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Korb für Washington

Irans Revolutionsführer widerspricht internen Kräften, die im Irak mit den USA zusammenarbeiten wollen *

Seit Präsident Barack Obama im Juni die Möglichkeit von Militär­operationen im Irak andeutete, haben Gerüchte und Spekulationen über eine Zusammenarbeit zwischen den USA und dem Iran Konjunktur. Ausschließlich gestützt auf nicht nachvollziehbare anonyme »Informanten«, blüht die Phantasie. Gespeist wird sie vor allem durch neokonservative US-Medien wie Wallstreet Journal und Fox News und durch den israelischen Desinformationsdienst DebkaFile.

Am Montag sah sich der iranische Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei vor dem Hintergrund der Koalitionskonferenz in Paris zu einer scharfen Stellungnahme genötigt, die vielleicht mehr innen- als außenpolitisch motiviert war: Die US-Regierung habe dem Iran mehrfach ihr Interesse mitgeteilt, Gespräche über eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des im Irak und in Syrien aktiven »Islamischen Staats« (IS) zu führen. Ausdrücklich erwähnte Khamenei einen Vorstoß des US-Botschafters in Bagdad bei seinem iranischen Kollegen und von State-Department-Chef John Kerry bei Teherans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif.

Einige iranische Regierungsbeamte seien nicht dagegen gewesen, sich mit US-Vertretern zu diesem Thema zu treffen, verriet Khamenei, ohne Namen zu nennen. Er habe sich jedoch dagegen ausgesprochen und den Befürwortern derartiger Kontakte gesagt, es könne mit den Amerikanern auf diesem Gebiet keine Zusammenarbeit geben, weil »ihre Absichten und ihre Hände nicht sauber sind«. Der Revolutionsführer ist nach der iranischen Verfassung oberste Autorität in religiösen und politischen Fragen. Khamenei macht von diesem Privileg aber nur selten direkten Gebrauch.

Vor kurzem war er selbst ins Gerede gebracht worden. Der britische Sender BBC hatte am 5. September unter Berufung auf anonyme »Quellen« behauptet, Khamenei habe den Kommandeur der Kuds-Kräfte, Kassem Soleimani, ermächtigt, mit allen Kräften, die den IS bekämpfen, »einschließlich der USA«, zusammenzuarbeiten. Offiziere dieser Spezialtruppe, angeblich auch Soleimani selbst, sind westlichen Berichten zufolge im Irak als Berater tätig. Sie sollen beim Brechen des IS-Belagerungsrings um die Stadt Amerli durch schiitische Milizen eine wichtige Rolle gespielt haben. Iranische Stellen, unter anderem das Außenministerium, dementierten die Meldung über die angebliche Anordnung des Revolutionsführers.

Als Reaktion auf Khameneis Darstellung der angeblichen US-Kontaktversuche wiederholte das State Department am Montag seine Standardposition. Es gebe keinerlei »Koordination« mit dem Iran hinsichtlich der Bekämpfung des IS, auf keinem Gebiet, sagte Kerry bei einer Pressekonferenz in Paris. Aber seine Regierung sei für die Möglichkeit offen, gelegentlich mit den Iranern über das Thema zu sprechen, »falls sich etwas Konstruktives finden läßt«. Der Nachfrage von Journalisten, was das konkret sein könne, wich Kerry aus: »Das kann ich nicht wissen, solange sie mit uns nicht diskutieren wollen.«

Daß die von Khamenei behaupteten Kontaktversuche der US-Regierung wirklich stattfanden, bestritt Kerry nicht ausdrücklich. Statt dessen sagte er nur, er habe keine Ahnung, welche Interpretationen man im Iran aus irgendwelchen Gesprächen ziehe. Die Nicht-Einladung zur Konferenz in Paris rechtfertigte der Außenminister damit, daß die Monarchen Saudi-Arabiens und der Vereinigten Emirate damit gedroht hätten, dem Treffen fernzubleiben, falls Iran teilnehmen würde.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow kritisierte in seiner Rede bei der Pariser Konferenz die Ausgrenzung Irans und Syriens. Beide Staaten seien »unsere natürlichen Verbündeten« im Kampf gegen den IS, »und ihre Beteiligung hätte heute unsere Arbeit bereichert«. Gleichzeitig verwies er darauf, daß Rußland »militärische und anderweitige wichtige Unterstützung« leiste, »um die Abwehrkraft des Iraks, Syriens und anderer Frontstaaten der Region gegenüber dem Terrorismus zu stärken«.

Knut Mellenthin

* Aus: junge Welt, Mittwoch 17. September 2014


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