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Zähes Ringen

Die zweite Runde der Verhandlungen zwischen der internationalen Sechsergruppe und dem Iran über dessen Atomprogramm wird sehr viel schwieriger als die erste. Für Optimismus gibt es keinen Grund

Von Knut Mellenthin *

Iran und die internationale Sechsergruppe haben am Dienstag in Wien die zweite Verhandlungsrunde begonnen. Ziel ist der Abschluß eines Vertrages zur »umfassenden langfristigen Lösung« des seit elf Jahren ausgetragenen Streits um das iranische Atomprogramm. Grundlage dafür ist das Genfer Abkommen, das am 24. November 2013 zwischen dem Iran und der Sechsergruppe – bestehend aus den fünf ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland – vereinbart wurde.

Im Unterschied zum »ersten Schritt«, einem sechsmonatigen Moratorium, wird die jetzt auszuhandelnde Regelung im Genfer Abkommen als »Schlußschritt« (Final step) bezeichnet. Korrekt ist das jedoch nicht, da es sich wieder nur um eine Übergangsregelung handeln soll. Erst wenn diese im noch zu vereinbarenden Geltungszeitraum erfolgreich umgesetzt sein wird, kann der Streit als gelöst betrachtet werden. Im Genfer Abkommen heißt es dazu, daß Iran dann »wie jeder andere keine Atomwaffen besitzende Unterzeichnerstaat des Atomwaffensperrvertrags« behandelt werden soll. Bis dahin soll sich das Land jedoch einer ganzen Reihe von Einschränkungen seines Programms zur Nutzung der Kernenergie unterwerfen, die jetzt gemeinsam festzulegen sind. Diese Phase ist im Genfer Abkommen nur vage als »langfristig« (long-term) umschrieben. Die US-Regierung will in den Verhandlungen angeblich auf einer Dauer von mindestens 20 Jahren bestehen.

Iran und die Sechsergruppe streben an, sich bis zum 24. November, ein Jahr nach Unterzeichnung des Genfer Abkommens, über alle Einzelheiten der »umfassenden langfristigen Lösung« zu verständigen. Wenn dies bis zum genannten Termin nicht gelingt, sollen die Gespräche aber nicht automatisch abgebrochen werden. Seit dem 20. Januar ist ein sechsmonatiges Moratorium in Kraft, das nach seinem Ablaufen im Juli »erneuert« werden kann, sofern sich dann alle sieben Staaten darauf einigen.

Hinsichtlich der Inhalte der jetzt auszuhandelnden »umfassenden langfristigen Lösung« enthält das Genfer Abkommen eine gemeinsame Absichtserklärung, die jedoch keinen rechtsverbindlichen Charakter hat. Die Aufnahme eines solchen Abschnitts in die Vereinbarung erfolgte auf Drängen der Iraner. Die früheren Vorschläge der Sechsergruppe bestanden lediglich aus einer ersten Stufe mit gegenseitigen »vertrauensbildenden Maßnahmen«, aber ließen völlig offen, wie es danach weitergehen sollte.

Gerade daran war das erste Moratorium gescheitert, zu dem Iran sich im Oktober 2003 vom sogenannten EU-Trio – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – überreden ließ. In der damals unterschriebenen Vereinbarung war lediglich mit einem einzigen vagen Satz von einem künftigen »Dialog« die Rede gewesen. Dessen Ziel sollten »für alle Seiten zufriedenstellende Sicherheiten bezüglich des iranischen Atomprogramms« sein. Als dann die Verhandlungen begannen, stellte sich heraus, daß die drei europäischen Staaten darunter nicht weniger verstanden als den vollständigen Verzicht der islamischen Republik auf die Anreicherung von Uran für mindestens zehn Jahre. Daraufhin stiegen die Iraner Anfang August 2005 aus dem Moratorium aus – und wurden plötzlich wie Verbrecher behandelt, die gegen Bewährungsauflagen verstoßen hatten. Aus »freiwilligen vertrauensbildenden Maßnahmen« wurden ultimative Forderungen des UN-Sicherheitsrats, deren Nichtbefolgung seit Dezember 2006 mit insgesamt vier Sanktionsresolutionen geahndet wurde. Wirtschaftlich hatten die von der Weltorganisationen verhängten Strafmaßnahmen wenig Bedeutung. Sie lieferten aber den Propagandarahmen für die sehr viel wirkungsvolleren Sanktionen der USA und ihrer Verbündeten.

