Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Riesiges Potential

Iran verfügt über enorme Öl- und Gasreserven. Investitionen in Milliardenhöhe für Erschließung notwendig

Von Knut Mellenthin *

Iran besitzt die viertgrößten nachgewiesenen Erdölreserven der Welt und liegt beim Erdgas sogar an zweiter Stelle, nur noch übertroffen von Rußland. Vermutlich sind längst noch nicht alle Vorkommen entdeckt. Manche Experten schließen nicht aus, daß Iran sogar, wenn man die Energieträger Öl und Gas zusammenrechnet, weltweit die Nummer eins ist. Anders als die Fürstentümer der arabischen Halbinsel hat Iran zudem eine große Bevölkerung, eine breite, gut ausgebildete Schicht, und das Potential, zur führenden Industrienation der Region zu werden.

Irans Gasvorkommen – darunter das größte Feld der Welt unter dem Persischen Golf, das es sich mit dem gegenüberliegenden Katar teilt – sind bisher jedoch nur unzureichend erschlossen. Um das zu ändern, wären Investitionen in Höhe von mehreren Dutzend Milliarden Dollar und modernste Technologie aus dem Ausland erforderlich. Beides wird vorläufig durch die Sanktionen der USA und ihrer europäischen Verbündeten verhindert. Das Genfer Abkommen vom 24. November sieht keinerlei Lockerung dieser Maßnahmen vor.

Die letzten der großen westlichen Konzerne haben sich unter starkem Druck und Strafankündigungen Washingtons im Jahr 2010 vollständig aus dem Iran zurückgezogen. Schon zu diesem Zeitpunkt hatten sie aber aufgrund der US-Sanktionen ihre Tätigkeit weitgehend abgewickelt oder stark reduziert. Ein US-Gesetz aus dem Jahr 2006 bedrohte bereits alle ausländischen Unternehmen, die jährlich mehr als 20 Millionen Dollar – in dieser Branche ein lächerlich geringer Betrag – in die iranische Energiewirtschaft investierten, mit Ausschluß vom US-Markt und vom US-geführten internationalen Finanzsystem. Seit 2011 bestraft die US-Regierung selbst geringste Investitionen oder Kooperationen mit dem Iran in diesem Sektor.

Dennoch liegt die iranische Erdgasproduktion schon jetzt auf Platz drei oder vier der Weltrangliste: hinter den USA und Rußland, ungefähr gleichauf mit Kanada. Der größte Teil der iranischen Produktion wird aber im Lande konsumiert. Das Land hat einen hohen Energieverbrauch, der zu über 50 Prozent durch Erdgas bestritten wird. Während Iran ungefähr 16 Prozent der gesamten Erdgasreserven der Welt besitzt, ist es am internationalen Handel mit diesem Rohstoff zu weniger als einem Prozent beteiligt. Es importiert sogar immer noch etwas mehr, als es exportiert. Dieses Gas kommt über eine 180 Kilometer lange Pipeline aus dem benachbarten Turkmenistan und dient zur Versorgung Nordirans, das von den eigenen bisher bekannten Vorkommen – diese liegen alle im Süden des Landes oder unter dem Persischen Golf – weit entfernt ist.

Einziger bedeutender Abnehmer von iranischem Gas ist die Türkei. Kleine Mengen werden regelmäßig nach Armenien und in die aserbaidschanische Exklave Nachitschewan geliefert. Der Bau einer 220 Kilometer langen Pipeline in den Irak ist seit einiger Zeit geplant. Nach Berichten iranischer Medien will Teheran den Erdgasexport schon in diesem Jahr nahezu verdreifachen – von derzeit angeblich 35 Millionen Kubikmeter pro Tag auf 100 Millionen. In vier Jahren sollen es sogar 180 Millionen sein. Wie weit das ein ernsthaft angestrebtes Planziel oder nur Wunschdenken ist, bleibt wie so oft bei iranischen Erzählungen ungewiß.

Die wesentliche Voraussetzung, um Erdgas auch auf dem Seeweg zu weit entfernten Großkunden wie China oder Japan liefern zu können, wären Technologie, Know-how und Anlagen zur Verflüssigung des Rohstoffs. Das Fürstentum Katar verdankt der Spezialisierung auf diese Technik – es ist weltgrößter Exporteur von Flüssiggas – seinen Reichtum. Im Gegensatz dazu führt Iran bisher überhaupt kein Flüssiggas aus. Eine im Dezember 2011 eingeweihte Anlage zur Gasverflüssigung dient offenbar nur zur Benzinherstellung.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 16. Januar 2014


Zur Iran-Seite

Zur Iran-Seite (Beiträge vor 2014)

Zur Erdöl- und Erdgas-Seite

Zur Erdöl- und Erdgas-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage