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Gerüchte um "Bunker-Bomben"

Sunday Times: Netanjahu will von USA Waffen für Militärschläge gegen Iran

Von Knut Mellenthin *

Israelische Kampfflugzeuge haben am frühen Montagmorgen (22. März) erneut einen vermuteten Schmuggel-Tunnel an der Grenze zwischen Ägypten und dem Gaza-Streifen bombardiert. Nach ersten Berichten kam niemand zu Schaden. Bereits am Freitag hatte Israels Luftwaffe zwei Tunnel im selben Gebiet angegriffen. Das Krankenhaus in Rafah meldete 12 Verletzte, zwei davon mit schweren Verwundungen. Die Schmuggel-Tunnel dienen dazu, lebenswichtige Güter aus Ägypten nach Gaza zu bringen. Israel hat über das Gebiet vor drei Jahren eine nahezu vollständige Blockade verhängt, die durch Maßnahmen des ägyptischen Regimes ergänzt wird.

Israel begründet seine neuen Militäraktionen mit dem Abschuss mehrerer Raketen aus dem Gaza-Gebiet. Dabei wurde am Donnerstag (18. März) ein thailändischer Arbeiter in der Nähe der Stadt Aschkalon getötet.

Unterdessen trafen Binjamin Netanjahu und sein Verteidigungsminister Ehud Barak am Montag zu einem Besuch in Washington ein. Der israelische Regierungschef sprach dort am Abend auf der Jahreskonferenz der Pro-Israel-Lobby AIPAC . Am heutigen Dienstagabend (23. März) trifft er US-Präsident Barack Obama. Neben dem Nahost-Konflikt soll die gemeinsame Kampagne gegen Iran Hauptthema des Gesprächs sein. Die in London erscheinende Sunday Times meldete am Sonntag unter Berufung auf eine anonyme Quelle, dass Netanjahu die Gelegenheit nutzen wolle, um von den Waffen für Militärschläge gegen den Iran zu erbitten. Hauptsächlich soll es dabei um „Bunker-Buster“-Sprengköpfe gehen, mit denen gelenkte Gleitbomben ausgerüstet werden können. Sie dienen zur Zerstörung unterirdischer und durch Beton gehärteter Anlagen. Angeblich hatte sich Obamas Vorgänger George W. Bush geweigert, Israel diese Sprengköpfe zu liefern. Der Sunday Times zufolge will Netanjahu die Waffen jetzt als „Gegenleistung“ für „Gesten des guten Willens“ deklarieren, die Israel angeblich gegenüber den Palästinensern praktizieren will.

Die Londoner Sonntagszeitung ist bekannt für unsolide, ungesicherte Berichte, bei denen es sich oft um geheimdienstlich lancierte Desinformationen zu handeln scheint. Indessen passt die neue Meldung zu einem am 14. März im Sunday Herald erschienenen Artikel. Danach ist ein Schiffstransport mit 387 Gleitbomben verschiedener Typen aus Kalifornien zum Stützpunkt Diego Garcia im Indischen Ozean unterwegs. Der Kontrakt für diese Aktion sei bereits im Januar unterzeichnet worden. Der Auftrag sei zuvor von der US-Kriegsmarine öffentlich ausgeschrieben worden, berichtet das im schottischen Glasgow erscheinende Blatt. Es nennt darüber hinaus auch die ausführende Reederei, das in Florida ansässige Unternehmen Superior Maritime Services, und den Preis für den Transport: rund 700.000 Dollar. Das Pentagon lehnte einen Kommentar zu der detaillierten Darstellung des Sunday Herald ab.

Diego Garcia untersteht zwar rechtlich Großbritannien, wird aber schon lange fast ausschließlich von den USA genutzt. Neben einem symbolischen Kontingent von 50 Briten sind dort 3200 Angehörige der US-Streitkräfte ständig stationiert. Der Stützpunkt wurde 1991 und 2003 für Luftangriffe gegen Irak benutzt. Er wäre auch eine wichtige Basis für Militärschläge gegen Iran.

* Aus: junge Welt, 23. März 2010


"Bunker Busters"

Den Artikel in der Sunday Times vom 21. März haben wir nicht finden können. Das Thema beschäftigt die Zeitung aber schon länger. Im Folgenden ein Ausschnitt aus einem Artikel, der im Mai vergangenen Jahres erschien.
Hierzu ist zu sagen, dass das Center for Strategic and International Studies in Washington (http://csis.org) seit mehreren Jahren immer wieder Studien vorlegte, in denen ein Angriff Israels und der USA auf den Iran "durchgespielt" wurde.
Z.B.:
  • Israeli and US Strikes on Iran: A Speculative Analysis, March 5, 2007
  • IRAN AS A NUCLEAR WEAPONS POWER, December 15, 2009
  • Iranian NuclearWeapons? The Options if Diplomacy Fails, April 7, 2006

(...) Mr Obama and Mr Netanyahu will agree on one thing — the need to confront Iran’s nuclear ambitions. It emerged this week that Leon Panetta, the CIA chief, visited Israel recently to seek assurances that Mr Netanyahu’s hawkish Government would not launch any pre-emptive, unilateral strike on Iran. Such assurances were reportedly given.

But pressuring Iran is a common goal, and much of the talk next week will focus on the method. The US is highly sceptical about military strikes: a report released this week by the Centre for Strategic and International Studies in Washington set out the enormous military challenges, the slim hopes for success and the fallout — radioactive and political — of Israel launching its own strike against Iran’s three main processing and storage sites.

The report estimated that Israel would need a strike force of 90 aircraft navigating hostile air space while jamming radar to drop massive bunker-buster bombs on Iran’s concrete-encased facilities that are buried deep underground, hitting them at exactly the right angle for any hope of success.

It estimated that Israel could lose a third of its strike force, a massive price for a strike that may at best only delay Iran’s nuclear programme, and which could even spur a rattled Tehran on to accelerate it. It also predicted that a successful raid would spread radiation across much of Iran, killing thousands of civilians while winds could spread radionuclides across friendly Gulf states. (...)

Source: Binyamin Netanyahu's delicate balancing act with Barack Obama. by James Hider (Commentary). In: The Times, May 16, 2009.




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