Keltischer Tiger vom Aussterben bedroht
Starke Exportausrichtung macht die Grüne Insel extrem anfällig für Konjunkturschwankungen
Von Tomasz Konicz *
Trotz starker Exportausrichtung und
extrem niedriger Unternehmenssteuern
scheint Irland am eingeschlagenen
Austeritätskurs zu scheitern.
Nur wenige Wochen vor dem für
den 31. Mai angesetzten Referendum
über den europäischen Fiskalpakt
mussten Irlands Statistiker
ein erneutes Abdriften ihres
Landes in die Rezession melden.
Nachdem das irische Bruttoinlandsprodukt
(BIP) bereits im dritten
Quartal 2011 um 1,1 Prozent
schrumpfte, wurde entgegen Analystenprognosen
nun auch im
vierten Quartal ein Sinken um 0,2
Prozent festgestellt. Dieser abermalige
Abschwung beendet eine
kurze Phase exportgetriebener
Wirtschaftserholung, die der Grünen
Insel für 2011 ein minimales
Wachstum von 0,7 Prozent bescherte.
Dies war das erste jährliche
Wirtschaftswachstum Irlands
– einstmals als neoliberal
zugerichteter »Keltischer Tiger«
gefeiert – seit dem Ausbruch der
Rezession im Jahr 2008, während
der das irische Bruttoinlandsprodukt
um 10,4 Prozent schrumpfte.
Dublin musste nach dem Kollaps
der irischen Immobilienblase
Ende 2010 von der EU und dem
IWF mit Krisenkrediten im Umfang
von 85 Milliarden Euro vor
der Staatspleite bewahrt werden.
Dabei galt das Land aufgrund seiner
hohen Exportquote und der
niedrigsten Steuerbelastung für
Unternehmen als gut gerüstet, um
die drakonischen Sparpakete und
Kahlschlagsprogramme zu verkraften,
die dem Land von Brüssel
und dem IWF auferlegt wurden.
Der aus dem Austeritätskurs
resultierende Einbruch der Binnennachfrage
von 22 Prozent gegenüber
dem Vorkrisenstand sollte
durch eine verstärkte Exportausrichtung
kompensiert werden.
Bei allen Sozialkürzungen und
Steuererhöhungen wurde aber die
geringe Unternehmenssteuer von
12,5 Prozent nicht angetastet.
Auf den ersten Blick scheint die
Strategie aufgegangen zu sein, da
Irland 2011 einen Rekord beim
Handelsüberschuss von 44,7 Milliarden
Euro erzielen konnte. Ein
Blick auf die Leistungsbilanz jedoch
– in der zusätzlich die
Dienstleistungsbilanzen und die
Geldflüsse aufgeführt werden –
fällt ernüchternd aus, da diese nur
einen minimalen Überschuss von
127 Millionen Euro aufweist. Des
Rätsels Lösung: Irland fungiert
aufgrund seiner niedrigen Steuersätze
als eine Art ökonomischer
Flugzeugträger außereuropäischer
– zumeist amerikanischer –
Konzerne wie Apple, Dell, IBM und
Hewlett-Packard, die hier ihre europäischen
Hauptquartiere aufgeschlagen
haben und einen
Großteil der Gewinne wieder aus
dem Land abziehen. Rund 70 Prozent
aller irischen Exporte entfallen
auf diese US-Konzerne.
So geht der »Exportboom« mit
einer seit 2007 permanent abnehmenden
Investitionstätigkeit in
der irischen Industrie einher, die
gegenüber dem Hoch von Mitte
2007 bereits um 65,3 Prozent (bei
den Bruttoanlageinvestitionen)
zurückging. Folglich verringerte
sich trotz Exportrekorden die sehr
hohe Arbeitslosenquote nicht – sie
verharrt bei knapp 15 Prozent.
Angesichts dieser dramatischen
Lage und dem Einbruch der Binnennachfrage
bliebt es fraglich, ob
Dublin das Haushaltsdefizit auf die
für 2012 anvisieren 8,6 Prozent
begrenzen kann – im Vorjahr lag
es laut neuesten Zahlen der EUStatistikbehörde
Eurostat bei 13,1
Prozent und war damit das höchste
in der EU.
Neben dem in Trümmern liegenden
Immobilienmarkt, der bald
weitere staatliche Stützungsaktionen
notwendig machen könnte, ist
es vor allem die einsetzende Rezession
in der Eurozone, die Irlands
Defizitziele schnell zu Makulatur
machen könnte. Rund 40
Prozent der irischen Exporte gehen
in die Eurozone, nach Großbritannien
15 Prozent. Die extreme
Exportausrichtung macht die
Grüne Insel besonders anfällig für
Konjunkturschwankungen.So ist
denn auch der »Keltische Tiger«
akut vom Aussterben bedroht.
* Aus: neues deutschland, Freitag, 27. April 2012
Stellungnahme zum EU-Fiskalpakt von Republican Sinn Féin
Dublin – Das Schüren von Angst und Einschüchterungen sind abermals die Methoden, die Irlands Regierung der 26 südlichen Grafschaften und ihre politischen Meister in Brüssel gegen die Bevölkerung Irlands anwenden. Im Jahr 2012 soll das irische Volk neuerlich gedrängt werden, auch das letzte Stück an Unabhängigkeit von sich zu geben, so der Präsident von Republican Sinn Féin, Des Dalton.
Durch die Androhung schlimmer Konsequenzen bei Ablehnung des Pakts, haben die politischen Eliten in Dublin und der EU den Ton der kommenden Abstimmung über den EU-Fiskalpakt bereits vorbestimmt.
All die Warnungen und Vorhersagen haben wir während der Abstimmungen von Lissabon und Nizza bereits gehört. Und auch damals wurde die Bevölkerung immer wieder gedrängt, über ein Abkommen abzustimmen, dass von derselben Bevölkerung bereits abgelehnt wurde. Die Machthaber der EU sind nicht am Willen der Bevölkerung interessiert, sondern ausschließlich daran, durch Einschüchterungen mehr Macht auf sich zu konzentrieren. In diesem Prozess ist das politische Establishment der südlichen Grafschaften Irlands ein williger Gehilfe.
Das System des französischen und deutschen Finanzkapitalismus hat in den letzten vier Jahren diesen wirtschaftlichen Kollaps hervorgerufen. Es ist aber nun die Arbeiterschaft von Irland und Europa, die den Preis dafür zahlen muss.
Wir nähern uns dem hundertsten Jahrestag des irischen Osteraufstands und der Ausrufung der Republik. Nun haben wir die Möglichkeit zurückzuschlagen und zu zeigen, dass die Proklamation von 1916 auch noch für unsere Generation Geltung besitzt: „Das Recht des Volkes von Irland auf den Besitz Irlands, sowie die uneingeschränkte Kontrolle des irischen Schicksals ist souverän und unveräußerlich.“
„Beginnen wir uns für unser Land zur Wehr zu setzen und stimmen wir Nein!“, so Des Dalton, Präsident von Republican Sinn Féin.
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