Die zentralen Konsenspunkte

Die zentralen Konsenspunkte des Genfer Abkommens für die nun begonnene zweite Verhandlungsrunde sind erstens: Iran darf ein »gemeinsam definiertes Anreicherungsprogramm mit gemeinsam vereinbarten Parametern« betreiben. Der Grad der Anreicherung, die Produktionskapazität, die Verwendung und die Menge des angereicherten Materials und sogar der Standort oder die Standorte der Anreicherung – alles das bedarf für einen noch genau zu vereinbarenden »langfristigen« Zeitraum der Zustimmung der Sechsergruppe. Die permanent wiederholte Behauptung iranischer Politiker, in Genf sei Irans »Recht auf die Urananreicherung anerkannt« worden, erweist sich in diesem Kontext höchstens als Halbwahrheit.

Zweitens: Iran soll sich verpflichten, »allen Bedenken hinsichtlich des Reaktors von Arak Rechnung zu tragen«. Es handelt sich um einen noch im Bau befindlichen Schwerwasserreaktor, bei dessen Betrieb Plutonium, also potentielles Material für Nuklearwaffen, anfallen würde. Um dieses aus den verbrauchten Brennstäben zu gewinnen, müßte Iran allerdings über eine Wiederaufarbeitungsanlage verfügen. Das Land besitzt jedoch keine, seine Vertreter haben auch schon mehrmals freiwillig den Verzicht auf die Entwicklung dieser Technik erklärt und dies im Genfer Abkommen noch einmal unterschrieben. Die zusätzliche Verpflichtung, »allen Bedenken (…) Sorge zu tragen«, wird im allgemeinen so verstanden, daß Iran nach Inbetriebnahme des Reaktors die jeweils verbrauchten Brennelemente ins Ausland transportieren soll, um einen Mißbrauch mit absoluter Sicherheit auszuschließen.

Drittens: Die Staaten der Sechsergruppe verpflichten sich im Gegenzug, die vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen sowie die von einzelnen Staaten oder von mehreren gemeinsam praktizierten »nuklearbezogenen« (nuclear-related) Sanktionen aufzuheben. Diese Einschränkung ist wichtig, da viele Strafmaßnahmen der USA und ihrer Verbündeten gegen Iran gar nicht oder zumindest nicht ausschließlich mit dem Atomprogramm begründet werden, sondern mit angeblichen Menschenrechtsverletzungen oder auch mit der unterstellten iranischen Unterstützung für den »internationalen Terrorismus«. Die weit verbreitete Annahme, daß die USA und ihre Verbündeten die Aufhebung aller Sanktionen in Aussicht gestellt hätten, falls die Atomverhandlungen zu einer Einigung führen, ist also falsch. Die für Iran besonders schmerzlichen US-Sanktionen gegen seine Ölexporte sind nicht ausschließlich mit dem Atomstreit begründet, deren Beendigung bedürfte also immer noch spezieller Verhandlungen.

Übrigens bezieht sich auch das im Genfer Abkommen erklärte Versprechen Washingtons, während des laufenden Moratoriums keine neuen Sanktionen in Kraft zu setzen, ausdrücklich nur auf »nuklearbezogene« Maßnahmen. Die US-amerikanische Chefunterhändlerin Wendy Sherman bestätigte im Dezember 2013 bei einer Befragung durch den Bankenausschuß des Senats, daß es sehr wohl möglich wäre, mit anderen Begründungen auch während des Moratoriums neue Sanktionen gegen Iran zu erlassen. Sie verwies bei dieser Gelegenheit darauf, daß im Menschenrechtsrat der UNO Bestrebungen im Gange seien, Strafmaßnahmen zu beschließen und daß dies von den USA unterstützt werde.

Die Obama-Administration geht offenbar davon aus, daß Iran in der jetzt auszuhandelnden »langfristigen« Stufe noch sehr viel mehr Zugeständnisse machen muß als bei den in Genf getroffenen Vereinbarungen. Die iranische Sicht ist jedoch ganz im Gegensatz dazu, daß ein großer Teil der für die Zeit des Moratoriums vereinbarten Beschränkungen des Atomprogramms vorübergehende Vorleistungen seien, die bei der Einigung auf eine »umfassende langfristige Lösung« wieder fortfallen würden. Die Erwartungen beider Staaten scheinen derzeit unvereinbar und lassen kaum Kompromißmöglichkeiten erkennen. Die drei Verhandlungsteilnehmer der EU stehen vermutlich der US-amerikanischen Ausgangsposition näher, Rußland und China der iranischen.

Irans Zusagen

Iran hat für die Dauer des Moratoriums folgende Schritte versprochen und großenteils auch schon umgesetzt oder mit der Umsetzung begonnen. Erstens: Unterbrechung der Anreicherung von Uran auf knapp 20 Prozent. Das Material wird zur Herstellung von Brennelementen für einen alten Reaktor in Teheran benötigt, der seinerseits der Produktion von Isotopen für medizinische Zwecke, insbesondere zur Behandlung von Krebskranken, dient.

Zweitens: Umwandlung des gesamten Bestands an Uran, das schon auf diesen Grad angereichert wurde. Es soll je zur Hälfte zu Brennelementen verarbeitet oder auf nicht mehr als fünf Prozent »verdünnt« werden.

Drittens: Einfrieren der Anreicherung von Uran auf maximal fünf Prozent auf ihrem derzeitigen Niveau. Dieses Material soll zu normalem Reaktorbrennstoff verarbeitet werden. Iran darf während des Moratoriums die Zahl der zur Anreicherung eingesetzten Zentrifugen nicht erhöhen, sondern nur beschädigte Geräte durch andere desselben Typs ersetzen. Das Land hat bei der Anreicherung bisher nur veraltete Zentrifugen im Einsatz, die stark störanfällig und wenig effektiv sind. Neuere Modelle wurden bisher nur zu Testzwecken betrieben.

Viertens: Der in Bau befindliche Reaktor in Arak darf während des Moratoriums nicht in Betrieb genommen werden. Es dürfen auch keine Brennelemente hineingebracht werden. Ob das Genfer Abkommen darüber hinaus auch einen generellen Baustopp in Arak vorschreibt, ist zwischen Teheran und Washington umstritten.

Während die Regierung der vorderasiatischen Republik das Genfer Abkommen vom 24. November 2013 kurz nach seiner Unterzeichnung vollständig veröffentlichte, verbreitete das Weiße Haus lediglich ein »Fact Sheet«, in diesem Fall eine kommentierte Nacherzählung der Vereinbarung. Das Papier war zwar einerseits sehr ausführlich und detailliert bei der Beschreibung der Verpflichtungen beider Seiten während des sogenannten ersten Schritts, des Moratoriums. Seine Verfasser huschten aber über die grundsätzlichen Vereinbarungen hinsichtlich der »Elemente des Schlußschritts einer umfassenden Lösung«, die im Genfer Abkommen immerhin eine ganze Seite füllen, mit nur sieben absolut nichtssagenden Zeilen hinweg. Offensichtlich beabsichtigt die US-Regierung, diesen Teil zu ignorieren und die Diskussion darüber jetzt noch einmal bei Null beginnen zu lassen. Damit sähe sich Iran erneut in ungefähr der gleichen Situation wie bei dem Moratorium, das im Oktober 2003 mit dem EU-Trio vereinbart wurde.

Israels Maximalforderungen

Die Obama-Administration begann fast sofort damit, den in Genf scheinbar erreichten Konsens öffentlich zu demontieren. Bei einer Befragung durch den Außenpolitischen Ausschuß des Abgeordnetenhauses am 11. Dezember 2013 erklärte Außenminister John Kerry, daß der im Bau befindliche Reaktor in Arak für die USA »nicht akzeptabel« sei. Diesen Standpunkt hat er seither mehrmals wiederholt. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos sagte Kerry am 24. Januar: »Ein Land mit einem friedlichen Atomprogramm muß gewiß keine Anreicherungsanlagen im Schutz der Dunkelheit tief unter einem Berg bauen. Es braucht keinen Schwerwasserreaktor, der dazu konstruiert ist, waffenfähiges Plutonium zu produzieren, wie der in Arak.«

Die Bemerkung über die Anlage »tief unter einem Berg« bezog sich auf Fordo. Iran hat dort angesichts der ständigen Kriegsdrohungen der USA und Israels vor wenigen Jahren eine Anreicherungsfabrik errichtet, die mit konventionellen Waffen kaum zu zerstören ist. Bis zum Inkrafttreten des Moratoriums wurde dort Uran auf 20 Prozent angereichert. Gegenwärtig liegt die Anlage weitgehend still.

Chefunterhändlerin Wendy Sherman hatte schon am 4. Dezember 2013 in einem Interview mit PBS NewsHour davon gesprochen, daß die mit den Iranern auszuhandelnde Gesamtlösung »eine Menge Demontagen ihrer Infrastruktur« einschließen müsse, und nannte in diesem Zusammenhang konkret Arak. Seither hat Sherman immer wieder die Worte »Demontagen« (Dismantling) und »demontieren« in bezug auf das iranische Atomprogramm, besonders auch hinsichtlich der schwachen Anreicherung von Uran (unter fünf Prozent), ins Spiel gebracht. Dieser Sprachgebrauch empört Teheran sehr, und mit Recht weist die Regierung darauf hin, daß diese Worte im Genfer Abkommen an keiner Stelle vorkommen.

Ohne daß es bisher präzis formuliert wurde, will die US-Regierung offenbar auch die iranische Produktion von schwach angereichertem Uran extrem einschränken. Als Anhaltspunkt könnte ein Papier des US-amerikanischen Institute for Science and International Security (ISIS) dienen, das am 15. Januar veröffentlicht wurde. Dort wird unter anderem gefordert, daß Iran zur Anreicherung künftig nur noch 4000 Gaszentrifugen – statt derzeit etwa 20 000 – betreiben darf. Die Zahl gilt für den Fall, das nur Geräte des veralteten Typs eingesetzt werden. Bei Verwendung eines moderneren Modells verlangt ISIS die Reduzierung auf 900. Die Anreicherungsanlage in Fordo müsse geschlossen, der Reaktor in Arak auf Leichtwassertechnologie umgestellt werden, insistiert das Institut darüber hinaus.

Seit kurzem hat die US-Regierung in ihren Katalog für die »umfassende langfristige Lösung« auch die Forderung aufgenommen, daß Iran keine Mittelstreckenraketen mehr produzieren oder testen dürfe. In diesem Sinn äußerte sich zum Beispiel Chefunterhändlerin Sherman am 4. Februar bei einem Hearing des Außenpolitischen Ausschusses des Senats. Davon steht jedoch absolut nichts im Genfer Abkommen. Die Iraner bestreiten, daß dieses Thema während der Verhandlungen überhaupt berührt wurde.

Die US-Regierung steht unter erheblichem Druck des Kongresses. Nicht nur im Abgeordnetenhaus, das von den Republikanern beherrscht wird, sondern auch im Senat gibt es klare Mehrheiten für die Maximalforderungen des israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu: Iran muß mit allen Mitteln gezwungen werden, erstens auf jede Anreicherung von Uran, gleich welchen Grades, zu verzichten, zweitens seine dafür verwendeten Anlagen zu »demontieren«, drittens sämtliche Bestände an angereichertem Uran abzuliefern und viertens die Bauarbeiten am Reaktor in Arak zu beenden. Der Entwurf einer Kongreßresolution, die die US-Regierung verpflichten soll, ansonsten kein Abkommen mit dem Iran zu unterschreiben, liegt schon seit Dezember vor. In dem Moment, in dem die jetzt in Wien begonnenen Verhandlungen ins Stocken gerieten, würde die Verabschiedung durch Abgeordnetenhaus und Senat kaum noch zu bremsen sein. Und die Chance, daß es dann in beiden Kammern Zweidrittelmehrheiten gäbe, so daß ein Veto des Präsidenten unwirksam würde, wäre unter solchen Voraussetzungen groß.

Netanjahu hat am Montag vor den nach Israel gereisten Vertretern der »Präsidentenkonferenz«, des Dachverbands von 51 großen jüdischen Organisationen der USA, seine Position bekräftigt: »Das Ziel besteht nicht darin, Iran am Besitz von Atomwaffen zu hindern, sondern seine Fähigkeit (capability) zur Herstellung von Atomwaffen unmöglich zu machen.« Das richtet sich eindeutig gegen die offizielle Position der US-Regierung. In diesem wichtigen Dissens zwischen Washington und Tel Aviv stehen beider Kammern des Kongresses mit überwältigender Mehrheit nicht auf seiten des amerikanischen Präsidenten, sondern des israelischen Premiers: Alle relevanten Resolutionen und Gesetze der letzten Jahre – durchweg fast einstimmig verabschiedet – gehen explizit davon aus, daß man Iran mit allen Mitteln nicht nur an der Erlangung von Atomwaffen, sondern schon an der »Capability«, sich irgendwann solche zu verschaffen, hindern müsse.

