Gesetz«, antwortete Ilan Gilon, Abgeordneter der linksliberalen Meretz. »Es schadet dem öffentlichen Diskurs, es schadet der Demokratie, es schadet unserem Ansehen, es schadet dem Friedensprozess: Die Rechte versucht, alle zu ihrer Meinung zu zwingen.« In der Tat erklärte ein Sprecher der Palästinensischen Autonomiebehörde am Dienstag, das Gesetz mache eine neue Verhandlungsrunde unmöglich. Es sei »ein weiterer Versuch, zu verschleiern, dass die Siedlungen nicht Teil Israels sind«.
Und auch Juristen sparen nicht mit Kritik. »Mir fallen auf Anhieb mehrere rechtsstaatliche Grundsätze ein, die hier verletzt werden sollen«, erläuterte Aharon Barak, ehemaliger Vorsitzender des Obersten Gerichtshofes, dessen Nachfolger in den kommenden Wochen die Rechtmäßigkeit überprüfen müssen.
Denn zwar können auch Ausländer, die im Ausland zum Boykott Israels aufrufen, dafür in Israel verklagt werden – doch die Hauptbetroffenen sind Israelis und Palästinenser. So hatten sich Ende 2010 Dutzende prominente Kulturschaffende geweigert, zur Eröffnung einer Kulturhalle in der Siedlung Ariel aufzutreten, und damit heftige Kritik der Rechten heraufbeschworen.
Würden diese Künstler nun erneut eine Veranstaltung in einer jüdischen Siedlung boykottieren, müssten sie nicht nur damit rechnen, von der Siedlung verklagt zu werden, sondern sie wären auch von Jobs bei Theatern, öffentlich-rechtlichen Sendern und von Kulturförderung ausgeschlossen.
* Aus: Neues Deutschland, 13. Juli 2011
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