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Tote bei Angriff auf Gaza-Streifen

Luftwaffe flog Attacken nach Terrorserie im Süden Israels *

Nach den schwersten Terrorangriffen in Israel seit drei Jahren lassen Israelis und Palästinenser wieder die Waffen sprechen. Israel schloss auch eine Bodenoffensive nicht aus

Nachdem Terroristen am Vortag acht Israelis im Süden des Landes getötet und 31 verletzt hatten, griff die israelische Luftwaffe nach Angaben einer Armeesprecherin im Laufe der Nacht zum Freitag (19. Aug.) sieben Ziele im Gaza-Streifen an. Dabei starben nach palästinensischen Angaben sieben Menschen, darunter ein Baby und ein 13-jähriger Junge. Weitere 18 Personen seien verletzt worden. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warnte, jeder, der Israel angreife, müsse einen hohen Preis bezahlen.

Unterdessen feuerten Extremisten aus dem Gaza-Streifen mindestens zehn Raketen Richtung Israel ab. Eines der selbst gebauten Geschosse sei am Morgen in eine Synagoge in der Hafenstadt Aschdod eingeschlagen, teilte die Armee mit. Drei Menschen seien verletzt worden. Das Nachrichtenportal »Ynet« berichtete, eines der Opfer sei schwer verletzt. Die anderen Raketen schlugen laut den Angaben auf freiem Feld ein. Schon in den vergangenen Wochen waren fast täglich ein oder zwei solcher Raketen in Israel eingeschlagen.

Nach den Anschlägen im Süden Israels hat es laut Darstellung ägyptischer Sicherheitskreise auch Tote in Ägypten gegeben. In der Nacht zum Freitag (19. Aug.) wurden nach diesen Angaben in der Nähe des ägyptisch-israelischen Grenzpostens Taba drei ägyptische Grenzwächter getötet. Sie sollen von israelischen Soldaten erschossen worden sein, die versucht hatten, um sich schießende militante Palästinenser an der Flucht nach Ägypten zu hindern. Israels Armee bestätigte die Angaben zunächst nicht.

* Aus: Neues Deutschland, 20. August 2011

Letzte Meldungen vom 21. August:

Nach dem Tod von fünf ägyptischen Grenzpolizisten an der Grenze zu Israel vom 18. August hält die Übergangsregierung in Kairo die israelische Reaktion auf den Vorfall für unzureichend. Das von Verteidigungsminister Ehud Barak vorgebrachte Bedauern sei nur "oberflächlich positiv" und werde dem "Ausmaß des Zwischenfalls" nicht gerecht, zitierte die amtliche ägyptische Nachrichtenagentur MENA aus einer Erklärung der Regierung in Kairo. Demnach verlange Ägypten von Israel die Vorlage eines Zeitplans für die angebotene gemeinsame Untersuchung des Vorfalls.

Nach Angaben des ägyptischen Staatsfernsehens zog die Regierung in Kairo in der Nacht zum 20. August ihren Botschafter aus Israel ab. Die israelische Regierung teilte mit, über den Schritt nicht informiert worden zu sein.

Kurz danach veröffentlichte die ägyptische Regierung eine andere Erklärung, in der von dem Botschafter-Rückzug keine Rede mehr ist. Stattdessen heißt es, dass das ägyptische Außenministerium den israelischen Botschafter zitieren und ihm eine Protestnote überreichen werde.

Nach Angaben der regierungsnahen ägyptischen Zeitung Al Ahram hatte das Presseamt des Ministerkabinetts aus Versehen den Botschafter-Rückzug angekündigt. "Ägypten hat nicht vor, seinen Botschafter aus Ägypten abzuziehen, und könnte nur im äußersten Fall zu dieser Maßnahme greifen", zitierte die Zeitung einen nicht näher bezeichneten Regierungssprecher.

Vor der israelischen Botschaft in Kairo demonstrierten in der Nacht zum 21. August wieder tausende Menschen. Laut Augenzeugen beschossen sie mit Feuerwerkskörpern die israelische Flagge auf dem Gebäude und holten sie später vom Dach herunter.

Die Arabische Liga befasst sich am Sonntag, 21. August, in einer Krisensitzung in Kairo mit der angespannten Lage. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates.

Quellen: AFP, RIA Novosti, 21. August 2011



Schon wieder Gaza?

Von Roland Etzel **

Wenn jemand Israelis angreift, reagieren wir umgehend«, resümierte Israels Ministerpräsident Netanjahu nach dem tödlichen Drohnenangriff seiner Armee auf Gaza. »Diejenigen, die angeordnet haben, unsere Landsleute zu töten, sind nicht mehr am Leben.« Die beiden ägyptischen Grenzer und den palästinensischen Jungen, die seine Drohne ebenfalls hinrichtete, davon auszunehmen, hielt er nicht für nötig. Ein israelischer General drohte Gaza sogar schon den nächsten Bodenkrieg an.

Das war wieder der gewohnte Netanjahu, zu vernehmen in der Sprache, die ihm liegt, und es war die einzigartige Gelegenheit, diese wiederzufinden und wieder zu gebrauchen – nach dem vergleichsweise kläglichen Gestammel, mit dem er noch vor wenigen Tagen im Parlament auf die anhaltenden Sozialproteste Zehntausender Israelis reagierte. Der von Netanjahu so abgrundtief geschmähten Hamas muss man bescheinigen, dass sie mit den vorausgegangenen Attentaten auf die israelischen Busse – zumindest hat sie sie zugelassen und danach auch nicht verurteilt – dem Jerusalemer Hardliner eine exzellente Vorlage geliefert hat.

