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Ashton sorgt in Teheran für Beifall und Kritik

Irans Presse sieht neue Ära der Zusammenarbeit / Unmut über Treffen mit Dissidentinnen anlässlich des Weltfrauentages *

Die iranische Presse hat den Besuch der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in Teheran als Beginn einer neuen »Ära der Kooperation« begrüßt.

Viele iranische Zeitungen schrieben am Montag von einer »Botschaft des guten Willens der 28 Länder der Europäischen Union« an den iranischen Präsidenten Hassan Ruhani. Ashton war der erste derart hochrangige EU-Besuch seit der Reise ihres Vorgängers Javier Solana nach Iran im Juni 2008.

Die Reformzeitung »Schargh« kritisierte aber auch Ashtons Haltung zu den Menschenrechten. Die Erwähnung der Menschenrechte sei legitim, schrieb die Zeitung. Doch wäre es auch schön, wenn Ashton an die Kranken denke, die sich wegen der Sanktionen des Westens gegen Iran lebenswichtige Medikamente nicht mehr leisten könnten, oder an die Fluggäste, die um ihre Sicherheit fürchten müssten, da infolge der Sanktionen keine Ersatzteile für Flugzeuge mehr importiert werden durften.

Ashton hatte bei ihrem Besuch vor übergroßen Erwartungen an die Atomverhandlungen mit dem Westen gewarnt. Die Verhandlungen seien »schwierig und herausfordernd« und ein endgültiges Abkommen sei nicht garantiert, sagte Ashton mit Blick auf die laufenden Gespräche mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland über ein Abkommen, das Iran die friedliche Nutzung der Atomenergie erlauben, die Entwicklung von Atomwaffen jedoch dauerhaft verhindern soll. Zudem traf Ashton anlässlich des Internationalen Frauentages in Teheran eine Gruppe Frauenrechtlerinnen. Mehrere konservative Zeitungen äußerten sich kritisch über das Treffen. Vizegeneralstabschef Massud Dschasajeri sagte laut der Nachrichtenagentur Fars, das Treffen sei »eine Verletzung der diplomatischen Regeln und die Vorbereitung für künftige Einmischungen in unsere Angelegenheiten« gewesen.

Auch das iranische Außenministerium hat die EU-Außenbeauftragte wegen der Gespräche mit Dissidentinnen kritisiert. Laut Außenamtssprecherin Marsie Afcham waren die »inoffiziellen« Treffen nicht vom Außenministerium koordiniert worden. Sie seien auch der geplanten Verbesserung der Beziehungen zwischen Iran und der EU nicht förderlich, erklärte die Sprecherin am Montag laut Irna. Der Agentur Fars zufolge sprach Ashton mit Frauen, die 2009 in die Demonstrationen gegen das Regime verwickelt waren, darunter die Aktivistin Narges Mohammedi. Angeblich hatte die österreichische Botschaft das Treffen arrangiert.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. März 2014


Schwierig, aber machbar

Olaf Standke über den Iran-Besuch der EU-Außenbeauftragten **

So viel gute Presse erhält Catherine Ashton nicht alle Tage. Vom Beginn einer neuen »Ära der Kooperation« sprachen Irans Zeitungen nach dem Besuch der EU-Außenbeauftragten in Teheran, dem ersten aus der Spitze der Union seit vielen Jahren Eiszeit. Nicht, dass alles eitel Sonnenschein gewesen wäre. Ashtons Engagement für Menschenrechte etwa fand ein kritisches Echo in Iran. Ganz davon zu schweigen, dass Israel vor dem Hintergrund des mutmaßlichen Funds iranischer Rakten für Terrorgruppen in der Region am liebsten eine Absage der »EU-Außenministerin« gesehen hätte.

In Teheran wurde die Visite vor allem als »Botschaft des guten Willens« an Präsident Hassan Ruhani interpretiert und begrüßt. Ashton ist dabei eine wichtige Vermittlerin, über die man den jahrelangen Streit um das eigene Nuklearprogramm beilegen wie auch strategische Beziehungen mit der Europäischen Union entwickeln will. Ruhani könnte sich etwa eine Zusammenarbeit bei Krisenherden wie Syrien, Irak oder Afghanistan und besonders im Kampf gegen den Terrorismus vorstellen – was in Israel wie Hohn klingt. Priorität muss für ihn mit Blick auf die Lage im Land aber ein Ende der Wirtschaftssanktionen haben. Das bekommt Iran jedoch nur für eine umfassende, nachhaltige Einigung im Atomstreit. Eine schwierige Herausforderung, so Ashton, aber machbar.

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 11. März 2014 (Kommentar)


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