Die meisten Sanktionen gegen den Iran könnte Obama, selbst wenn er das wollte, ohne Zustimmung des Kongresses nicht aufheben. Allenfalls hätte er dann die Möglichkeit, soweit das in den entsprechenden Gesetzen vorgesehen ist, von seinem Recht auf die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen Gebrauch zu machen. Diese müßten gegenüber dem Kongreß jeweils begründet und alle sechs Monate erneuert werden. Unter solchen Bedingungen wäre aber nicht damit zu rechnen, daß große internationale Unternehmen ins Iran-Geschäft einsteigen oder gar beträchtliche Investitionen riskieren.

Populistische Rhetorik

Ein schwieriges Hindernis auf dem Weg zu einer Einigung stellen außerdem die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats dar, von denen vier mit Sanktionen verknüpft sind. Iran wird darin zur »Suspendierung« seiner gesamten Urananreicherung und der Bauarbeiten am Reaktor in Arak sowie seit Juni 2010 auch zum Verzicht auf die Produktion und Erprobung ballistischer Raketen aufgefordert. Um diese Resolutionen außer Kraft zu setzen, und anders wäre eine »umfassende langfristige Lösung« des Streits gar nicht möglich, müßten alle fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und die USA – entweder zustimmen oder zumindest durch Enthaltung auf die Ausübung ihres Vetorechts verzichten. Im Genfer Abkommen heißt es dazu lediglich, daß man sich im Laufe der jetzt begonnenen zweiten Verhandlungsrunde damit befassen müsse.

Vor diesem Hintergrund hat Irans »Oberster Rechtsgelehrter« Ajatollah Sejed Ali Khamenei am Montag in einer öffentlichen Rede seine pessimistische Einschätzung zu den Chancen auf eine Verständigung mit den USA bekräftigt. Er sei nicht gegen die Verhandlungen, befürchte aber, daß sie zu nichts führen, wiederholte Khamenei seine Position, die er schon im März 2013 geäußert hatte. Verhandeln sei »eine amerikanische Taktik, um die öffentliche Meinung zu täuschen«. Die führenden Kreise der USA seien unverändert feindselig gegenüber Iran und der »islamischen Revolution« eingestellt. »Selbst wenn das Atomproblem ganz genau so gelöst werden würde, wie die USA es wollen, würden die Amerikaner nach anderen Ausreden suchen.«

Khamenei, der im Westen meistens als alleiniger oder zumindest doch ausschlaggebender Entscheidungsträger des Iran dargestellt wird, erweist sich damit als ein recht einsamer Mahner. Im politischen und journalistischen Mainstream der islamischen Republik gelten die Verhandlungen mit der Sechsergruppe schon jetzt als eine großartige Erfolgsgeschichte. Präsident Hassan Rohani sprach am 14. Januar auf einer Massenkundgebung in der Stadt Ahwas davon, daß sich die westlichen und östlichen Großmächte »der Macht, der Kraft und dem Widerstand« Irans »gebeugt« hätten. Dessen »friedliche Atomtechnologie« werde »weltweit akzeptiert«, der »Damm der Sanktionen« sei »gebrochen«. Ob auch von der »Kapitulation« der Sechsergruppe die Rede war – die englischsprachigen Medien Irans schrieben tatsächlich »surrender« –, läßt sich nicht definitiv entscheiden: Das von Rohani verwendete persische Wort hat eine breite Bedeutungsskala.

Klug ist diese Art von populistischer Rhetorik ganz sicher nicht. Sie wird von den Scharfmachern im Westen als Munition dankbar aufgegriffen und leistet der Tendenz der US-Regierung, ihrerseits immer radikalere Forderungen zu stellen, Vorschub. Aber Rohanis Verhalten macht deutlich, unter welchem enormen innenpolitischen Druck und Mißtrauen er agiert.

* Aus: junge Welt, Freitag, 21. Februar 2014


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