Zivile Busse zu beschießen und Fahrgäste zu töten ist moralisch verwerflich, militärisch sinnlos und politisch mindestens blödsinnig; es ist nicht zu rechtfertigen, aber zu erklären als Reaktion auf die gnadenlose Blockade Gazas durch Israel. Netanjahu/Lieberman sehen sich in diesem Sommer unerwartet an mehreren Fronten bedrängt: in der UNO wegen der drohenden Proklamation eines Staates Palästina und zu Hause angesichts der Sozialproteste. Die Chance, beide Schwachstellen mit einem Waffengang in Gaza zu kaschieren, erscheint da sehr verlockend.

** Aus: Neues Deutschland, 20. August 2011 (Kommentar)


"Quelle des Terrors"

Israel bombardiert Flüchtlingslager im Gazastreifen. Hamas weist Verantwortung für Anschläge in Eilat zurück. Clinton kritisiert Ägypten

Von Karin Leukefeld ***


Nach den Anschlägen im Badeort Eilat auf der Sinaihalbinsel eskaliert die Gewalt in Israel und Palästina. Israelische Kampfjets und Militärhubschrauber bombardierten in der Nacht zum Freitag (19. Aug.) mehrmals den Gazastreifen. Dabei wurden mindestens sieben Menschen getötet, darunter ein 13jähriger Junge und ein zweijähriges Kleinkind. Bei einem Angriff auf das Flüchtlingslager Al-Nu­seirat bei Gaza zerstörte die israelische Armee einen Generator, der in dem Lager 62000 Menschen, 17 Schulen und ein Gesundheitszentrum mit Strom versorgte.

Noch in derselben Nacht wurden aus dem Gazastreifen zwölf Raketen auf Südisrael abgefeuert, die unter anderem ein religiöses Seminar in Aschdod trafen. Dabei wurden zwei Menschen verletzt. Als Reaktion auf die zugespitzte Lage sagte die israelische Protestbewegung, die seit Wochen Hunderttausende gegen die Wohnungspolitik von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf die Straße gebracht hatte, ihre für den heutigen Samstag geplanten Demonstrationen ab. Das meldete die Nachrichtenagentur Reuters.

Die neuerliche Eskalation war am Donnerstag (18. Aug.) durch einen Anschlag auf einen israelischen Bus und zwei weitere Fahrzeuge nördlich von Eilat ausgelöst worden. Dabei waren acht Menschen ums Leben gekommen. Der Bus, der Touristen und Soldaten in die Hafenstadt bringen sollte, war unbestätigten Berichten zufolge von zwei bis drei Männern beschossen worden. Angeblich hätten die gleichen Schützen anschließend zwei weitere Fahrzeuge angegriffen und dann versucht, über die nahegelegene Grenze nach Ägypten zu fliehen. Dabei sei es zu einem Feuergefecht zwischen israelischen Sicherheitskräften und den vermutlichen Angreifern gekommen, bei dem sieben Personen getötet und mindestens 25 verletzt worden sein sollen. Die ägyptische Armee teilte mit, daß einer ihrer Offiziere und zwei Geheimdienstangehörige bei der Verfolgungsjagd getötet worden seien. Ein israelisches Flugzeug habe die Angreifer entlang der Grenze zwischen Taba und Eilat verfolgt, die ägyptischen Sicherheitskräfte seien ins Kreuzfeuer geraten. Als Reaktion hat das ägyptische Innenministerium den Grenzübergang Rafah geschlossen.

Der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak machte umgehend die palästinensische Hamas im Gazastreifen verantwortlich. »Die eigentliche Quelle des Terrors ist Gaza, und wir werden mit voller Macht und Entschlossenheit reagieren«, sagte Barak. Unmittelbar darauf folgte der erste israelische Luftangriff auf das von der Hamas regierte Gebiet, bei dem sechs Personen getötet wurden. Barak griff auch die ägyptischen Grenzbehörden an, deren »schwache Kontrolle auf dem Sinai den Aktivitäten von Terroristen freien Raum« lasse. Druck auf Ägypten übte ebenfalls US-Außenministerin Hillary Clinton aus, die mitteilte, die Gewalt in Eilat zeige, »wie berechtigt unsere Sorge über die Sicherheitslage auf der Sinaihalbinsel« sei.

Der Gouverneur des südlichen Sinai, Khalid Fuda, wies die Anschuldigungen zurück. Ägypten hatte erst vor wenigen Tagen seine Truppen auf der Halbinsel deutlich aufgestockt, um weitere Anschläge auf die dort verlaufende Gaspipeline zu verhindern. Der 1979 unterzeichnete Friedensvertrag mit Israel erlaubt Ägypten nur die Stationierung einer geringen Anzahl eigener Truppen in dem Gebiet, das Zentrum der Halbinsel ist eine entmilitarisierte Zone.

Die Hamas wies die Verantwortung für die Anschläge zurück. Sollte Israel nun den Gazastreifen angreifen, werde man jedoch zurückschlagen, sagte deren Sprecher Salah Al-Bardaweel in Gaza. »Wir werden nicht gefesselt herumstehen, sondern werden den Widerstand gegen die Besatzung anführen.« Erst am Mittwoch hatten Sicherheitskräfte der Organisation den Führer der »Armee des Islam«, Mumtas Daghmasch, festgenommen und waren damit einem Wunsch der Ägypter nachgekommen, die die Vereinigung für die Anschläge auf die Gaspipeline nach Israel verantwortlich macht.

*** Aus: junge Welt, 20. August 2011


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