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Schaul Mofaz - Israels Generalstabschef

Ein Mann mit Kriegserfahrung - Ein Porträt

Die israelische Regierung und die Armee stellt sich nach den Unruhen im September/Oktober 2000 auf einen länger dauernden militärischen Konflikt in den besetzten Gebieten ein. Die Rede ist davon, dass die Auseinandersetzungen etwa ein Jahr dauern werden. Von israelischer Seite werden sie - das zeigt der bisherige Verlauf der zweiten Intifada - mit aller Härte geführt werden. Pardon wird nicht gegeben. Wer ist der Mann, der die Armee in diesem ungleichen Kampf gegen die jugendlichen Steineschmeißer anführt? Aus der Süddeutschen Zeitung haben wir folgendes Kurzporträt des israelischen Generalstabschefs entnommen.

Er ist der Mann, auf den nun vieles ankommt in Israel: Schaul Mofaz kommandiert eine Armee von 170 000 Soldaten, und diese Armee steht im Krieg. Es ist ein Krieg, der nicht auf dem Feld, sondern mitten in den Städten geführt wird. Der Gegner schickt keine Truppen in den Kampf, sondern eine wütende Menge. Und deshalb kämpft Mofaz als Generalstabschef der israelischen Armee nicht nur gegen das palästinensische Feindeslager, sondern auch mit dem, was man außerhalb Israels die Verhältnismäßigkeit der Mittel nennt.

Wie schnell die bestens ausgerüstete israelische Armee mit militärischen Mitteln auf eine Herausforderung reagieren kann, zeigte sich nach den Lynchmorden an zwei Soldaten in Ramallah und dem prompten und gezielten Einsatz von Apache-Kampfhubschraubern. Doch wie schwer sich die Armee mit einem Steine werfenden Mob tut, ist seit Ende September tagtäglich auf den Straßen des Westjordanlandes zu beobachten. Die Soldaten werden verstrickt in einen Kleinkrieg gegen Kinder, die israelischen Mutmaßungen zufolge gezielt in die vordersten Kampfreihen geschickt werden, um sie der Welt als unschuldige Opfer präsentieren zu können. Schaul Mofaz steht also mit seinen Soldaten in einem Kampf, für den man kaum proben kann - selbst wenn man so kampferprobt ist wie Israels Generalstabschef. Seit 1966 dient er in der Armee. Im Einsatz war er 1967 im Sechs-Tage-Krieg, 1973 im Jom-Kippur-Krieg und 1982 im Libanon. Meriten erwarb er sich zudem bei der Geiselbefreiung in Entebbe 1976. Das unruhige Westjordanland kennt er von seiner Zeit als dortiger Divisionschef Mitte der neunziger Jahre. Seine Karriere ging stetig voran, auch wenn vor allem am Anfang nicht immer alles glatt lief. An der Offiziersprüfung war er drei Mal gescheitert, was seine Vorgesetzten allerdings nicht davon abhielt, ihm später einmal das Kommando über die Offiziersschule zuzuschlagen. Den Höhepunkt erreichte seine Militärlaufbahn dann im Sommer 1998, als ihn sein langjähriger Weggefährte, der damalige Verteidigungsminister Jitzchak Mordechai, überraschend zum Generalstabschef berief.

Er ist der 16. Mann auf diesem Posten - und der erste von orientalischer Abstammung. In der militärischen Ahnenreihe finden sich so prominente Namen wie Mosche Dayan, Jitzchak Rabin und Ehud Barak, die allesamt der aschkenasischen Elite entstammten. Mofaz aber wurde 1948 im Iran geboren. Mit neun Jahren kam er nach Israel, wo er in ärmlichen Verhältnissen aufwuchs. Er kämpfte sich nach oben, erst in der Schule, dann in der Armee.

Sein Generalstabs-Posten gilt in Israel als erstklassiges Sprungbrett für eine spätere Politik-Karriere. Parteipolitisch aber ist Mofaz nicht einzuordnen. Ernannt von der alten Likud-Regierung, steht er selbstverständlich loyal zum Arbeitspartei-Premier Ehud Barak. Doch bis auf weiteres wird er ohnehin ausgelastet sein mit handfest Militärischem. Die Unruhen, so glaubt er, werden noch mindestens ein Jahr dauern. Für Schaul Mofaz wird das eine tägliche Bewährungsprobe.
Peter Münch
Aus: Süddeutsche Zeitung, 25. Oktober 2000

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